Der Showmaster ist zurück

Von Torsten Adams
Lance Armstrong gewann die Tour de France sieben Mal. 2009 soll der achte Triumph folgen
© Imago

Er ist der Star des Radsports und am Samstag kehrt er zur Tour de France zurück. Nach über drei Jahren Abstinenz vom Profisport tut Lance Armstrong alles für sein sauberes Image. Doch welche Motive sind es, die ihn tatsächlich antreiben, die immensen medialen und körperlichen Strapazen erneut auf sich zu nehmen?

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"7-time Tour de France winner, full time cancer fighter." So präsentiert sich Lance Armstrong selbst auf seiner Twitter-Seite im Internet. Als Radchampion mit außergewöhnlichen Erfolgen und zugleich als aufopferungsvoller Soldat im Kampf gegen den Krebs.

Über eine Million Menschen oder "Follower", wie sie in der Twitter-Sprache heißen, wollen auf dem Laufenden bleiben, interessieren sich für seine Kurznachrichten und können so am Privatleben des 37-Jährigen teilnehmen.

Einblick in Armstrongs Privatleben

Täglich unterrichtet Armstrong seine Gefolgschaft, jeden Tag stellt er mindestens eine Video-Botschaft ins Internet. Mal berichtet er davon, wie er seine Kinder zum Sport fährt, mal lobt er ein texanisches Restaurant für sein außergewöhnlich gutes Essen und mal beteuert er, dass der Kurs des Teamzeitfahrens in Montpellier unglaublich anspruchsvoll sei.

Jeder soll wissen, an welchem Punkt des Erdballs sich der Amerikaner gerade aufhält und dass er sein Tour-Comeback nach über drei Jahren Abstinenz nicht auf die leichte Schulter nimmt.

Dennoch bleiben viele Fragen unbeantwortet. Kann er die große Schleife wirklich zum achten Mal gewinnen? Ist er sauber? Und vor allem: Welches Motiv treibt ihn tatsächlich an, die immensen medialen und körperlichen Strapazen erneut auf sich zu nehmen?

Vorbereitung einer Politik-Karriere?

Ob es nun der pure sportliche Ehrgeiz ist, ob ihm die große Bühne der Öffentlichkeit fehlt oder ihn die Werbung für seine Krebsstiftung Livestrong motiviert - niemand weiß es so genau.

Sicher ist, dass kaum ein Sportler in der Geschichte des Radsports derart polarisiert wie der Texaner. Er bewegt die Menschen emotional - und er hat Strahlkraft. Diese Fähigkeiten will Armstrong in Zukunft auch in der Politik einbringen. In seinem Umfeld wird offen über ein Engagement als Gouverneur von Texas geredet

In seiner Heimat ist der Vater von vier Kindern ein Idol. Er ist der Held, der den Krebs besiegt hat und der sich mit seiner Stiftung selbstlos für Menschen in Not einsetzt. In Europa ruft der Name Lance Armstrong dagegen Naserümpfen hervor und wird mit Dopinggerüchten in Verbindung gebracht.

Zu Recht, sagen seine Kritiker. Interviews vom Star des Radsports bekommen nur ausgesuchte Journalisten. Kritischen Themen geht Armstrong aus dem Weg, Fragen zu den Positiv-Tests von der Tour 1999 bleiben unbeantwortet.

Durch seinen selbstauferlegten Medienboykott beispielsweise während des Giro d'Italia bleiben den Medien oftmals nur seine Twitter-Nachrichten - und damit das Bild eines barmherzigen Samariters, der durch seine Popularität helfen will, das Krebsleiden auf der Welt zu lindern.

Schänzer: "Der Verdacht fährt bei der Tour mit"

Ihn deswegen zu verurteilen und auch bei seiner Rückkehr auf Frankreichs Straßen zu verdächtigen, wäre allerdings falsch. Das meint zumindest Jens Voigt vom Team Saxo Bank: "Solange nichts gefunden wird, gibt es keinen Grund dazu."

Und auch für Dopingexperte Prof. Dr. Wilhelm Schänzer von der Deutschen Sporthochschule Köln gilt im Gespräch mit SPOX die Unschuldsvermutung: "Es gibt nach dem aktuellen Dopingreglement keine Kriterien, die eindeutig einen Dopingmissbrauch durch Herrn Armstrong zeigen."

Gleichzeitig steht Schänzer dem Wunsch einer sauberen Tour aber skeptisch gegenüber: "Man kann sich nie zu 100 Prozent sicher sein, dass nicht gedopt wird. Der Verdacht fährt bei der Tour mit. Aber einen Generalverdacht sollte man meiner Meinung nach nicht aussprechen."

Armstrong: 33 Kontrollen in 2009

Armstrong selbst gibt sich in einer seiner rar gesäten Äußerungen zu dem brisanten Thema eher trotzig: "Ich bin im Rahmen meiner sieben Tour-Siege so oft kontrolliert worden wie kein anderer. Man hat Nachforschungen in Frankreich und anderswo betrieben. Dieses Jahr wurde ich 33 Mal kontrolliert. 33 Mal! Das ist meine Antwort."

Unabhängig von allen Doping-Spekulationen bleibt dennoch die Frage: Kann ein fast 38-Jähriger nach über drei Jahren Pause tatsächlich das schwerste Radrennen der Welt gewinnen?

Voigt: Armstrong wird die Tour gewinnen

"Ja", sagt Voigt. Der Ausreißerkönig ist sogar noch einen Tag älter als der Amerikaner und wurde kürzlich erst von Armstrong zu einem Besuch in dessen Astana-Teambus zu einem kleinen Videodreh für seine Homepage eingeladen. "Lance kommt nicht zurück, um Zweiter zu werden. Der Ehrgeiz in ihm ist aufs Neue erwacht. Ich denke, er wird die Tour gewinnen", sagt Voigt.

Und das, obwohl mit Alberto Contador der für viele Experten große Favorit auf den Tour-Sieg im gleichen Team fährt. Armstrong spart zwar nicht mit Lob für den Spanier, aber von seiner Stärke in der psychologischen Kriegsführung hat der Amerikaner nichts eingebüßt: "Alberto ist sehr talentiert, er ist der beste Kletterer der Welt. Aber er ist noch zu nervös, zu ungestüm."

Lance Armstrong als Wasserträger für den elf Jahre jüngeren Contador? Beim besten Willen - das kann sich keiner so richtig vorstellen. Selbst Astana-Teamchef Johan Bruyneel muss lachen, wenn er Armstrong beim Abholen von Wasserflaschen am Teamwagen beobachtet: "Das kann er nicht. Ihm fehlt die Technik. Darin hat er keine Übung."

Fothen über Armstrong: Der Boss ist zurück

Welchen Stellenwert der Rückkehrer bei seinen Kollegen aus dem Fahrerfeld hat, beschreibt Markus Fothen eindrucksvoll.

Der Milram-Profi erlebte Armstrong beim Giro hautnah: "Es weht ein anderer Wind im Peloton. Der Boss ist zurück", sagte Fothen. "Armstrong wird kaum bedrängt und öfter als andere in eine freie Lücke hineingelassen."

Armstrong: Fühle mich so fit wie 2003

Es hat sich also nicht viel geändert. Armstrong ist immer noch der Chef im Feld, der Patron. Genauso wie früher, als er die Gegner dominierte, wie kein Fahrer zuvor.

So klingt es heute fast schon wie eine Drohung, wenn er seinen Trainingszustand mit dem früherer Tage vergleicht: "Ich habe nicht die gleiche Zuversicht wie bei meinen Siegen damals. Aber ich fühle mich in etwa so fit wie 2003, als es eine ziemlich knappe Tour war." Damals lag Armstrong übrigens am Ende knapp vor Jan Ullrich.

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