UFC

Diaz bringt GSP zur Weißglut

Von Oliver Copp
Georges St. Pierre (l.) muss seinen Titel gegen Nick Diaz verteidigen
© ufc

UFC Weltergewichtsweltmeister Georges St. Pierre gilt weithin als der Gentleman unter den Kämpfern. Er verhält sich vor wie nach seinen Fights respektvoll gegenüber seinen Gegnern - ganz gleich, welch Verbalinjurien sie gegen ihn loslassen. Am Samstag verteidigt er im kanadischen Montreal seine Weltmeisterschaft gegen den Amerikaner Nick Diaz und versprach der Welt, er werde dort Diaz' Karriere beenden.

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Solch markige Worte kennt man nicht von Saubermann St. Pierre - was war also geschehen? Natürlich könnte man vermuten, dass die Wurzeln der Fehde irgendwo in den letzten zwei Jahren zu finden sind, doch tatsächlich muss man die Uhr viel, viel weiter zurück drehen.

Georges St. Pierre war im August 2004 von der UFC nach Las Vegas eingeladen worden, um dort seinen ersten nennenswerten Vertrag mit der Liga zu unterschreiben. Am Tag nach Vertragsunterzeichnung fand in der MGM Grand Garden Arena der Rückkampf zwischen Ex-Weltmeister Randy Couture und Vitor Belfort statt.

Im Vorprogramm von UFC 49: Unfinished Business verlor Nick Diaz in seinem dritten Kampf in der UFC knapp nach Punkten gegen Karo Parisyan. Der Kalifornier war außer sich vor Wut, da er sich als sicheren Sieger wähnte. Auf dem Weg zurück in seine Umkleidekabine öffnete sich im Backstagebereich eine Tür, und Georges St. Pierre trat heraus.

Das erste Treffen

Der Kanadier war in sein Gespräch vertieft, sah Diaz nicht kommen und rempelte ihn an. Noch bevor er sich für sein Versehen entschuldigen konnte, stierte Diaz ihn nieder und ging provozierend auf St. Pierre zu. Es kam zu keinem Zwischenfall, aber der erste Eindruck war kein Guter.

In den Jahren, die danach kamen, wurde St. Pierre Weltergewichtsmeister der UFC und sammelte Siege gegen alle Größen seiner Gewichtsklasse. Diaz trat derweil bei der kleineren Konkurrenzliga Strikeforce an und wurde dort protegiert.

Die dortige Führung setzte dem Badboy aus Stockton vornehmlich Kämpfer vor die Nase, die perfekt auf seine Stärken einzahlten und gern mit dem Kalifornier in den Schlagabtausch gingen. Tatsächlich wurde an vielen Stellen Kritik laut, dass man Ringer gezielt von Nick Diaz fernhalten würde, um ihn gut aussehen zu lassen.

Erfolg über BJ Penn

In der Presse fand St. Pierre trotz allem immer positive Worte für Nick Diaz und sagte, er würde irgendwann gern gegen ihn antreten. Diese Chance eröffnete sich, als Diaz von Strikeforce zur UFC wechselte und sich in seinem ersten Kampf einen Punktsieg gegen Ex-Weltmeister BJ Penn sicherte.

Anders als St. Pierre nahm Diaz kein Blatt vor dem Mund und warf dem Kanadier vor, er fürchte ihn und wolle nicht gegen ihn antreten. Objektiv betrachtet war das natürlich Blödsinn, aber für jemanden, der sich gelegentlich seinen ganz eigenen Reim auf die Realität macht, erschließt sich das nicht zwangsläufig.

Am Vorabend des Super Bowl 2012 sollte der Vereinigungskampf zwischen Georges St. Pierre und Nick Diaz in Las Vegas stattfinden - doch es kam nie dazu. Diaz, der schon sein ganzes Leben mit Persönlichkeitsstörungen kämpft, ließ eine Reihe von Pressekonferenzen platzen, und UFC Präsident Dana White sagte den Kampf zähneknirschend ab.

St. Pierre war zu diesem Zeitpunkt stinksauer, da er in die jeweiligen Städte geflogen war, obwohl er auch Besseres zu tun gehabt hätte. Carlos Condit wurde als Ersatz für Diaz bestimmt, doch nachdem sich St. Pierre kurz danach verletzte, ersetzte ihn die UFC... durch Nick Diaz!

Sperre für Diaz

In Diaz' Wahrnehmung hatte der Weltmeister Angst vor ihm und gab deswegen eine Verletzung vor, um ihm auszuweichen. Auch das war, objektiv betrachtet, natürlich Blödsinn, weil Diaz längst aus dem Kampf genommen worden war - und zwar aus Gründen, die er selbst zu verantworten gehabt hatte. Er verlor nach Punkten gegen Condit und wurde nach dem Kampf für ein Jahr gesperrt, weil man Abbauprodukte von Marihuana in Diaz' Blut nachgewiesen hatte.

In der Zwischenzeit kristallisierte sich Johny Hendricks mit Knockoutsiegen gegen Jon Fitch und Martin Kampmann und einen Punktsieg gegen Josh Koscheck als würdiger Herausforderer für St. Pierre heraus. Der Weltmeister tat etwas, das er noch nie zuvor getan hatte: Er rief Dana White an und bat ihn, Nick Diaz den nächsten Titelkampf zu geben. Dort spielten zwar auch finanzielle Erwägungen eine Rolle, aber in erster Linie geht es ihm darum, Diaz das Maul zu stopfen.

Der Kalifornier bezichtigte St. Pierre in den letzten Monaten verschiedenster Dinge. Er nehme Steroide, fürchte Diaz nach wie vor, vertrete einen Kampfstil, der eines Kampfkünstlers unwürdig sei. Zumindest im letzten Punkt mag man Diaz ansatzweise Recht geben, aber das macht den Braten auch nicht mehr fett.

GSP: "Ungebildeter Idiot"

Während einer telefonischen Pressekonferenz beschuldigte Diaz seinen Widersacher, dass er reich und zufrieden sei und einen kleinen Hofstaat unterhalte - und deswegen überhaupt nicht wisse, was in jemandem wie ihm vorgeht, für den jeder Tag aufs Neue Herausforderungen bringt.

Nach guten 20 Minuten platzte St. Pierre, der selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammt und sich alles im Laufe der Jahre selbst erarbeitet hatte, der Kragen. Er fuhr Diaz an, bezeichnete ihn als "ungebildeten Idioten" und ließ zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder Emotionen erkennen.

Die hitzige Diskussion zwischen den beiden fachte in den Medien eine Berichterstattung an, die so nicht zu erwarten gewesen war. Weltmeister St. Pierre geht als haushoher Favorit ins Rennen, was unter normalen Umständen die Menge der Artikel stark negativ beeinflusst. Die persönliche Komponenten, die offensichtlichen und nicht gespielten Unstimmigkeiten und die gefühlsbetonten Reaktionen des sonst eher stocksteif agierenden Champions haben die Fans heißgemacht auf den Kampf am Samstag.

Genie und Wahnsinn

Diaz ließ sich am Mittwoch beim öffentlichen Training nicht blicken, weil er lieber ein paar Stunden länger schlafen wollte, stahl dafür am Donnerstag bei der offiziellen Pressekonferenz allen anderen die Schau. Genie und Wahnsinn liegen oft nahe beieinander - ganz besonders bei Nick Diaz.

In einem Moment fantasierte er darüber, dass er die Gifte ausschwitzen musste, die im ihm im Flugzeug gereichten Wasser waren, im nächsten Moment sprach er eloquent und fesselnd über seine eigene Kindheit und die Dinge, die er im Gangumfeld in Stockton erlebt hatte. Wieder einmal gingen St. Pierre die Pferde durch - mit jeder Minute wurde seine Miene verbissener, seine Gestik abgehackter.

Kampfsport ist zu einem erheblichen Teil Kopfsache. Nick Diaz bestimmt momentan ganz offensichtlich die Gedankenwelt eines Georges St. Pierre in einer Art und Weise, die man so noch nicht gesehen hat. Und das macht den krassen Außenseiter zu einem gefährlichen Gegner für den Champion.

Außerdem bei UFC 158:

  • Carlos Condit und Johny Hendricks machen unter sich den nächsten Herausforderer für den Sieger des Hauptkampfes aus. Hoffen wir, dass Hendricks bei einem Sieg nicht wieder auf die Ersatzbank geschickt wird.
  • Jake Ellenberger will gegen Strikeforce-Rückkehrer Nate Marquardt beweisen, dass er nicht nur zur zweiten Riege gehört, doch Marquardt riecht eine Titelchance und hat damit auch ein Ziel vor Augen.
  • Lokalmatador Patrick Cote begrüßt Strikeforce-Export Bobby Voelker in der UFC.
  • Daron Cruickshank will nach den Fans in Seattle auch die in Montreal begeistern und im Kampf gegen John Makdessi den nächsten Schritt in Richtung einer Bilderbuchkarriere beschreiten. Dies ist der heißeste Geheimtipp für den Kampf des Abends.

UFC 158: St. Pierre vs. Diaz wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag aufgrund der Sommerzeitumstellung in Kanada einmalig bereits ab 3 Uhr auf SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um Mitternacht Uhr auf facebook.com/UFC und um 1 Uhr dann parallel auf SPOX.com und UFC.tv.

Alle UFC-Champions im Überblick