Die Flegeljahre einer Rennserie

Von SPOX
Ein DTM-Rennen aus dem Jahr 1991: Man kann die knatternden Motoren quasi hören
© Imago

Die DTM hat sich zu einer der bekanntesten und prestigeträchtigsten Rennserien weltweit entwickelt. Doch das war nicht immer so. SPOX blickt auf eine Erfolgsgeschichte samt knallharten Duellen, verrückten Rennen und einmaligen Motorengeräuschen zurück.

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Aus Motorsport-Sicht steht dieses Jahr jedoch vor allem für die Gründung der DTM, die damals noch unter der Bezeichnung "Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft" die Rennstrecken unsicher machte.

BMW 635 CSI, Volvo 240 Turbo, Ford Sierra oder Rover Vitesse - die klangvollen Namen wirkten in den Anfangsjahren noch nicht als Zuschauermagnet. Zwar lieferten sich die Helden von damals wie Volker Strcyek und Harald Grohs knallharte Duelle, doch die DTM kämpfte mit zwei großen Problemen.

Zwei Hauptprobleme

Die Rennen fanden einerseits oft nur im Rahmenprogramm einer anderen Serie statt. Zudem suchte man knatternde und raue Motorengeräusche noch vergebens. Daran waren vor allem die Turbos Schuld, die meistens nicht mehr als ein Schnurren von sich gaben.

Doch die Zeiten änderten sich schnell. BMW gelang 1987 mit dem legendären M3 einen Meilenschritt und lieferte fortan einen Sound an den Strecken, der für Motorsport-Fanatiker Musik in den Ohren war.

Die DTM war in der Pubertät angekommen. Sie war laut, sie war wild, sie war Motorsport pur. Gerade zwischen den Fahrern ging es hitzig zu. Was heutzutage für erstaunte Gesichter sorgen würde, war Ende der 80er Jahre Gang und Gebe.

Legendäres Finale auf dem Salzburgring

Das typische Anlehnen und Anklopfen zwischen den Fahrzeugen gehörte damals zu fast jedem Überholvorgang. Doch nicht nur auf der Strecke herrschte zeitweise das blanke Chaos. Durch das komplizierte Reglement mit Streichresultaten kam es auch bei den Teams zu folgenschweren Missverständnissen.

Das berüchtigte Saisonfinale 1987 auf dem Salzburgring gehört dabei zu den unglaublichsten Geschichten. Vor dem Rennen hatten mit Manuel Reuter (Ford) sowie den BMW-Piloten Eric van de Poele und Marc Hessel noch drei Fahrer Titelchancen.

Reuter musste seine Meisterträume jedoch früh mit einem Reifenschaden begraben. Das war allen klar, nur einem offenbar nicht. Hessel war überzeugt davon, dass der Titel nur an BMW gehen würde, wenn sein Teamkollege die Ziellinie vor ihm überqueren würde.

Vier Rennabbrüche

Der Bonner wartete deswegen - die schwarz-weiß-karierte Flagge bereits in Sicht - solange, bis van de Poele, der ebenfalls mit einem Reifenschaden zurückgefallen war, ihn doch noch überholte.

Im Ziel kam dann der Schock. "Du bist Vizemeister. Hättest du das Rennen ganz normal zu Ende gefahren, wärst du DTM-Meister", erklärte ihm sein Team. Dass der Titel im Endeffekt an seinen Markenkollegen ging, war für Hessel wohl nur ein schwacher Trost.

Der Salzburgring toppte diesen irren Showdown allerdings sogar noch. Im Jahr darauf wurde das Rennen viermal wegen Unfällen abgebrochen. Man war trotzdem kurz davor, einen fünften Versuch zu wagen.

Doch Hans-Jörg Weick, ein hohes Tier beim damaligen DTM-Promoter "ITR", machte dem Zirkus ein Ende: "Die Fahrer sollen abstimmen." Dass man sich im Anschluss darauf verständigte, die Koffer zu packen, dürfte nicht allzu überraschend gekommen sein. Der Kommentar von Rallye-Legende Walter Röhrl dazu: " Alles Verrückte."

Der Audi-Einstieg

Auch in den nächsten Jahren wurde es keineswegs ruhiger. Der Grund dafür: Audi stieg ein und hatte ein allradgetriebenes V8-Monster mit 3,6 Liter Hubraum im Gepäck. Die Feindschaft zwischen BMW/Mercedes und den Ingolstädtern nahm in der Folgezeit obskure Formen an.

Audi wurde unter der Hand sogar vorgeworfen, zu schummeln. "Unser Motor leistet nicht mehr als 420 PS. Kommen's doch mal nach Ingolstadt und schauen's auf unserem Prüfstand selber nach", antwortete der damalige Audi-Sportchef Dieter Basche auf diese Kritik.

Der Höhepunkt dieser Rivalität wurde allerdings erst beim Rennen in Singen 1991 erreicht. Nach einem Stopp räumte Hubert Haupt den Mercedes-Titelkandidaten schonungslos von der Piste. "Eine total linke Aktion", regt sich Norbert Haug auch heute noch darüber auf. Haupt wollte damit seinem Freund Hans-Joachim Stuck zum Titel verhelfen. Dieser Plan ging aber nicht auf. Meister wurde Frank Biela.

Highlight in Helsinki

Die harten Zweikämpfe gingen auch Anfang der 90er Jahre weiter. Ein besonderes Highlight war zudem das Rennen im Betonkanal von Helsinki. Die Events in Finnland waren aber nicht nur deswegen vor allem bei den Piloten ganz oben auf der Beliebtheitsskala.

Die faszinierenden Mittsommernächte sorgten gar dafür, dass einige Fahrer kaum Zeit im Hotel verbrachten. Besonders das Trio Keke Rosberg, Strietzel Stuck und Markku Alen tauchte nicht selten ins Nachtleben ein. Für die Nachtschwärmer waren die Kollegen, die zeitig das Bett aufsuchten, armselige "Würstchen".

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