"Die hübschen Mädels kommen hinten"

Von Interview: Florian Regelmann
Andreas Strodl erreichte mit einem 24. Platz in Kitzbühel sein bislang bestes Weltcup-Ergebnis
© Getty

Andreas Strodl ist der einzige Fahrer, der im Speed-Bereich der alpinen Herren Hoffnung macht. Im SPOX-Interview spricht der 22-Jährige über die Herren-Krise, weibliche Vorbilder und den verkannten Bode Miller. Und er verrät, wie es ist, wenn man voll mitblasen will.

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SPOX: Herr Strodl, die alpinen Herren haben vor allem in den Speed-Disziplinen schon seit langem nicht mehr für positive Schlagzeilen gesorgt. Dem Team haftet ein Loser-Image an. Wie empfinden Sie die Situation?

Andreas Strodl: Positiv ist es auf jeden Fall nicht, wie wir dargestellt werden. Es gibt zugegebenermaßen aber auch nichts Positives zu berichten, weil wir eben einfach nicht gut sind. Dennoch sollte man das ganze Paket sehen. Wir sind eine ganz kleine Mannschaft, es ist sehr schwierig, einen Athleten ganz nach vorne zu bringen. Andere Nationen haben zehn Leute, wir haben vier - und wenn von denen dann auch noch zwei verletzt sind, wird es eng. Wohingegen in Österreich einfach der Nächste nachrückt. Das gibt es bei uns nicht. In Deutschland sind einige Jahrgänge verloren gegangen, aber ich denke schon, dass wir manchmal schlechter gemacht werden als wir sind.

SPOX: Wirklich? Aber die Zahlen lügen nicht. Wenn im Ziel Plätze um die 50 auf der Anzeigetafel aufleuchten, kann das keinen Spaß machen.

Strodl: Natürlich ist es frustrierend, wenn Platz 45 aufblinkt. Wobei man meistens schon während der Fahrt merkt, dass es nichts war. Richtig frustrierend ist es, wenn man denkt, man sei gut gefahren und dann blinkt die 45 auf, das ist bitter. Aber auch das muss ich wegstecken können. Wenn ich das nicht kann, kann ich gleich aufhören.

SPOX: Die letzte deutsche WM-Medaille in der Abfahrt gewann Florian Eckert im Jahr 2001. Seitdem passierte nichts. Haben Sie eine Erklärung für die Misere?

Strodl: Es ist schwer zu erklären. Es ist offensichtlich, dass es ein Loch gibt und uns zwei oder drei Jahrgänge fehlen. Das ist dann nicht zu überbrücken. Warum das aber genau so ist, weiß ich auch nicht.

SPOX: Es muss ja etwas mit der Förderung zu tun haben. Irgendetwas muss man falsch gemacht haben. Wie wurden Sie denn gefördert?

Strodl: Ich muss ganz klar sagen, dass ich, seitdem ich im DSV bin, immer hervorragend gefördert wurde. Ich gehöre zum ersten Jahrgang, der von unten heraus gefördert worden ist. Gerade im Hinblick auf die Heim-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen wird auf uns gesetzt. Es hat meiner Meinung nach einen Umschwung gegeben, und jetzt dauert es eben noch eine Zeit, bis es sich auch in guten Resultaten niederschlägt.

SPOX: Wie lange dauert es noch, bis Sie in die Top 10 rein fahren können?

Strodl: Wenn ich als Beispiel das Rennen in Kitzbühel aus der letzten Saison nehme, als ich 24. geworden bin. Wenn ich da nur eine halbe Sekunde schneller gewesen wäre, wäre ich auf Rang zehn gewesen. Und eine halbe Sekunde ist immer drin. Man braucht aber auch ein bisschen Glück dazu, warum sollten wir das nicht auch mal haben?

SPOX: Heißt, Sie trauen sich zu, ganz vorne anzugreifen in der Zukunft?

Strodl: Auf jeden Fall traue ich mir das zu. Ich bin so ziemlich der Jüngste im Weltcup und fest davon überzeugt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich weiß, dass ich schnell Ski fahren kann. Aber gerade in den Speed-Disziplinen spielt die Erfahrung eine unglaublich große Rolle, die fehlt mir einfach noch. In der letzten Saison war jede Strecke neu für mich. Da kannst du natürlich nicht gleich das letzte Hemd riskieren. Jetzt kenne ich die Strecken, das ist ein großer Vorteil.

SPOX: Sie haben die Erfahrung angesprochen. Wo liegt genau der Vorteil der alten Hasen wie bei einem Didier Cuche?

Strodl: Ein Cuche kennt jede Abfahrt der Welt in- und auswendig. Der braucht eigentlich gar keine Trainingsfahrten mehr, er weiß genau, wie er die einzelnen Passagen fahren muss, wie viel er riskieren kann. Bei mir war es im letzten Jahr oft das Problem, dass ich schnell unterwegs war und gedacht habe, dass ich voll mitblasen kann. Dann habe ich an Stellen, die ich nicht gut kannte, viel zu viel riskiert, und schon fliegst du ab.

SPOX: Stürze sind im Skisport immer ein Thema. Daniel Albrecht hatte auf der Streif einen ganz furchtbaren Sturz. Was geht einem durch den Kopf, wenn man so etwas sieht?

Strodl: Ich muss dazu sagen, dass ich in Kitzbühel am Schlusssprung an der genau gleichen Stelle wie Albrecht abgeflogen bin, ich hatte nur Glück, das ich nicht so gerade aufgekommen bin. Wenn du siehst, wie es jemanden so schmeißt, ist es schon heftig. Dani Albrecht ist ein unglaublich guter Skifahrer, aber das kann jedem passieren. Es geht alles so schnell. Es war ein brutal schlimmer Sturz - Angst darf ich aber trotzdem nicht haben. Respekt ja, aber keine Angst.

SPOX: Die Gefahr ist die eine Sache, der Adrenalin-Kick die andere. Wie können Sie das beschreiben, was Sie auf einer Abfahrt erleben?

Strodl: Das ist schon wie ein Rausch. Das Gefühl, immer am Limit zu sein, die Geschwindigkeit, die Überwindung, das ist der Wahnsinn. Wenn du dann noch schnell bist und ein gutes Ergebnis herauskommt, gibt es eigentlich nichts Schöneres.

SPOX: Aber es gab mit Sicherheit auch schwierige Phasen auf dem Weg zum Profi.

Strodl: Ja. Gerade die Zeit, als ich mit 14 Jahren den Übergang von Kinderrennen zur Jugend gemacht habe, war hart. Plötzlich sind nicht mehr 40 Leute am Start, sondern 150 - und du hast die letzte Startnummer. Da fragst du dich schon, ob du das Richtige tust.

SPOX: Wer waren Ihre großen Vorbilder? Ein Hermann Maier hat jetzt seine Karriere beendet.

Strodl: Hermann Maier ist, denke ich, für jeden ein Vorbild. Es gab und gibt viele tolle Skifahrer, aber wenn ich mich für den besten aller Zeiten entscheiden sollte, würde ich wohl Maier nehmen. Wie er immer wieder zurückgekommen ist nach all den Rückschlägen, ist bewundernswert. Ich habe ihn auch bei ein paar Rennen getroffen und mir angeschaut, was er so macht. Ich habe festgestellt, dass es noch nie so einen Mann gegeben haben kann, der so auf den Sport fixiert war wie Hermann Maier. Er wird dem Skisport sehr fehlen.

SPOX: Hermann Maier ist leider nicht mehr dabei, aber immerhin bleibt Bode Miller dem Ski -Zirkus erhalten. Wie ist Ihre Meinung zum charismatischsten Mann der Szene?

Strodl: Bode ist ein cooler Typ. Ich glaube, dass er in den Medien manchmal falsch rüberkommt. Dass er vor einem Rennen trinkt? Wahrscheinlich hat er das ja echt mal gemacht, aber das ist mit Sicherheit nicht die Regel. Sonst könnte er nicht so Ski fahren. Auch ein Bode Miller lebt total für den Sport, gibt alles und haut sich rein.

SPOX: Ist der Fahrstil von Bode Miller ein Fahrstil, der auch für Sie etwas wäre?

Strodl: (lacht) Nicht unbedingt. Das ist selbst mir zu gnadenlos. Der fährt ja, wie er will, und schaut einfach nur, dass der Ski irgendwie marschiert. Ein Normalsterblicher kann nicht so wie Bode Miller fahren. Dafür muss man ein ganz besonderes Talent haben. Wenn man seine Rennen analysiert, denkt man oft, dass es unfassbar ist, dass er den Schwung überhaupt noch fertig bringt.

SPOX: Aber Sie mögen es doch auch aggressiv.

Strodl: Das stimmt. Ich würde mich schon als wilden Hund bezeichnen. Das zeichnet sich durch viele Stürze aus, aber auch dadurch, dass ich viele Passagen auch recht gnadenlos fahre. Das macht mich schnell.

SPOX: Sind Sie auch abseits der Strecke ein wilder Hund?

Strodl: Nein, eigentlich nicht. Ich mache auch mal gern Party, wenn ich meinen ersten Weltcup gewinne, wird es eine große Party geben, aber ich weiß auch sehr gut, was ich zu tun habe, um Erfolg zu haben. Du kannst es dir als Skiläufer nicht erlauben, auf die Piste zu gehen. Du musst immer sehr konzentriert sein, sonst kann es böse in die Hose gehen.

SPOX: Ein Auge für die netten Mädels im Weltcup werden Sie also auch kaum haben können. Trotzdem die Frage: Wer ist denn die schönste Frau bei den Damen?

Strodl: Die Lara Gut ist ein echt nettes und hübsches Mädel, aber ehrlich gesagt sind die richtig hübschen Damen nicht ganz vorne dabei, die kommen hinten (lacht).

SPOX: Die kommen also, wenn das Fernsehen nicht mehr drauf ist.

Strodl: Genau. Das geht auch gar nicht anders. Der Sport ist für die Damen schon der Wahnsinn. Ohne Kraft geht es nicht. Kompliment an Maria Riesch oder Lindsey Vonn, die sehen dennoch super aus.

SPOX: Können Sie sich von den Top-Fahrerinnen wie Vonn und Riesch eigentlich etwas abschauen?

Strodl: Nein, nichts gegen die Mädels, aber das ist einfach etwas komplett anderes. Frauen können naturgemäß nicht so Skifahren wie wir Männer, das wäre ja auch traurig. Da sollte ich mir als Mann nichts abschauen.

Felix Neureuther im SPOX-Interview