"Ihr seid's nicht zu beneiden!"

Von Richard Rother
freund, severin
© Getty

München - Die Vierschanzentournee hat alle versöhnt. Der finnische Eisblock Janne Ahonen ist aufgetaut und hat nach dem fünften Sieg Freude am Lachen gefunden. Die Österreicher sind auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden und ziehen trotzdem positive Schlüsse. Michael Neumayer kletterte aus dem Nichts aufs Treppchen und konnte sein Glück selbst kaum fassen.

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Was für ein Paukenschlag nach der öffentlichen Schelte für Peter Rohwein im Vorfeld der Tournee. Nachwuchstrainer und Rohwein-Kritiker Heinz Kuttin klatschte medienwirksam mit dem Bundestrainer ab und die leidige Diskussion um den Nachwuchs schien mit einem Mal wie weggeblasen.

Ohne das Haar in der Suppe suchen zu wollen: Geblasen und geregnet hat es im finalen Springen der Tournee aufs Heftigste und der dritte Gesamtrang von Neumayer war ein Geschenk des Himmels, ebenso der vierte Platz in der Tageswertung von Martin Schmitt.

Wenig ermutigende Bilanz

Die vier Einzelspringen betrachtet, sind die Probleme des deutschen Skispringens alles andere als vom Tisch. Darüber kann auch die fraglos sehr gute und konstante Leistung von Neumayer - er wäre auch ohne die Wetterkapriolen beim letzten Springen wahrscheinlich Tournee-Fünfter geworden - nicht hinwegtäuschen. In Oberstdorf qualifizierten sich aus der Nachwuchsriege nur Severin Freund (30.) und Julian Musiol (49.), in Garmisch Felix Schoft (48.).

Beim dritten Springen schaffte kein Nachwuchsathlet den Sprung unter die besten 50. Freund sorgte beim abschließenden, fast irregulären Springen, mit einem 20. Platz für eine passable Leistung. Schoft wurde 44.

Sechs österreichische Trainer beim DSV 

Letztlich haben es also doch die "Alten" rausgerissen. Für Kuttin und die anderen Stützpunkttrainer gab es erneut kaum einen Grund, sich für die Leistungen ihrer jungen Athleten gegenseitig auf die Schultern zu klopfen.

Vor allem dann nicht, wenn sie gesehen haben, wie gut die junge Garde der Österreicher, angeführt von den Top-Youngstern Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer, abgeschnitten hat. Dabei arbeiten eine ganze Reihe österreichischer Trainer für den DSV, die das Erfolgsrezept des ÖSV kennen und in Deutschland durchsetzen wollen. Neben Kuttin repräsentieren Stefan Horngacher, Falko Krismayr, Andreas Mitter, Bernhard Metzler und Florian Eichinger die Kompetenz aus dem Nachbarland.

Loitzl kritisiert Nachwuchsarbeit

Warum klappt es also nicht auch in Deutschland mit dem Nachwuchs? "In Österreich sitzen uns immer die Jungen im Nacken, die den Druck im eigenen Team vergrößern. Vielleicht war das ein Versäumnis bei den Deutschen. Es schien, als hätten sich alle auf Schmitt und Hannawald konzentriert und danach kam nicht mehr viel", sagte Österreichs zweitältester Skispringer im A-Kader, Wolfgang Loitzl (27), SPOX.com.

Diese einseitige Fokussierung auf die Arrivierten hält Loitzl für falsch: "Die Jungen müssen Erfahrung sammeln. Man muss dem Nachwuchs die Chance geben, auch auf die Gefahr hin, dass sie versagen. Bei den Deutschen können die Nachwuchsspringer nicht wirklich Druck auf die Oldies ausüben, so dass diese gezwungen sind, einen Gang zuzulegen. Das ist das Gute bei uns und das Manko bei den Deutschen."

Rohwein klammert sich an alte Zugpferde

Seit anderthalb Jahren gibt es in Deutschland das Stützpunktsystem, das den Österreichern zu diesem Erfolg verholfen hat. "Die Verzahnung zwischen Bundestrainer und den Trainern der Regionen und Ehrenamtlichen funktioniert ganz hervorragend", schwärmte der Nordische Direktor des ÖSV,  Toni Innauer, von der Situation in Österreich.

In Deutschland klammert sich der angezählte Rohwein dagegen mit der Begründung, es gäbe keine Talente, an seine Zugpferde. Die hielten ihm bei der Tournee den Rücken dann auch dankend frei. Langfristig ist die Haltung Rohweins jedoch ein Bärendienst für den Skisprung.

Mögliche Nachfolger rütteln am Stuhl des Bundestrainers

Solange er als Bundestrainer nicht vom System der Stützpunkte überzeugt ist, werden es aus dem B-Kader und C-Kader kaum Talente bis in den Weltcup schaffen. Damit untergräbt er die Arbeit der Stützpunkttrainer, die ihrerseits wiederum kräftig an Rohweins Trainerposten rütteln.

"Es ist mein Ziel, irgendwo irgendwann einmal eine Nationalmannschaft zu übernehmen", hatte Horngacher kürzlich bestätigt. Der Heimcoach von Martin Schmitt wird als einer der ersten Kandidaten gehandelt, wenn es um Rohweins Nachfolge geht.

Noch ist es aber nicht soweit. Rohwein bleibt nach den Überraschungserfolgen seiner alten Garde erst einmal im Amt. Die Kritik am Bundestrainer wird dennoch erst verstummen, wenn er entweder seinen Hut genommen hat oder das österreichische Erfolgskonzept als gegeben hinnimmt.

Bis dahin bringt es Loitzl auf den Punkt: "Ihr seid's nicht wirklich zu beneiden!"