Helden, Krieger und Köche

Von Marcus Giebel
Das Top-Trio der vergangenen Saison (v. l.): Gregor Schlierenzauer, Wolfgang Loitzl, Simon Ammann
© Getty
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Der Harley-Fan

Wolfgang Loitzl (29 Jahre, Österreich, Weltcup 08/09: Platz 3):

Fast zwölf Jahre musste Wolfgang Loitzl warten, ehe er nach kleineren Achtungserfolgen aus dem Schatten seiner Teamkollegen und Landsmänner trat. Im vergangenen Winter gewann der zweifache Familienvater überraschend mit drei Einzelsiegen die Vierschanzentournee. Einer der Gründe, weshalb Loitzl vor wenigen Tagen zu Österreichs Sportler des Jahres 2009 gewählt wurde. Seine Freizeit verbringt er höchst unterschiedlich: Mit der Familie vor dem Fernseher, bei verschiedenen sportlichen Aktivitäten oder auf seiner Harley-Davidson.

Das sagt Dieter Thoma: "Wolfgang hat immer an sich gearbeitet. Er galt lange Zeit einzig als Teamspringer. Seine Technik ist sehr stabil, er hat tolle Kraftwerte. Vielleicht hat ihm zuvor das Selbstvertrauen gefehlt. Gute Haltungsnoten sind ihm bei jedem Sprung sicher. Ein sehr ruhiger, sehr introvertierter und ausgeglichener Mensch."

Der Nationalheld

Adam Malysz (31 Jahre, Polen, Weltcup 08/09: Platz 13):

Adam Malysz weiß stets 38 Millionen Menschen hinter sich. Denn der frühere Dachdecker-Lehrling ist in Polen ein Volksheld. Seit er von einem Winter auf den anderen im Jahr 2000 vom Hinterherspringer zum Besten seiner Zunft aufstieg, ist Skispringen in seiner Heimat ein Volkssport. Er allein war das Ventil für die ungebrochene Euphorie. Mittlerweile hat der Vater einer Tochter viermal den Gesamtweltcup sowie 2000/2001 die Vierschanzentournee gewonnen. Sein letzter Sieg liegt schon knapp drei Jahre zurück, abschreiben sollte man den polnischen Adler aber nicht. Sein großes Vorbild ist Jens Weißflog, dem er an Statur - auch wegen des Oberlippenbartes - sehr ähnelt.

Das sagt Dieter Thoma: "Adam ist klein und leicht, hat sehr gute aerodynamische Fähigkeiten mit tollen Absprungwerten. Ideal für einen Skispringer. In Polen ist Adam bekannter und beliebter als damals Papst Johannes Paul II. Das bringt eine Drucksituation mit sich. Für viele Menschen angenehm zurückhaltend. Mit zunehmenden Deutschkenntnissen aber dennoch aufgeschlossen. Er kann sich aber auch gut zurückziehen, um sich seine Ruhe zu holen."

Der Dopingsünder

Dimitri Wassiljew (29 Jahre, Russland, Weltcup 08/09: Platz 5):

2001 schrieb Dimitri Wassiljew eines der dunkelsten Kapitel der Skisprung-Geschichte. Damals wurde er als Dopingsünder entlarvt und für zwei Jahre gesperrt. Spuren des Diuretikums Furosemid wurden in seinem Körper gefunden. Was der Russe mit dem Harn treibenden Mittel bezwecken wollte? Eine Gewichtsreduzierung. Stattdessen musste Wassiljew eine unfreiwillige Auszeit nehmen. Die Wettkampf-Pause scheint ihm aber gut bekommen zu sein: In den vergangenen Jahren sprang er immer wieder in die Spitzengruppe vor. Auf seinen ersten Sieg im Weltcup muss Wassiljew, der in seiner Freizeit viel liest und ein großer Auto-Fan ist, allerdings noch warten.

Das sagt Dieter Thoma: "Dimitri hat einen extrem geilen Absprung. Allerdings ist es  außerhalb der Saison für den russischen Sportler nicht so einfach, konstant auf einem Niveau zu leben und zu trainieren. In der Heimat sind die Trainingsumstände nicht immer positiv. Sein Teamkollege Denis Kornilov hat deutlich aufgeholt und wird ihm die Nr. 1 im Team streitig machen. Mit beiden habe ich nicht so viel Kontakt, was vor allem an der sprachlichen Barriere liegt."

Der Ruhepol

Martin Schmitt (31 Jahre, Deutschland, Weltcup 08/09: Platz 6):

Eines muss man Martin Schmitt lassen: Trotz vieler Jahre ohne Erfolge hat der zweifache Gesamtweltcupsieger die Motivation in seinem Sport nicht verloren, greift in jedem Winter wieder neu an. Geholfen hat ihm bei seiner Geduld sicher sein Motto. Dieses lautet: In der Ruhe liegt die Kraft. Der Lohn war ein großer Schritt in die richtige Richtung in der vergangenen Saison. Nach ganz vorne ist es dennoch ein sehr weiter Weg für Deutschlands Sportler des Jahres 1999. Aber Schmitt, der Golf und Skifahren zu seinen Hobbys zählt, könnte wieder zum deutschen Vorspringer werden. Und möglicherweise eine neue Erfolgsstory der Adler einläuten.

Das sagt Dieter Thoma: "Martin hatte einen unausgeglichenen Sommer. Den Sprung aus dem letzten Winter hat er noch nicht verfolgen können. Ich habe Hochachtung vor ihm als Mensch und als Sportler. Er ist auch in den guten Zeiten nicht abgehoben. Er ist introvertiert, kann aber explodieren. Martin ist ein sehr akribischer Arbeiter, kann jede Korrektur sofort umsetzen und hat meistens sehr viel Geduld."

Allzeithero und andere Geheimfavoriten

Im Blickfeld von Dieter Thoma: "Weitere Favoriten sind natürlich Allzeithero Janne Ahonen, Robert Kranjec und die Norweger als Team mit Jacobsen, Evensen, Romoeren sowie die starken Japaner des Sommer Grand Prix (Daiki Ito, Noriaki Kasai, Anm. d. Red.)."

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