Auf dem Weg zur Unsterblichkeit

Von Robert Heusel
Novak Djokovic gewann das Endspiel der ATP World Tour Finals gegen Roger Federer
© getty

Novak Djokovic hat eine überragende Saison mit dem Titel bei den ATP World Tour Finals gekrönt. Der Serbe nahm im Endspiel Revanche für die Niederlage in der Vorrunde und bezwang Roger Federer glatt in zwei Sätzen. Durch den Sieg wandelt Djokovic nun in Sphären von Jimmy Connors, John McEnroe und Björn Borg.

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Es war nicht das Ende, das sich die Zuschauer in der Barclaycard Arena von London gewünscht hatten. Roger Federer bemühte zwar nochmal das Hawk-Eye, aber der Videobeweis zeigte eindeutig: Federers zweiter Aufschlag war im Aus. Doppelfehler. Game, Set and Match, Djokovic. Der Titel beim Saisonfinale geht zum vierten Mal in Folge an den Serben.

Nach nur 80 Minuten nutzte Djokovic seinen zweiten Matchball zum klaren 6:3 und 6:4 - Erfolg gegen seinen härtesten Widersacher. In der Vorrunde hatte Federer beim 7:5 und 6:2 zwar noch bewiesen, dass er Djokovic besiegen kann, doch am Sonntagabend war der Weltranglistenerste zu stark.

"Ich bin sehr stolz auf alles, was ich in dieser Saison erreicht habe", so Djokovic bei der Siegerehrung. "Es war eine lange Saison, die beste meines Lebens. Aber ohne die Unterstützung meines Teams und meiner Familie würde ich heute nicht hier stehen." Mit dem Sieg hatte der 28-jährige seinem Coach Boris Becker, der am Sonntag seinen 48. Geburtstag feierte, das wohl schönste Geschenk gemacht.

Federer wackelt auf der Rückhand

Der Matchplan, den das Trainerteam um Becker für Djokovic ausgearbeitet hatte, war von Beginn an erkennbar. Der Serbe war bedacht, den Ball im Spiel zu halten und Federer in möglichst lange Grundlinienrallys zu verwickeln. Ausgemachter Schwachpunkt war dabei die Rückhand des Schweizers.

"Roger ist ein sehr kompletter Spieler. Man muss versuchen, die Dinge, die in seinem Spiel nicht so gut funktionieren, auszunutzen. Heute war es seine Rückhand", gab der Djoker nach dem Match Einblicke in seine Pläne.

Der unterlegene Federer, im Übrigen der einzige Spieler des Jahres 2015, der Djokovic mehr als einmal bezwingen konnte, zeigte sich nach dem Finale wie eh und je als großartiger Sportsmann: "Novak war heute einfach besser. Er hat verdient gewonnen, er hatte ein unglaubliches Jahr."

Der zweite Aufschlag macht den Unterschied

Trotz Federers Schwächen auf der Rückhand machte der zweite Aufschlag den Unterschied, wie der Schweizer im Nachhinein eingestehen musste. "Es wäre schön gewesen, wenn ich ein bisschen besser serviert hätte." Über den zweiten Aufschlag gewann der 34-jährige nur 42 Prozent seiner Punkte; zu wenig.

Auf der Gegenseite war bei Aufschlag Djokovic kaum etwas zu holen. Der Serbe brachte 66 Prozent seiner ersten Aufschläge ins Feld und wenn er doch einmal über den zweiten gehen musste, verlor Djokovic nur drei Mal im gesamten Match den Punkt.

"Ich hätte auf den zweiten Aufschlag besser spielen müssen. Aber vielleicht wollte ich manchmal einfach zu viel", hatte Federer sein Spiel bereits kurz nach Matchende analysiert. Trotz der Niederlage zeigte sich Federer zufrieden mit seiner Saison 2015: "Alles in allem bin ich zufrieden mit meinem Jahr. Ich habe auch hier gut gespielt."

Djokovic' erfolgreichste Saison

Für Djokovic war 2015 das erfolgreichste Jahr seiner ohnehin schon erfolgreichen Karriere. 88 Matches, 82 Siege und elf Turniersiege stehen in der laufenden Saison auf dem Konto des 28-Jährigen. Mit dieser Bilanz stößt Djokovic in Sphären von Legenden wie McEnroe, Connors, Björn Borg und Federer vor.

Allein diese vier Spieler konnten über eine gesamte Saison gesehen eine bessere Siegquote und mehr Titel vorweisen als der Djoker in 2015. "Diese Saison war herausragend. Eine derartige Erfolgsstory hätte ich mir nicht träumen lassen", konnte der frisch gebackene Champion sein Glück kaum in Worte fassen.

Djokovic triumphierte neben den Tour Finals bei drei der vier Grand-Slam-Turniere und bei sechs Events der 1000er-Serie. So oft wie noch kein anderer Spieler zuvor. In der Weltrangliste hat Djokovic 16.585 Punkte auf dem Konto und damit fast doppelt so viele Zähler wie seine Verfolger Andy Murray und Federer.

Im nächsten Jahr wird Djokovic erst der zehnte Spieler der Geschichte werden, der 700 Karrieresiege erreicht. Wenn alles normal läuft, wird er auch seinen Trainer (713) überflügeln und zu Größen wie Pete Sampras und Andre Agassi aufschließen.

Wawrinka verhindert den Grand Slam

Einziger Makel, wenn man es so nennen will, in Djokovic' Saison war die Finalniederlage bei den French Open in Paris gegen Stan Wawrinka. Dieser eine Sieg fehlte dem Weltranglistenersten, um Tennisgeschichte zu schreiben und den ersten Grand Slam im Herreneinzel seit Rod Laver 1969 zu gewinnen.

"Roland Garros ist für mich jedes Jahr die größte Herausforderung, aber natürlich nicht die einzige. Die Olympischen Spiele finden nur alle vier Jahre statt", blickt Djokovic bereits kurz nach dem Match wieder in die Zukunft. Der Titel in Paris und Olympisches Gold sind die einzigen beiden Titel, die in der Sammlung des Serben noch fehlen.

Djokovic hat eine historisch gute Saison hinter sich und steckt sich dennoch schon wieder neue Ziele. Dieser Ehrgeiz ist neben den überragenden Fähigkeiten auf dem Platz wahrscheinlich die größte Stärke des Serben. "Wie schon in den letzten Jahren werde ich versuchen mich bestmöglich vorzubereiten, um dann bei den großen Events auf der Spitze meiner Leistungsfähigkeit zu sein", so Djokovic.

Bei dieser Kampfansage muss der Konkurrenz angst und bange werden, denn die Dominanz von Djokovic war bereits in diesem Jahr erdrückend. Jetzt geht es für Djokovic aber erstmal in den wohlverdienten Urlaub, "denn ich brauche wirklich Zeit, um meine Akkus wieder aufzuladen". Danach wird Djokovic in Australien wieder voll angreifen und versuchen, nahtlos an die Erfolge von 2015 anzuknüpfen.

Novak Djokovic im Steckbrief

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