Thoma: "Das Grundübel beseitigt"

Von Johannes Rupprechter
Bundestrainer Werner Schuster (M.) mit seinen Schützlingen Martin Schmitt (r.) und Michael Neumayer
© Imago

Er ist Olympiasieger, Weltmeister und Vierschanzentournee-Sieger. Bei SPOX spricht Dieter Thoma über den wiedererstarkten Martin Schmitt, dessen Trainer und seine Philosophie und wer von den Jungen im Höhenflug ist. Zudem ist der 39-Jährige von Tournee-Sieger Wolfgang Loitzl schwer begeistert.

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SPOX: Wir erleben gerade die Renaissance des deutschen Skispringens. Martin Schmitt ist nach Jahren der Tristesse wieder an die Weltspitze zurückgekehrt. Mal ehrlich, haben Sie das jemals für möglich gehalten?

Thoma: Ich habe es immer gehofft, weil mir Martin persönlich immer sehr am Herzen lag. Daran zu glauben, war jedoch schwierig. Schließlich war er in den letzten Jahren weit weg von der Spitze. Dass er jetzt so zurückgekommen ist, finde ich phänomenal.

SPOX: Demnach war der Leistungssprung nicht abzusehen?

Thoma: Natürlich ging es bereits in der Vorsaison leicht bergauf. Doch der richtige Knackpunkt erfolgte erst durch die Verpflichtung von Werner Schuster als Trainer. Unter ihm ist er in die absolute Weltspitze zurückgekehrt. Er ist noch in diesem Winter reif für einen Sieg.

SPOX: Der Bundestrainer scheint überhaupt exzellente Arbeit zu leisten. In Bischofshofen standen am Ende gleich vier DSV-Adler unter den Top 15 und drei unter den Top 10.

Thoma: Ja, unglaublich. Das ist fast schon erschreckend gut. Ich weiß nicht, wann es das zuletzt gab. Dabei hat Schuster mit dem Team lediglich einen Sommer zusammengearbeitet. Die Fortschritte, die die Mannschaft unter ihm und seinen Assistenten Rolf Schily und Christian Winkler macht, sind einfach gigantisch. Das macht im Moment einen Riesenspaß.

SPOX: Auffällig ist vor allem Schusters positive Gestik und Mimik - ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Peter Rohwein, der immer etwas miesepetrig wirkte. Inwiefern beeinflusst das die Athleten?

Thoma: Schuster kann die Springer mit seinem Enthusiasmus mitreißen, das wirkt sich natürlich auf die Leistung aus. Er ist ein sehr positiver Mensch und spielt das nicht nur vor der Kamera. Er versteht es auch, durch neue Ideen und Impulse die Jungs immer wieder zu überraschen. Wenn ein Trainer eine negative Ausstrahlung hätte, würde das die Springer natürlich auch beeinflussen. Aber dazu möchte ich jetzt nichts sagen.

SPOX: War Schusters größte Herausforderung die mentale Arbeit?

Thoma: In erster Linie musste er Überzeugungsarbeit leisten, dass er den richtigen Weg einschlägt. Damit verbunden sind auch neue technische Aspekte. Beides impft er den Sportlern perfekt ein. Es ist wie bei einem Schnupfen.

SPOX: Bei einem Schnupfen?

Thoma (lacht): Ja, das Ergebnis ist immer das, was rauskommt. Aber das Grundübel ist ein Virus. Ein guter Trainer erkennt nicht nur das Ergebnis, sondern bekämpft das Virus, damit es erst gar nicht zum Schnupfen kommt. So kann man es im übertragenen Sinn erklären. Und Schuster setzt das perfekt um.

SPOX: Im Schatten von Martin Schmitt finden auch Michael Neumayer und Michael Uhrmann zu alter Stärke zurück. Wie beurteilen Sie deren Entwicklungen?

Thoma: Bei Neumayer war ich sehr überrascht, dass er sich nach seinem schlechten Abschneiden in Garmisch, bei den Springen in Österreich so eindrucksvoll zurückmeldete. Er präsentiert sich jetzt auch technisch wesentlich stärker. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann er zuletzt so hohe Noten erhalten hat. Wenn er daran weiter hart arbeitet, traue ich ihm künftig Podestplätze zu. Bei Uhrmann versucht das Trainerteam derzeit eine technische Umstellung, dass er künftig nicht mehr um einen fünften oder sechsten Platz kämpft, sondern ganz vorne mitmischen kann. Deswegen springt er im Moment mal besser und mal schlechter. Ich hoffe, dass das Konzept aufgeht.

SPOX: Mit einem konstanten Hocke als viertem Mann ist bei der WM in Liberec, vor allem im Mannschaftsbewerb, dann einiges möglich, oder?

Thoma: Stellen Sie sich vor, Georg Späth, der der Stärkste im Sommer war, wäre auch noch dabei. Dann hätten wir fünf Leute, die unter den besten 15 landen können. Gott sei Dank haben wir jetzt mit Stefan Hocke genau denjenigen dazubekommen, den wir als vierten Mann für das Teamspringen brauchen. Er verstärkt die Mannschaft ungemein und ist ein Bindeglied zwischen Jung und Alt. Das Team wird in Liberec um eine Medaille mit springen.

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Schuster: Wie schaut es denn mit dem Nachwuchs aus. Mit dem Österreicher Gregor Schlierenzauer hat Schuster bereits einen Superstar entscheidend geformt. Kann sich das in Deutschland wiederholen?

Thoma: Ich glaube, dass viele junge Sportler jetzt neue Motivation geschöpft haben und sagen: 'Zu diesem Schuster will ich auch.' Aber man muss ihm natürlich Zeit geben. Bei Felix Schoft sehe ich schon einmal großes Potenzial. Wir haben nur in Deutschland das Phänomen, dass wir schnell einen Hype um junge Talente veranstalten. Dies hat auch schon einigen geschadet.

SPOX: Wenn man den Sportlern genügend Zeit lässt, sich zu entwickeln, dann können Sie auch noch mit knapp 30 zum Siegspringer werden. Siehe Wolfgang Loitzl. Was sagen Sie zum frisch gebackenen Tournee-Sieger?

Thoma: Seine Vorstellung bei der Tournee war absolut phänomenal. Er war ja immer schon ein guter Springer, aber man hatte stets das Gefühl, er ist als Platzspringer zufrieden. Aber was er in Bischofshofen abgezogen hat, macht mich sprachlos. Selbst im Finaldurchgang, als ihm ein mittelmäßiger Sprung zum Gesamtsieg gereicht hätte, hat er voll durchgezogen und wäre beinahe noch Schanzenrekord gesprungen. Das war allererste Sahne. Wäre er in Oberstdorf nicht ganz knapp am Sieg vorbeigesegelt, hätte er es Sven Hannawald nachgemacht und den Grand-Slam geknackt.

Der Tournee-Endstand