NBA

Zu viel Risiko?

Von Max Marbeiter
Dwight Howard (l.) und James Harden sollen die Houston Rockets irgendwann zum Titel führen
© getty

Die Houston Rockets sind einer der Verlierer der Free Agency. Statt Dwight Howard und James Harden einen weiteren Superstar an die Seite zu stellen, verloren die Texaner einige nicht unwichtige Assets. Eine Schlüsselposition ist noch nicht besetzt. Hat sich GM Daryl Morey verzockt?

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Daryl Morey ist ein GM dieser neuen Generation. Rastlos. Immer auf der Suche nach dem nächsten Deal, der seine Rockets noch ein Stück besser machen soll. Ein Anruf hier, ein Trade-Vorschlag dort. Gestützt sind seine Überlegungen auf Statistiken. Auf Advanced Stats. Morey möchte stichhaltige, statistische Beweise für seine Ideen. Risiko soll ausgeschlossen, mindestens aber minimiert werden.

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Soweit die Theorie. Denn andererseits verfolgt Morey seine Ziele mit sturer Konsequenz. Hat er sich etwas in den Kopf gesetzt, soll es auch umgesetzt werden. In diesem Sommer musste es nach dem enttäuschenden Erstrundenaus gegen Portland deshalb ein dritter Superstar sein. Einer, der die Rockets gemeinsam mit Dwight Howard und James Harden zum ersten Titel seit der Ära Hakeem Olajuwon führen kann.

Deshalb umgarnte Houston Carmelo Anthony, ließ Melo dieselbe Aufmerksamkeit zuteilwerden, die vor einem Jahr bereits Howard von Texas überzeugte. Deshalb erhielt Chris Bosh ein Max-Contract-Angebot. Deshalb wurde Chandler Parsons vorzeitig zum Restricted Free Agent gemacht - trotz des vielleicht teamfreundlichsten Vertrags der gesamten Liga. Deshalb spielen Jeremy Lin und Ömer Asik kommende Saison nicht mehr in Houston, sondern bei den Lakers respektive Pelicans.

Kein Parsons, kein Bosh

Kurz: Daryl Morey verlebte aufregende Wochen. Am Ende allerdings auch enttäuschende. Diesmal gingen seine Anstrengungen schlicht ins Leere. Melo zog Houston trotz Audienz nicht wirklich in Betracht, Bosh blieb in Florida. Und schließlich waren da noch die Mavs. Die unterbreiteten Parsons ein Offer Sheet, das er nicht ablehnen und Houston nicht matchen konnte - oder wollte.

46 Millionen für 3 Jahre. Dazu ein Trade-Kicker, der das Gehalt des Forwards automatisch anhebt, sollte er getradet werden. Während eines Interview mit "KBME-AM" bezeichnete Morey Parsons' Vertrag deshalb als "einen der der am wenigsten tradebaren, die ich je gesehen habe." Dabei gilt Morey ligaweit selbst als einer, der nur zu gern den einen oder anderen Haken in den Vertrag eines von ihm favorisierten Free Agents einbaut, um dessen aktuellem Team ein Matchen zu erschweren.

Nur so landeten Asik und Lin überhaupt erst in Houston. Die Bulls und Knicks konnten und wollten die Rockets-Angebote nicht mitgehen. Das war vor zwei Jahren. Nun sind beide abkömmlich geworden, mussten gehen, um Platz für Bosh zu schaffen. Im Gegenzug erhielt Houston einen First-Round Pick, steht im Umkehrschluss nun aber ohne zwei durchaus respektable Rollenspieler da.

Und ohne Parsons. Anstatt ihr Team mit einem weiteren Star zu verstärken, haben die Rockets drei nicht unwichtige Assets verloren. Zunächst ohne unmittelbaren Gegenwert. Einzig aufgrund der Hoffnung, ein weiterer Star könne sich für Houston entscheiden. Morey, der das Risiko eigentlich so gern mindern möchte, riskierte alles - und verlor viel.

Schlechter als im April

Im Grunde stehen die Rockets nun schlechter da als noch im April. Und der eine oder andere Ligakonkurrent wird sich ob der am Ende fehlgeleiteten Anstrengungen ein leichtes Lächeln nur schwer verkneifen können. Immerhin gilt Morey nicht unbedingt als beliebtester aller General Manager. Immer wieder ist er am anderen Ende der Leitung, schlägt wieder irgendeinen Trade vor. Mal mehr, mal weniger unverschämt.

Dazu wird die neue Generation, die Basketball, dieses komplexe Spiel, so gern auf eine Abfolge an Zahlen reduzieren würde, immer wieder kritisch beäugt. Aussagen wie die im Anschluss an den Parsons-Deal tun ihr übriges. "Du musst derjenige sein, der die Chandler Parsons' findet", sagte Morey während eines Radio-Interview. "Nicht derjenige, der den Chandler Parsons' einen Max-Contract gibt."

Ein Fünkchen Wahrheit mag in derlei Aussagen sicherlich stecken. Entdecken, aufbauen und fördern ist schließlich weitaus schwieriger als lediglich mit den Dollar-Scheinen zu wedeln. Ob man es dann auch derart deutlich äußern muss, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings passt es auch zum Bild des Daryl Morey. Dem Bild eines GM, der seine Spieler einzig als Ware versteht, die hin und her geschachert wird, um selbst einen kleinen Vorteil zu erzielen. Dass im Grunde die gesamte Liga ähnlich agiert, wird dabei oft vergessen.

Parsons übt Kritik

Zumal Chandler Parsons nach seinem Abgang ebenfalls deutliche Kritik an seinem ehemaligen Team äußerte. "Ehrlich gesagt habe ich mich durch den ganzen Prozess angegriffen gefühlt", erklärte er "Yahoo! Sports". "Sie haben öffentlich verlauten lassen, dass sie nach einem dritten Star suchen. Dabei dachte ich, sie hätten einen direkt vor sich."

Zwar relativierte Parsons seine Aussagen ein wenig, sagte, dass er den Rockets dankbar sei und nicht für böses Blut sorgen wollte, im Kern bestätigt Morey jedoch die Aussagen seines ehemaligen Forwards. "Am Ende ging es darum, ob Harden, Howard und Parsons das finale Puzzlestück darstellen, da wir danach keinen Spielraum mehr gehabt hätten. Die Frage ist, ob wir mit diesem Kern besser sind oder mit Ariza plus den hundert anderen Moves, die uns in einem anderen Szenario weiterbringen können."

Die Antwort ist mittlerweile klar: Trevor Ariza kehrt zu den Rockets zurück und Parsons Houston den Rücken. Man entschied sich für die günstigere Variante - Ariza verdient in vier Jahren 32 Millionen Dollar - und Flexibilität. Offensiv schwächt die Entscheidung Houston sicherlich. Schließlich fehlen Ariza die Playmaking-Skills eines Chandler Parsons. Dazu ist nicht sicher, ob der ehemalige Wizard seine Leistungen aus der vergangenen Saison wird bestätigen können. Es wäre nicht das erste Mal, dass er nach einem Contract Year einbricht.

Ariza: Defensives Upgrade

Defensiv stellt Ariza allerdings definitiv ein Upgrade dar. Angesichts von James Hardens Defensiv-Allergie kein unwesentlicher Fakt. Auch eine ähnliche Situation wie bei Damian Lillards Dreier, der das Playoff-Aus der Rockets besiegelte, ist mit Ariza zumindest einmal unwahrscheinlicher. Schließlich ist es schwer vorstellbar, dass Portlands Playmaker dem Defensivspezialisten ähnlich effektiv entwischt wie Parson.

Sinnlos ist der Deal um Ariza also keinesfalls. Zumal die Rockets mit Howard, Patrick Beverley und Ariza nun drei starke Verteidiger in der Starting Five haben, was einer der schwächeren Defenses der Liga nur guttun kann.

Was passiert auf der Vier?

Zudem schätzt Morey offensichtlich nichts mehr als Flexibilität. Und die behält er sich vorerst. Je nach Entwicklung des Salary Caps für die Saison 2015/16 hat er, Stand jetzt, rund 14 Millionen Dollar zur Verfügung. Ein Trade von Terrence Jones, Donatas Motiejunas und weiterer Talente könnte sogar Platz für einen weiteren Max-Contract schaffen. Vielleicht für Rajon Rondo oder Kevin Love.

Allerdings fehlt den Rockets immer noch ein echter Vierer. Terrence Jones füllte die Rolle vergangene Saison zwar weitestgehend solide aus, das Playoff-Duell gegen LaMarcus Aldridge mutierte angesichts der mangelnden Größe und Kraft jedoch zum Desaster. Morey wird sicher einiges in Bewegung setzen, um bis Saisonstart einen weiteren Power Forward zu verpflichten. Besser als vergangene Saison werden die Rockets zumindest im diesem Jahr aber wohl nicht dastehen. Eher schlechter. Und das, obwohl Morey, entgegen seiner Natur, so viel riskiert hat.

Der Kader der Houston Rockets im Überblick