Angerer: "Karlotta setzt neue Kräfte bei mir frei"

Von Interview: Carolin Blüchel
Tobias Angerer gewann in den Jahren 2006 und 2007 jeweils den Gesamtweltcup
© Getty

Nach zwei sensationellen Jahren als Gesamtweltcup-Sieger hat Langlauf-Ass Tobias Angerer in der letzten Saison ein sportliches Tal durchschritten. Dass er aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, will der 31-Jährige unter Beweis stellen. Motivation zieht Angerer vor allem aus der Geburt seiner Tochter Karlotta.

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Zwei Jahre lang war Tobias Angerer im Langlauf das Maß der Dinge, im letzten Jahr musste sich der Strahlemann jedoch häufig mit hinteren Platzierungen zufrieden geben. Zu viel Training hatte dem Gesamtweltcup-Sieger der Jahre 2006 und 2007 die nötige Kraft für die Wettkämpfe geraubt.

Bei SPOX spricht Angerer über Fehler der Vergangenheit, Positionskämpfe im deutschen Herrenteam und verrät, dass ihm sein neues Familienglück Flügel verleiht.

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SPOX: Nach zwei Gesamtweltcup-Siegen ging die letzte Saison ziemlich in die Hose. Wird der kommende Winter wieder erfolgreicher?

Tobias Angerer: Ich hoffe auf jeden Fall, dass es mehr Schnee gibt.

SPOX: Ich meinte eigentlich eher bezüglich Ihrer Leistung.

Angerer (lacht): Ich weiß doch. Spaß beiseite. Natürlich hoffe ich, dass ich wieder erfolgreicher sein werde. Im Sport ist es wie im normalen Leben, es gibt immer mal eine Berg- und Talfahrt. Und ich habe viel aus der vergangenen Saison gelernt.

SPOX: Was genau?

Angerer: Ich weiß jetzt, dass man es mit dem Training nicht übertreiben darf. Das habe ich letztes Jahr getan. Wenn man zu viel trainiert, sind Körper und Geist nicht frisch. Und gleich landet man ein paar Plätze weiter hinten. Denn die Weltspitze ist sehr eng zusammen.

SPOX: War das letzte Jahr sportlich gesehen ein verlorenes?

Angerer: Nein, ich habe immer alles gegeben und bin auch irgendwie stolz, dass ich mich durch diese schwierige Situation durchgekämpft habe.

SPOX: Was haben Sie im Sommer nun verändert?

Angerer: Ich habe mir mehr Erholungsphasen gegönnt, um das Verhältnis Belastung - Erholung ausgeglichen zu gestalten. Außerdem habe ich diesmal sehr viel zu Hause in Ruhpolding trainiert. Ich bin ein Heimatmensch. Und wenn man den ganzen Winter unterwegs ist, versucht man natürlich, möglichst viel Zeit zu Hause verbringen.

SPOX: Heißt das, Sie haben sich von Ihrer Thüringer Trainingsgruppe um Axel Teichmann und Jens Filbrich abgekapselt?

Angerer: Nein, nicht wirklich. Ich trainiere nach wie vor nach den Plänen des Oberhofer Stützpunkt-Trainers Cuno Schreyl, aber eben verstärkt in Ruhpolding. Bei Lehrgängen schließe ich mich der Thüringer Gruppe selbstverständlich wieder an.

SPOX: Ihre Entscheidung, vermehrt zu Hause zu trainieren, hängt bestimmt auch mit der Geburt Ihrer Tochter Karlotta zusammen.

Angerer: Ja, Vater zu sein ist ein tolles Gefühl. Ich bin unendlich stolz. Dinge, die ich früher als wichtig erachtet habe, sind plötzlich total unwichtig geworden. Da verbringe ich lieber Zeit mit meinem Nachwuchs.

SPOX: Sie schwärmen ja richtig. Fällt es Ihnen nicht schwer, sich überhaupt von der Familie loszureißen und sich auf Ihren Sport zu konzentrieren?

Angerer: Natürlich ist es schade, von der Familie getrennt zu sein, aber es beflügelt auch. Ich kann im Training plötzlich viel mehr Kräfte freisetzen, das freut mich. Und außerdem weiß ich, dass jemand auf mich wartet, wenn ich nach Hause komme. Dann ist die Familie wichtiger als der Sport.

SPOX: Sie können ungeahnte Kräfte freisetzen - ist das eine Kampfsage an Lukas Bauer, den Gesamtweltcup-Sieger des letzten Jahres?

Angerer: Wir werden bestimmt ein paar spannende Duelle erleben.

SPOX: Lukas Bauer hält Sie zumindest schon einmal für seinen härtesten Konkurrenten im Kampf um den Gesamtweltcup.

Angerer: Das freut mich natürlich. Es ist für mich auch eine Motivation, wieder so schnell zu laufen wie in den zwei Jahren zuvor. Ich gebe das Kompliment aber auch gerne zurück. Lukas hatte eine überragende Saison. Es lief einfach bei ihm. Und er wird auch dieses Jahr wieder einer der schärfsten Konkurrenten für unsere Mannschaft sein.

SPOX: Wie sieht es mit der Konkurrenzsituation innerhalb der deutschen Mannschaft aus?

Angerer: Wir haben ein sehr, sehr starkes Herrenteam. Natürlich gibt es da Positionskämpfe, jeder will der Beste sein. Aber das ist auch genau unser Vorteil. Wir stacheln uns gegenseitig immer wieder an. Trotz aller Rivalität verstehen wir uns aber sehr gut. Das ist auch notwendig, um erfolgreich zu sein.

SPOX: In den letzten Jahren hat das deutsche Team immer mal wieder ein Rennen zwischendurch ausgelassen. Wird das auch diese Saison so sein, oder wollen Sie voll durchpowern?

Angerer: Ich werde auf jeden Fall einmal nach Vancouver gehen. Denn mein großes Ziel sind meine letzten Olympischen Spiele 2010. Darauf arbeite ich hin. Ich möchte die Strecken dort schon einmal kennenlernen, um zu sehen, was auf mich zukommen wird. Danach werde ich noch mal ins Trainingslager gehen, um die Form für die Weltmeisterschaft neu aufzubauen.

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