"Nadal ist unschlagbar"

Von Interview: Florian Regelmann
Jim Courier arbeitet seit dem Ende seiner Spieler-Karriere auch als TV-Experte
© Getty

James Spencer "Jim" Courier gewann in seiner Karriere zweimal die French Open. Vor dem zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres spricht Courier im SPOX-Interview über die Rivalität zwischen Rafael Nadal und Roger Federer. Die Themen außerdem: Boris Becker, sein Buddy John McEnroe und seine berühmte Buch-Episode beim Seitenwechsel.

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SPOX: Jim, nachdem Federer Nadal jetzt auf Sand - und in dessen Heimat - geschlagen hat, setze ich bei den French Open auf Roger. Ich weiß, ist etwas gewagt...

Jim Courier: Wie bitte? Ganz ehrlich: Nadal ist unschlagbar in Paris. Die eine Niederlage ändert daran gar nichts. Nadal musste am Tag zuvor vier Stunden gegen Djokovic spielen. Ich sehe niemanden, der ihn gefährden kann.

SPOX: Was beeindruckt Sie am meisten an Nadal?

Courier: Seine mentale Stärke ist ganz sicher außergewöhnlich. Er fightet um jeden Punkt, auch wenn er mal 0:5 hinten liegt. Was natürlich so gut wie nie passiert.

SPOX: Ist er der dominanteste Sandplatzspieler aller Zeiten?

Courier: Seit Björn Borg auf jeden Fall. Es wird interessant zu beobachten sein, wie lange er es körperlich durchhält. Aber es sieht ganz danach aus, als ob er noch viele Titel holen wird.

SPOX: Wie würde denn Jim Courier zu seinen besten Zeiten gegen Nadal spielen?

Courier (lacht): Oh mein Gott, das ist eine gute Frage. Aber ich bin sehr froh, dass ich mir darüber keine Gedanken machen muss.

SPOX: Noch mal zurück zu Federer: Wie sehen Sie seine Situation?

Courier: Das Problem bei Roger ist, glaube ich, dass er ein kleines Stück an Selbstvertrauen verloren hat, das in den wichtigen Momenten in den großen Matches einen enormen Unterschied ausmacht. Dieses Selbstvertrauen, diesen unerschütterlichen Glauben an sich, den muss er zurückgewinnen. Der Sieg in Madrid war vielleicht der erste Schritt dahin.

SPOX: Er wird sicher noch den Rekord von Sampras brechen. Dann ist er der Beste aller Zeiten.

Courier: Da bin ich mir noch nicht so sicher. Ich habe eine einfache Formel: Wenn du der Beste aller Zeiten sein willst, dann musst Du logischerweise auch der Beste in deiner Ära sein. Ist Roger das? Der Beste in seiner Ära ist für mich derjenige, der gegen seinen größten Rivalen eine positive Bilanz hat (Federer-Nadal 7:13, Anm. d.Red.), mit einem besonderen Wert auf die Grand-Slam-Finals. Das ist meine Argumentation.

SPOX: Jedes Grand-Slam-Turnier übt seine eigene Faszination aus. Was macht die French Open für Sie aus?

Courier: Paris im Frühling ist ein besonderer Ort. Das Turnier hat seine eigene Magie. Es ist, wie wenn man eine Farbe in Worten erklären soll. Es ist schwierig auszudrücken, aber wenn du es siehst, weißt du es.

SPOX: Sie hatten sehr viel Erfolg in Roland Garros. An was denken Sie als Erstes?

Courier: Ich habe in meiner Karriere von Beginn an in Paris gut gespielt. Ich habe wunderschöne Erinnerungen. Mein Sieg 1991 im Finale gegen Andre Agassi hat mein Leben verändert. Ich hatte mir zwar zugetraut, dass ich weit kommen könnte, aber der Sieg war dann doch eine angenehme Überraschung.

SPOX: Sie waren in einer Generation mit Pete Sampras, Andre Agassi oder Michael Chang. Sie haben vier Grand Slams gewonnen. Das ist eine Menge, aber wäre noch mehr möglich gewesen?

Courier: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich bin kein Mensch, der zurückschaut, ich schaue nur nach vorne. Ich bin stolz auf das, was ich in meinem Leben erreicht habe. Die Nummer eins zu sein über einen längeren Zeitraum, war ein tolles Gefühl. Es ist schwierig zu beschreiben, aber es fühlt sich gut an, wenn man auf den Platz läuft und die Nummer eins der Welt ist.

SPOX: Sie hatten auch große Matches mit Boris Becker. Wie war Ihr Verhältnis?

Courier: Boris ist ein Freund. Er ist ein großer Champion, den ich sehr respektiere. Wir haben uns einige harte Matches geliefert.     

SPOX: Jeder erinnert sich auch an Sie, weil Sie mal beim Seitenwechsel ein Buch gelesen haben. Was haben Sie da eigentlich gelesen?

Courier (lacht): Das war ja klar, dass das kommen muss. Das Buch hieß "Maybe the Moon" von Armistead Maupin. Es geht um eine kleinwüchsige Schauspielerin, die in einem Hollywoodfilm mitspielt. Mit sehr viel Selbstironie geschrieben. Irgendwie hat mir das damals geholfen zu relaxen. Ich lese grundsätzlich sehr viel.

SPOX: Und Sie twittern. Zuletzt haben Sie sogar während eines Matches mit John McEnroe getwittert.

Courier: Das stimmt. Es macht mir großen Spaß. Das heißt aber nicht, dass ich keine Bücher mehr lese. Das schließt sich ja nicht aus.

SPOX: Sie spielen auch noch viel Tennis. Wer ist auf der Champions Tour alles dabei? 

Courier: Auf der Outback Champions Series, die meine Firma übrigens veranstaltet, geht es heiß zur Sache. Es gibt acht Turniere und die Sieger bekommen jeweils 60.000 Dollar. Agassi, Sampras, McEnroe, Edberg, Ivanisevic oder Wilander sind dabei, bei uns spielen die Besten der Besten.

SPOX: Kommt Ihre Baseball-Rückhand immer noch so gut wie damals?

Courier (lacht): Absolut. Sie funktioniert immer noch wie früher. Was natürlich heißt, dass sie eben nicht immer kommt.

SPOX: Sie sind gut mit John McEnroe befreundet. Der trifft den Ball auch immer noch ganz gut, oder?

Courier: Mac spielt auf einem unglaublichen Niveau. Es ist Wahnsinn, wie fit er noch ist. Es hat noch nie ein Mensch mit 50 Jahren so gut Tennis gespielt. Er hat mich in diesem Jahr in Rio de Janeiro im Finale geschlagen. Und in Boston hat er nur knapp gegen Sampras verloren. Wir verstehen uns einfach gut. Er liebt Musik, ich liebe Musik. Wir lesen auch häufig die gleichen Bücher, ganz egal, ob es zum Beispiel um Politik oder Theologie geht.

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