Pechstein schwächelt weiter bei Mehrkampf-WM

SID

Berlin - Pechstein demontiert, Anschütz frustriert, die Trainer konsterniert: Die deutschen Eisschnellläuferinnen haben ausgerechnet beim Heimspiel in Berlin den bittersten Einbruch in der Geschichte von Mehrkampf-Weltmeisterschaften erlebt.

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Erstmals seit 1980 gewann keine deutsche Läuferin eine Medaille. Und noch schlimmer: Weder Daniela Anschütz-Thoms noch Claudia Pechstein kamen auch nur annähernd in die Nähe des Siegerpodestes und mussten mit den Rängen sechs und sieben vorlieb nehmen.

Der Titel ging überraschend an die 27-jährige Paulien van Deutekom aus Gouda, während Titelverteidigerin Ireen Wüst (Niederlande) diesmal mit Platz zwei hinter ihrer Landsfrau zufrieden sein musste.

Pechstein ratlos 

Nach dem schmerzlichen Absturz überwogen Ratlosigkeit und Achselzucken im deutschen Lager. "Ich kann es nicht erklären. Vielleicht haben die Kufen nicht zum Eis gepasst", meinte Claudia Pechstein nach ihren 16. Titelkämpfen, bei denen sie statt der erhofften zwölften Medaille die schlechteste Platzierung seit 13 Jahren in Kauf nehmen musste.

Vor allem die 3000 Meter glichen einer Demontage der großen Läuferin, die 2001 als erste Frau der Welt unter 4:00 Minuten gelaufen war. In Berlin lief sie wie mit Blei in den Beinen und war fast 13 Sekunden von dieser Leistung entfernt.

Am zweiten Wettkampftag kämpfte sie verzweifelt: Mehr als ein sechster Platz auf ihrer Paradestrecke über 5000 Meter sprang aber nicht heraus, während die erst 20-jährige Martina Sablikova aus Tschechien in 6:59,26 Minuten einen tollen Bahnrekord aufstellte.

"Das war katastrophal" 

"Das Modell mit dem Training in Norwegen kann nicht als gelungen bezeichnet werden", befürchtet Verbands-Präsident Gerd Heinze. "Mir tut es sehr weh, weil sich so viele Leute hier um eine hervorragende WM bemüht haben und die Leistungen nun so enttäuschend waren. Alles lief gut im Vorfeld, es gab keinerlei Krach. Vielleicht hat gerade der gefehlt", fügte er sarkastisch hinzu.

Es scheint, dass die beiden "alten Damen" ihren Zenit überschritten haben und nur noch schwerlich an einstige Höhenflüge anknüpfen können.

Damen-Bundestrainer Markus Eicher nahm daher kein Blatt vor den Mund: "Das war katastrophal. Die Resultate waren unerklärlich schlecht", meinte er und glaubt, dass Claudia Pechstein das "ganze Theater um Achim Franke" im WM-Vorfeld nicht gut getan habe.

Schwärzester Tag der Karriere 

Das Comeback ihres einstigen Erfolgstrainers Franke konnte den schwärzesten Tag in der Karriere der fünfmaligen Olympiasiegerin nicht verhindern.

"Ich hoffe nur, dass es für die Einzelstrecken-WM in Nagano nicht einen Knacks gibt", sagte Eicher. Dort könnte Anfang März die Karriere der dann 36 Jahre alten Pechstein zu Ende gehen. Vor der Saison hatte sie ihren Rücktritt für den Fall angekündigt, dass sie in diesem Winter keine WM-Medaille gewinnt.

Ein wenig versöhnt nach dem schwachen ersten Tag war Daniela Anschütz-Thoms. "Es ging doch ein wenig besser", meinte sie, nachdem sie tags zuvor nur den Kopf schütteln konnte und geschimpft hatte: "Es ist alles schon sehr frustrierend."

Mattscherodt zufriedenstellend 

Als einzige Deutsche brachte die Berlinerin Katrin Mattscherodt bei ihrer WM-Premiere vor 3500 Zuschauern in der ausverkauften Halle eine durchweg ansprechende Leistung und wurde am Ende mit Platz zehn belohnt.

Bei den Herren steuerte Sven Kramer mit Riesenschritten seinem zweiten Mehrkampf-Titel entgegen. Unter dem Jubel von fast 2000 Landsleuten ging der Weltrekordler mit dem Riesenvorsprung von 10,14 Sekunden vor dem zweimaligen Titelträger Shani Davis (USA) auf die abschließenden 10.000 Meter.

Tobias Schneider (Berlin/12.) und Robert Lehmann (Erfurt/16.) waren beim Finale nur noch Zuschauer.