NBA

Offense fordert Defense

Von Stefan Petri
Jimmy Butler, Jordan Hill
© getty

Verletzungen haben die Ziele der Bulls und Lakers ordentlich nach unten korrigiert. Beide trotzen den Umständen auf ihre Weise. Chicago fightet, L.A. zaubert. Das direkte Duell (21.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) ist damit gleichzeitig ein Kampf der Systeme

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Ausgangslage:

Zwei der bekanntesten Franchises der NBA zehren derzeit vor allem von ihrer ruhmreichen Geschichte. Star-Power auf dem Platz gibt es derzeit weniger zu bestaunen.

Die Lakers können sich nach einer wahren Verletzungsseuche die Playoffs abschminken. Kobe Bryant absolvierte bisher lediglich sechs Spiele, dazu fiel die Point-Guard-Rotation zeitweise komplett aus. Das Team in Lila und Gold hat so viele Ausfälle zu beklagen, dass Mike D'Antoni gegen die Cleveland Cavaliers vor wenigen Tagen kurz vor Schluss nur noch fünf Spieler aufbieten konnte.

Dazu kommen Trade-Gerüchte um Pau Gasol und Chris Kaman. Warum also nicht klar Schiff machen und auf einen Draft Pick hoffen? Aber GM Mitch Kupchak hatte das im Januar ausgeschlossen. Immerhin: Nach 19 Niederlagen aus 22 Spielen gewann man zuletzt zwei Auswärtsspiele in Cleveland und Philly. Und: Steve Nash ist endlich wieder fit: An seinem 40. Geburtstag machte er gegen die Sixers 19 Punkte. Ein kleiner Lichtblick.

Die Chicago Bulls sind mit einer fast ausgeglichenen Bilanz im Osten dagegen auf Rang sechs und damit dick im Playoff-Geschäft. Für manche Fans sogar zu dick, schließlich kann man ohne den Langzeitverletzten Derrick Rose in dieser Saison wohl ohnehin nichts reißen. Dementsprechend wurde Luol Deng zu den Cavs getradet - aber ein von Tom Thibodeau gecoachtes Team kann halt einfach so richtig schlecht nicht sein.

Gegen die Lakers wird höchstwahrscheinlich auch Carlos Boozer mit einer Wadenverletzung zum Zuschauen verdammt sein. Sein Frontcourt-Kollege Joakim Noah sorgte unlängst mit einer Schimpftirade gegen die Offiziellen für Aufsehen. Hat er sich gegen L.A. wieder im Griff?

Star des Teams:

All-Star-Center Joakim Noah ist ohne Rose das Herz des Teams aus Chicago. Der 28 Jahre alte Center ist mit enormer Spielintelligenz ausgestattet und flink mit den Füßen, Händen und im Kopf. Er ist der Defensivanker des Teams und in der Offense immer öfter als Ballverteiler zu sehen. Am Donnerstag verpasste er mit 7 Punkten, 11 Assists und 10 Rebounds gegen Golden State knapp ein Triple-Double. Nur sein Wurf ist nichts für Ästheten, aber hey, man kann nicht immer gewinnen.

In der City of Angels sind alle Augen auf Rückkehrer Steve Nash gerichtet. Mit ihm sind die Lakers zwar immer noch kein Kandidat auf die Playoffs, aber immerhin schön anzuschauen. "Mit diesen ganzen Verletzungen ist es schwer, sich auf dem Court richtig frei zu fühlen. Aber in den letzten zwei Spielen war es so gut wie schon Jahre nicht mehr", erklärte er. NBA-Fans auf der ganzen Welt hoffen, dass das auch so bleibt. Bonus: Er muss in der Defense nicht gegen Derrick Rose antreten.

Schlüsselduell:

Noah wird sich unter dem Korb mit Pau Gasol auseinandersetzen müssen - wer diese Schlacht gewinnt, hat im Krieg gute Karten. Gasol hätte es mit 17 Punkten und 10,2 Rebounds pro Partie im Osten vielleicht sogar ins All-Star-Team geschafft. Der Spanier bringt seine Leistung, egal wer um ihn herum ausfällt oder auch nicht.

Während Gasol im Vergleich zu Noah offensiv der bessere Spieler ist, hat ihm sein Gegenüber defensiv etwas voraus. 11,5 Punkte, 11,3 Rebounds, 4,2 Assists und 1,3 Blocks sind ansehnliche Zahlen. Gasol muss gegen Noah vor allem die Jumper treffen, um den Sohn von Tennislegende Yannick Noah vom Korb wegzuziehen und so die Zone zu öffnen. Umgekehrt muss er allerdings aufpassen, dass er sich vom Energiebündel der Bulls nicht die Butter vom Brot - also die Rebounds vom Brett - klauen lässt.

Geschichte:

Die letzte Playoff-Series zwischen diesen beiden Teams liegt schon über 20 Jahre zurück - aber vergessen ist sie noch lange nicht. 1991, NBA Finals: Auf der einen Seite die lebende Legende Magic Johnson, fünffacher NBA-Champion, der wohl beste Point Guard aller Zeiten. Auf der anderen Seite ein Superstar namens Michael Jeffrey Jordan, fünffacher Scoring Champion, der wohl beste Spieler aller Zeiten.

Mit einem Triple-Double in Game 1 sicherte Magic den Lakers den Sieg, aber danach war die Kombination Jordan/Pippen einfach zu stark. Die Bulls gewannen die nächsten vier Spiele, Jordan war zum ersten Mal Champion - und der Rest ist Geschichte.

Aber auch im ersten Aufeinandertreffen dieser Saison war es nicht gerade langweilig. 102:100 nach Overtime hieß es für Chicago am 20. Januar, weil Taj Gibson mit der Sirene einen Layup versenkte. Sowohl Pau Gasol (20 Punkte, 19 Rebounds), als auch Joakim Noah (17 Punkte, 21 Rebounds) lieferten Monsterspiele ab. Folgt heute der zweite Akt?

Rookies:

Die Lakers sicherten sich in der zweiten Runde des vergangenen Drafts mit Ryan Kelly aus Duke den fast schon prototypischen D'Antoni-Spieler: 2,11 Meter groß, Power Forward, gut von draußen (ob der Coach nachts manchmal von Dirk Nowitzki träumt?). Die Rolle des 22-Jährigen bei den Lakers wuchs dank der vielen Verletzungen stetig. In den letzten fünf Spielen bringt er es auf über 29 Minuten im Schnitt, gegen Cleveland gelang ihm mit 26 Punkten eine persönliche Bestleistung.

Chicago zog sich in der ersten Runde mit Tony Snell einen Combo-Guard an Land, der ebenso perfekt ins System von Thibodeau passt: Gute Defense, ordentlicher Dreier. Auch ihm öffneten Verletzungen die Tür und er stellte prompt einen Fuß rein: Über 19 Minuten verbringt er im Schnitt auf dem Parkett, die Quoten aus dem Feld lassen aber noch zu wünschen übrig (38 Prozent, 33 Prozent 3FG).

Second-Rounder Erik Murphy, ein 23 Jahre alter Power Forward, hat bisher in 19 Minuten NBA-Luft schnuppern dürfen, zumeist in der Garbage Time. Kein Wunder: 22 Prozent aus dem Feld...

Die Stimmen:

Steve Nash (Lakers): "Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich nichts mehr als selbstverständlich ansehe. Es ist jeden Tag hart für mich, für ein Spiel fit zu werden. Ich bin einfach nur überglücklich, dass ich mich da draußen ohne Probleme bewegen und meinem Team helfen kann."

Joakim Noah (Bulls): "Es gibt viele traurige Schicksale in Chicago, jede Menge Gegenwind. Wenn ich Basketball spiele, dann will ich, dass diese Menschen stolz auf ihr Team sein können."

Chris Kaman (Lakers) über einen möglichen Trade: "Es ist mir egal, wirklich. Ich will zwar nicht getradet werden, aber das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Es ist mir egal. Das gehört eben zum Geschäft."

Prognose:

Trotz aller Probleme ist die Lakers-Offense mit 101,1 Punkten pro Partie Durchschnitt, die Defense verkümmert auf Rang 29 in der Liga. Bei den Bulls bietet sich mit mieser Offense (Platz 30) und starker Defense (Rang 2) ein umgekehrtes Bild. Könnte also ähnlich laufen wie im Super Bowl.

Aber die Lakers haben den Heimvorteil auf ihrer Seite, und Steve Nash ist trotz seines Alters noch ein durchaus nützlicher Spieler. Außerdem gehören die Bulls von der Dreierlinie (33 Prozent) zu den schlechtesten Teams der Liga - gut für L.A., dass die Zone blockiert und auf Fortuna hofft. In einem Run-and-Gun-Duell bestimmen die Lakers das Tempo und haben das bessere Ende für sich.

Der NBA-Spielplan im Überblick