"Felix ist ein wilder Hund"

Von Interview: Christoph Köckeis
Österreichs Hoffnungsträger Marcel Hirscher eroberte im Team-Wettbewerb seine erste Goldene
© Getty

Die Ski-WM in Schladming will neue Maßstäbe setzen. In der ersten Woche fehlte es jedoch an Heldentaten der österreichischen Topstars. Die große Ski-Nation trauerte - bis zur Gold-Medaille im Teamwettbewerb. "Es tut gut, die Nummer eins zu sein. Vor allem ob der Kritik zuvor", posaunte Marcel Hirscher, der am Freitag Silber im Riesenslalom gewonnen hat. Mit guten Leistungen soll der 23-Jährige das Fest retten. Bei SPOX spricht der Gesamtweltcup-Sieger über Erwartungsdruck, Heldenvergleiche und Felix Neureuther.

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SPOX: Bei der Heim-Weltmeisterschaft werden Wunderdinge erwartet. Sie dominieren im Ski-Zirkus, greifen nach ihrer zweiten großen Kristallkugel. Für die Öffentlichkeit scheint nun Gold in Slalom und Riesentorlauf vorprogrammiert. Wie erleben Sie die Erwartungshaltung?

Marcel Hirscher: Sie ist sehr hoch, aber gerechtfertigt Mit jedem Erfolg in den letzten Wochen ist sie gestiegen, mittlerweile erwartet jeder eine Medaille. Bei der WM 2009 in Val-d'Isere und den Olympischen Spiele in Vancouver vor zwei Jahren verpasste ich das Podium knapp. Doch es sind, denke ich, nicht diese Wunderdinge, die begeistern - ich sehe das so: Ich liebe Racing und das tun die Leute eben auch.

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SPOX: Der Skisport ist in Österreich das Größte: Jeder identifiziert sich mit den ÖSV-Athleten. Nach Ihren Erfolgen vergangene Saison mehr denn je. Inwiefern beflügelt oder belastet das? Wie lernt man den Druck in positive Energie umzuwandeln?

Hirscher: Gegen Druck hilft Nase zuhalten - zum Druckausgleich (lacht). Die Aufmerksamkeit der Fans und der Medien ist positiv für den Rennsport. Und ein Gradmesser, ob wir im Weltcup-Zirkus alles richtig machen. Je mehr Menschen unsere Begeisterung dafür teilen, desto besser. Daheim zeigen zu dürfen, was man kann, erzeugt bei mir in erster Linie Freude. Es ist ein Privileg. Wobei sich zuletzt die Nervosität natürlich aufgebaut hat. Wissen Sie, das Wichtigste ist dabei: Einatmen und Ausatmen - klingt einfach und ist es auch.

SPOX: Ihre Beliebtheitswerte gehen in Österreich durch die Decke. Wie erleben Sie den unfassbaren Hype im Alltag?

Hirscher: Ich dachte nicht, dass das Interesse an meiner Person so heavy wird. Abseits der Piste merke ich davon weniger. Mein Privatleben hat sich nur unwesentlich verändert. Wenn ich in Wien zu Besuch bin, werde ich zwar um Autogramme gebeten, und lese danach Facebook-Kommentare. Aber die Freiheit, den nötigen Abstand zu gewinnen und sich zurückzuziehen, muss man sich nehmen.

SPOX: Erfolg beschert einem zahlreiche Schulterklopfer - und besonders Neider. Regelmäßig werden Ihre Leistungen angezweifelt, Stichwort Einfädler-Affäre. Wie gehen Sie mit diesem Gegenwind um?

Hirscher: Wenn man jahrelang für den sportlichen Erfolg arbeitet und dann hat man ihn endlich, ist das natürlich geil. Es ist eine Genugtuung und Wertschätzung. Nur: All die Medaillen, Kristallkugeln und Siege sind von kurzer Dauer. Der wahre Erfolg im Leben sind die Beziehungen zu den Menschen, die man gern hat: Freundin, Familie, Freunde. Wer wirklich erfolgreich ist, zeigt sich viel mehr in Zeiten, wo nicht alles so rund läuft...

SPOX: Manch Sportler droht abzuheben, Sie wirken bodenständig und locker wie in den ersten Zügen der Laufbahn. Welchen Anteil haben Familie und Freundin Laura, die häufig mit Ihnen reist, daran?

Hirscher: Die Familie ist ganz wichtig für mich. So etwas bleibt dir für immer. Ich bin echt happy, wenn Laura mich zu den Rennen begleitet. Sie gibt mir Rückhalt - so wie mein Dad. In all den Jahren wurde er zu einem guten Freund. Er hat mich immer unterstützt, war stets an meiner Seite.

SPOX: Ihr Vater Ferdinand bezeichnete sich selbst als "Unterstützer und Optimierer". Vom Nachwuchs bis in den A-Kader war er die Konstante. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?

Hirscher: Mit seinem Dad zu arbeiten, ist nicht immer leicht. Wir haben uns zusammengerauft. Er sieht eben Dinge, die kein anderer sieht und ist dadurch ein extrem wichtiger Baustein meiner Karriere. Wir gehen unseren Weg und sind damit erfolgreich. Er ist aber nicht nur in meinem Team, sondern auch mein Vater. Ohne ihn und meine Mum wäre ich nicht hier. Und zwar buchstäblich (lacht).

SPOX: Mit dem Gesamtweltcup-Triumph konnten Sie sich in einen elitären Kreis mit Hermann Maier, Karl Schranz, Stefan Eberharter oder Benjamin Raich hieven. Von Ersterem hing zu Jugendzeiten ein Poster im Zimmer, nun werden Sie ausgerechnet mit ihm verglichen.

Hirscher: Es ist eine sehr schöne Sache, in einem Atemzug mit solchen All-Stars genannt zu werden. Trotzdem kann man mich als 23-Jährigen nicht mit Hermann vergleichen. Er ist Österreichs größter Skisportler. Ich mache mein Ding. Manchmal kann ich es selbst kaum glauben, was ich bereits erreicht habe: Dann blicke ich zu Hause auf die große Kristallkugel und weiß, dass ich nicht nur geträumt habe.

SPOX: Maier traut Ihnen sogar zu, seine Bestmarken zu überflügeln. Die Schweizer Legende Bernhard Russi adelte Sie zum Jahrhundert-Talent. Was bedeutet ihnen dieser Zuspruch?

Hirscher: Ich freue mich darüber. Allerdings bin ich aktiver Rennfahrer. Ich schaue nicht zurück. Mich interessiert lediglich das nächste Rennen und wie ich es gewinnen kann. Damit mir das gelingt, sind wir ständig am Optimieren des gesamten Setups.

SPOX: Gemeinsam mit Doppel-Weltmeister Ted Ligety dominieren Sie die technischen Disziplinen. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Hirscher: Verrate ich nicht, sonst wäre es kein Geheimnis mehr. Fragen Sie doch Ted (lacht). Nein, die Entwicklung im modernen Rennsport schreitet rasch voran. Es gibt überhaupt keine Rutschphasen vor den Schwüngen, es wird voll auf Zug gefahren.

SPOX: Im Riesentorlauf zertrümmerte Ligety anfangs die Konkurrenz - Ihren Rückstand konnten Sie längst wettmachen. Wo haben Sie die fehlenden Sekunden gefunden?

Hirscher: Auf der Piste lagen sie herum. Wie immer waren es Kleinigkeiten, die mich letztlich wieder schneller machten. Ein Millimeter beim Ski-Schuh, eine kleine Veränderung am Kantentuning. Mein Atomic-Servicemann Edi Unterberger leistete in Kombination mit meinem Dad geniale Arbeit.

SPOX: Im Slalom ist ein Deutscher schärfster Widersacher: Felix Neureuther. Sie trainieren zusammen, profitieren voneinander und pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Was zeichnet ihn aus?

Hirscher: Felix ist ein lustiger Kerl und ein wilder Hund. Wir verstehen uns sehr gut, haben wirklich viel Spaß miteinander. Auf und neben der Piste. Es freut mich total für ihn, dass es läuft. Er arbeitet hart dafür, ist ein super Skifahrer und ein Racer wie ich. Deshalb werden wir uns einen harten Fight liefern.

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