Ärger zwischen OK-Chef und Bach?

SID
Zwischen Thomas Bach und Dimitri Tschernischenko bahnt sich Ärger an
© getty

Zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee und dem Organisationskomitee der Winterspiele in Sotschi droht erstmals Ärger. Es geht um die Mündigkeit der Sportler - und um politische Themen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Die bislang so heile Welt zwischen den Organisatoren der Olympischen Spiele in Sotschi und dem IOC droht zu zerbrechen. Erstmals verließ OK-Chef Dimitri Tschernischenko den bisherigen Kuschelkurs und widersprach IOC-Präsident Thomas Bach öffentlich. Streitpunkt ist die Frage, ob sich die Athleten während der Spiele zu politischen Themen äußern dürfen - und wo.

Bach hatte bei einer Telefonkonferenz Anfang der Woche gesagt, die Athleten hätten "Meinungsfreiheit" und dürften bei Pressekonferenzen auch über politische Themen reden. Strafen drohten einzig, sollten sich die Sportler während der Wettbewerbe oder bei den Medaillenvergaben entsprechend äußern.

"Keine nicht-sportlichen Themen ansprechen"

Tschernischenko sieht das anders: "Meiner Meinung nach dürfen Athleten gemäß der IOC-Charta keine nicht-sportlichen Themen ansprechen." Sie könnten das in der eigens für solche Proteste eingeräumten Demonstrationszone tun, die der russische Präsident Wladimir Putin erst Anfang Januar per Dekret einrichten ließ. 18 Kilometer außerhalb des Zentrums von Sotschi werden hier unter strengen Auflagen und in bestimmten Zonen "freie" Protestaktionen ermöglicht.

Tschernischenko verwies in seiner Aussage auf Regel 50 der Charta, die besagt, dass "auf dem Olympia-Gelände, den Austragungsorten und den Sportstätten keine Art von Demonstration oder politischer, religiöser oder rassischer Propaganda" erlaubt ist.

Entsprechende Kontroversen könnten vor allem das russische Gesetz betreffen, das Propaganda homosexueller Menschen in Anwesenheit Minderjähriger unter Strafe stellt. Demnach könnten gar Gefängnisstrafen für jene drohen, die sich positiv über Homosexualität äußern.

Ernsthafter Streitpunkt?

Sollte Bach seine Aussagen nicht zurückziehen, könnte das Thema der erste ernsthafte Streitpunkt zwischen den Ausrichtern und den Schirmherren werden. Bislang hatte sich das IOC mit Kritik an den russischen Gastgebern zurückgehalten - obwohl es genug Ansätze gegeben hätte. Das gemeinsame Ziel, in jeder Hinsicht erfolgreiche Spiele zu feiern, überwog im Zweifelsfall andere Bedenken.

Denn für Bach und Putin steht viel auf dem Spiel. Der russische Präsident hat sich für Sotschi weit aus dem Fenster gelehnt und die erfolgreiche Ausrichtung zur Chefsache erklärt. Bach wiederum muss die politisch heiklen ersten Spiele seiner mindestens achtjährigen Amtszeit unbeschadet überstehen, um unbelastet und mit starker Hand seine ambitionierte Reformagenda 2020 vorantreiben zu können.

So verwies der Deutsche beim massiven Problem der Umweltverschmutzung mit illegalen Müllkippen, aus dem Boden gestampften Sportstätten und Luxus-Hotels sowie massiven Abholzungen für neue Verkehrs-Trassen stets nur darauf, dass für jeden gefällten Baum mehrere neue Bäume gepflanzt würden.

Olympische Charta soll Anwendung finden

Wurde Bach auf die Menschenrechtsdefizite in Russland angesprochen und gefragt, was das IOC dagegen zu tun gedenke, hatte er betont, Einmischung in interne russische Angelegenheiten stünden ihm und dem IOC nicht zu. "Die Verantwortung und der Anspruch des IOC sind es, dass die Olympische Charta Anwendung findet", meint Bach: "Ich habe das mit Präsident Putin besprochen, und er hat es zugesichert."

Noch am Montag hatte er sich zuversichtlich gezeigt, dass die anhaltende weltweite Kritik an den russischen Organisatoren abebben wird. "Es wird immer klarer, dass die Spiele für die Athleten und den Sport da sind", hatte der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim bei einer Telefon-Pressekonferenz gesagt. Das könnte sich jetzt schnell wieder ändern.