ATP gerät nach Agassi-Geständnis unter Druck

SID
Andre Agassi sorgte mit seinem Geständnis für großen Wirbel
© Getty

Die Profitennis-Organisation der Männer (ATP) gerät nach dem Bekanntwerden des Drogen-Missbrauchs von Ex-Profi Andre Agassi unter Druck und übt sich erst einmal in Schweigen.

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Auf der offiziellen Website der ATP ging es am Freitag unter anderem um Jo-Wilfried Tsonga, die "Battle for London" und ein Feature über James Blake. In ihrer bislang letzten Pressemitteilung vom 20. Oktober berichtete die Profitennis-Organisation, dass Andy Roddick sich für das Finalturnier in London qualifiziert hat. Über Andre Agassi, Crystal Meth und den 1997 unter den Tisch gekehrten positiven Test des Weltstars findet sich nichts. Die ATP schweigt.

Das entspricht einer Tradition des Wegsehens und Ignorierens, die im Profitennis seit Jahren gang und gäbe ist. Seit der Wiedereinführung des Rückschlagspiels als Olympischer Sport 1988 werden zwar auf Druck des IOC und des Internationalen Tennis-Verbandes ITF regelmäßig Dopingkontrollen bei Turnieren durchgeführt, von unangemeldeten Trainingsbesuchen im Camp von Agassis ehemaligem Fitnessguru Gil Reyes in Las Vegas oder bei Familie Nadal auf Mallorca ist nichts bekannt.

Nadal kritisiert das Vorgehen der ATP

Der Weltranglisten-Zweite Rafael Nadal kritisierte die ATP für ihr Vorgehen: "Wenn die ATP Agassi damals gedeckt hat, wäre das fürchterlich. Betrüger gehören bestraft."

Durch das Mitteilungsbedürfnis des achtmaligen Grand-Slam-Champions Agassi gerät die ATP nun verstärkt unter Druck. "Das Interessanteste an dieser Geschichte ist die Rolle der ATP und warum sie nichts unternommen hat", sagt Dick Pound, der ehemalige Präsident der Welt Anti-Doping-Agentur WADA: "Dass einer der Stars erklärt, wie einfach es ist, das System zu schlagen, ist alles, was man wissen muss."

Pounds Nachfolger hat die ATP mittlerweile zu einer Stellungnahme aufgefordert. "Die ATP soll uns erklären, wie es sein konnte, dass Agassi trotz eines positiven Tests ungeschoren davonkommen konnte", fordert WADA-Chaf John Fahey. Eine rückwirkende Sanktion für Agassi sei nicht möglich.

Miles weist alle Schuld von sich

Der seinerzeit als ATP-Chef amtierende Mark Miles weist natürlich alle Vertuschungs-Vorwürfe von sich. Allerdings wäre es für die ATP ein PR-Desaster gewesen, wenn Agassis Drogen-Missbrauch damals bekannt geworden wäre. "Es hat nie ein ATP-Offizieller das Ergebnis eines Dopingtests manipuliert", sagte Miles, "alle Fälle während meiner Amtszeit wurden von einem unabhängigen Gremium entschieden."

Ein Jahr nach dem Agassi-Fall war die ATP weniger großzügig. Der Tscheche Petr Korda wurde als amtierender Australian-Open-Champion für ein Jahr gesperrt, nachdem er in Wimbledon des Nandrolon-Gebrauchs überführt worden war. Er war der erste Topspieler überhaupt, der aus dem Verkehr gezogen wurde.

"Kokain-Küsse" für Gasquet

Ein unabhängiges Gremium war in diesem Frühjahr auch im Fall Richard Gasquet aktiv und sprach den Franzosen vom Vorwurf des Kokainmissbrauchs frei.

Sieben Küsse einer Bekannten hätten ausgereicht, um Spuren des weißen Pulvers in seinem Blut zu hinterlassen, behauptete Gasquet in einer Anhörung.

Seine Sperre wurde auf zwei Monate reduziert. ITF und WADA haben dagegen vor dem Sportgerichtshof CAS in Lausanne Einspruch eingelegt. Das große Problem der ATP beim konsequenten Kampf gegen Doping liegt auch in ihrer Struktur, denn die Spieler sind ebenso Teil der Organisation wie die Turniere. Die Aufgabe der ATP ist es, beiden Seiten gerecht zu werden.

So ist auch das merkwürdige Verhalten der ATP im Jahr 2003 zu erklären, als sieben Profis positiv auf das anabole Steroid Nandrolon getestet worden waren. Damals wurde von Sperren mit der Begründung abgesehen, dass ATP-Physios auf der Tour die Spieler aus Versehen mit den verbotenen Substanzen versorgt hätten.

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