NBA

Der König und seine Brüder

Von Philipp Dornhegge
Cleveland ist mehr als King LeBron James (M.). Die Cavaliers 2009 sind eine eingeschworene Truppe
© Getty

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag starten für die Cleveland Cavaliers die Conference-Finals. Die Orlando Magic haben die zweifelhafte Ehre, Gast in der Quicken Loans Arena zu sein. Dort ist der Ligaprimus fast nicht zu schlagen, und sowieso: Sind diese Cavs überhaupt zu stoppen?

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Was machen eigentlich die Cleveland Cavaliers mit ihrer ganzen freien Zeit in den Playoffs? Während sich der selbsternannte Titelfavorit aus L.A. mit den Houston Rockets abplagte und die Magic im Clinch mit Boston lagen, saßen LeBron James und Co. zu Hause auf der Couch und drehten Däumchen.

Dem Sweep gegen die Detroit Pistons folgte eine weitere Serie ohne Niederlage gegen Atlanta. Cleveland ist erschreckend gut drauf und bisher unschlagbar.

Trotzdem kriegt kaum einer mit, wie gut dieses Team wirklich ist. Dafür haben die Cavs einfach viel zu selten gespielt. Acht Partien, acht Siege seit Beginn der Playoffs. Im gleichen Zeitraum musste Boston satte 14 Mal ran.

James der beste Spieler der Welt

Wer jetzt befürchtet, dass dem Ligaprimus die lange Pause vor Beginn der Conference-Finals schaden könnte, der sollte sich in Erinnerung rufen, dass Cleveland auch zwischen der ersten und der zweiten Runde eine Woche lang aussetzte.

Und gegen die Hawks war von Sand im Getriebe keine Spur. Doch warum ist Cleveland eigentlich so dominant? Die Starting Five ist zwar gut, aber nicht überragend.

Klar, Superstar James überstrahlt sie alle, ist derzeit wohl der beste Spieler der Welt (32,9 Punkte, 9,8 Rebounds, 6,8 Assists, 53 Prozent aus dem Feld in den Playoffs). Legende Jerry West erklärte kürzlich nicht umsonst, dass James seiner Meinung nach an Kobe Bryant vorbeigezogen sei.

James und viele Rollenspieler

James ist klar. Aber Delonte West? Ein guter Verteidiger, sicher, aber offensiv allenfalls ein Rollenspieler. Zydrunas Ilgauskas? Ein solider Center, der aufgrund seines Alters aber auch nicht mehr zu den stärksten Vertretern seiner Zunft gehört.

Und Anderson Varejao? Der Brasilianer ist die vielzitierte Drecksau, die man ganz einfach braucht, um ganz vorne mitspielen zu können. Aber im Angriff ist er trotz merklicher Fortschritte immer noch zu limitiert.

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All Star Mo Williams ist demnach der einzige Spieler neben James, dem man absolute Spitzenklasse attestieren muss. Macht einen Superstar, einen kompetenten zweiten Mann und drei Rollenspieler. Reicht das, um die NBA-Krone zu gewinnen?

Erfahrene Bankspieler können Unterschied ausmachen

Es könnte reichen, und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen wäre da die Bank, die kaum schlechter ist als die Starter minus James.

Mit Wally Szczerbiak, Joe Smith und Ben Wallace haben die Cavs drei Spieler in der Hinterhand, die den Großteil ihrer Karriere Starter waren.

Szczerbiak und Wallace waren sogar All Stars, Smith ehemaliger Nummer-eins-Pick. Alles in allem Prominenz, die kaum ein anderes Team vorzuweisen hat, und die Cavs in ihrer Vorgeschichte schon gar nicht.

James ist der perfekte Leader

Zum anderen ist James nicht nur der beste Basketballer auf diesem Planeten, sondern mit gerade einmal 24 Jahren auch einer der besten Leader im Sport.

Anders als in L.A., wo viele Spieler unter der Schreckensherrschaft von Kobe Bryant leiden - der Einlauf, den sich Pau Gasol in Spiel sechs gegen Houston vor laufender Kamera abholte, war ein gutes Beispiel -, behandelt der King seinen Hofstaat wie Brüder. Nicht wie Untertanen.

Es werden permanent Witze gemacht, das Team verbringt die Freizeit miteinander und selbst, wenn James im Spiel mal auf der Bank sitzt, ist er voll bei der Sache: Mit Anfeuerungsrufen von außen zeigt er seinen Mitspielern, dass er voll hinter ihnen steht. Bryant schaut sich die Spiele der Lakers in Ruhephasen meist teilnahmslos an.

Starke Defense als Starthilfe für den Angriff

Dass James sein Team schon allein aufgrund seiner unglaublichen Präsenz besser macht, ist allen klar. Dass ihm dies auch in der Defense gelingt, ist in dieser Saison neu. Mit ungeheurer Intensität und Leidenschaft verteidigt er Abend für Abend den besten Spieler im gegnerischen Team.

Fragen Sie mal Paul Pierce, wie viel Spaß ihm die Partien in der regulären Saison gegen Cleveland gemacht haben. Zu Recht war James ein ernsthafter Kandidat als Defensive Player of the Year.

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Das bedeutet freilich nicht, dass nicht auch die anderen Cavs exzellent verteidigen: West hat stets den gegnerischen Aufbauspieler im Griff, Varejao mit seinem Kampfgeist und Ilgauskas dank seiner schieren Größe machen die Zone dicht.

So wiederum erzwingt Cleveland reihenweise Ballverluste, die James auf der anderen Seite in leichte Punkte ummünzt. "James ist unfassbar stark und athletisch", sagte Detroits Richard Hamilton zum Playoff-Auftakt.

"Aber vielen Leuten ist gar nicht klar, wie schnell er ist. Ich würde sagen, er ist der schnellste Spieler der Liga." Auch wenn das bei einem 2,03-Meter-Mann verwunderlich klingt: Wer James mal beim Fastbreak erlebt hat, der wird kaum noch Zweifel haben.

Mehr Selbstvertrauen, auch beim Trainer

Aus James' antiautoritärem Führungsstil und der Harmonie in der Mannschaft sind ein ungeheures Selbstvertrauen und eine Lockerheit entstanden, die mit zunehmendem Erfolg noch gesteigert wurden.

Beides hat sich inzwischen auch auf Coach Mike Brown übertragen: "Ich war als Co-Trainer früher für die Defense zuständig", erklärt der 38-Jährige. "Deshalb war ich in den letzten Jahren immer etwas unsicher, was unser Offensivspiel anging. Mittlerweile habe ich jedoch klare Vorstellungen, wie es vorne zu laufen hat."

Die Cavs setzen den Gameplan ihres Trainers konsequent um und beeindrucken durch große Effizienz. "Neuzugang Williams macht in diesem Jahr den Unterschied", schreibt dazu Jeff Schudel vom "News Herald" in Cleveland.

Clutch-Shooting dank Williams

Denn Williams gleicht vor allem die eine Schwäche aus, die James noch hat: Crunch-Time-Scoring von außen. Cleveland hat in den diesjährigen Playoffs noch kein Spiel mit weniger als zehn Punkten Vorsprung gewonnen, aber irgendwann wird es auch bei den Cavs nochmal eng zugehen.

Wenn James, auf den sich die gegnerische Defense in der Schlussphase fokussiert, dann weiß, dass er den Ball jederzeit an Williams weitergeben kann, dann ist das eine Qualität, die in der Liga auf diesem Niveau wohl nur noch Boston und Denver vorweisen können.

Cleveland wartet auf den Titel

Sollten LeBron und Co. die Championship gewinnen, wäre es nicht nur die erste Meisterschaft der Cavaliers. Es wäre der erste Titel für ein Sport-Team aus Cleveland seit 1964.

Damals besiegten die Browns die Baltimore Colts im NFL-World-Championship-Game. Auf einen Superbowl, den gibt es erst seit 1967, warten die Fans seitdem vergeblich. Genauso wie auf einen World-Series-Triumph der Indians oder wie eben auf eine NBA-Championship.

Wenn es aber ein Team gibt, das die Leidenszeit der Fans in Cleveland beenden kann, dann sind es diese Cavs. Die sind einfach verdammt stark. 

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