Diack wegen Korruption angeklagt

SID
Lamine Diack (l.) gab sein Amt als IAAF-Präsident im August an Sebastian Coe ab
© getty

Das große Doping-Beben hat den innersten Zirkel der IAAF erreicht und erschüttert den Leichtathletik-Weltverband in seinen Grundfesten. Als Folge der ARD-Enthüllungen über staatliches Doping in Russland wurde gegen den ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack von der Pariser Justizbehörde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie der Weltverband zudem bekannt gab, wurde seine Zentrale in Monaco von französischen Ermittlern durchsucht.

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Dem 82-jährigen Senegalesen Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Er soll während seiner Amtszeit gegen die Zahlung einer sechsstelligen Summe russische Dopingfälle vertuscht haben. Auch gegen Diacks Anwalt Habib Cisse wurde ein Verfahren eingeleitet. Diack und Cisse wurden auf Kaution freigelassen.

"Das ist ein Hammer. Ich hoffe, dass dadurch Klarheit in die Sache kommt. Falls ein Sumpf bestanden haben sollte, dann könnte er dadurch trocken gelegt werden. Staatliche Stellen haben bessere Ermittlungsmethoden", sagte Clemens Prokop, Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), dem SID.

Am Dienstag erhielt die IAAF-Zentrale im Fürstentum Monaco unangemeldeten Besuch. Zahlreiche Dokumente wurden beschlagnahmt. Dabei sprach auch der neue IAAF-Präsident Sebastian Coe mit der Polizei, wie ein IAAF-Sprecher mitteilte. "Er wollte aus freien Stücken und auf eigene Initiative mit den Ermittlern sprechen", sagte Chris Turner der AFP.

Weltverband gab kein gutes Bild bei Dopingproblemen ab

Das Vorgehen der Justiz ist die Folge der Ermittlungen der im Januar 2015 installierten unabhängigen Untersuchungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Das Gremium war nach den Enthüllungen in der ARD und der Sunday Times über ein staatliches Dopingsystem in Russland eingerichtet worden. Als Vorsitzender der Kommission fungiert der ehemalige WADA-Chef Richard "Dick" Pound.

"Es zeigt sich, dass die ARD-Dokumentation offenbar so stichhaltig war, dass es nun zu Anklagen kam", sagte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt dem SID am Mittwoch. Seine preisgekrönte Doku "Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik" war von der IAAF und besonders in Russland scharf kritisiert worden. Es handele sich um "völlig falsche Behauptungen", hatte die IAAF noch Anfang August mitgeteilt.

Dies scheint durch den Vorstoß der Ermittler nun widerlegt zu sein. Es wird damit gerechnet, dass die WADA in Kürze ihren Bericht der Öffentlichkeit vorstellt. Dem Vernehmen nach wurden die Audio- und Video-Bänder mit geheim mitgeschnittenen Gesprächen von Kronzeugin Julia Stepanowa und deren Mann Witali Stepanow mit Athleten, Trainern und Offiziellen als Beweise zugelassen. Dies ist bahnbrechend.

Diack führt seit 1999 die Geschicke

Im Mittelpunkt des Skandals steht wieder Lamine Diack. 1999 als Nachfolger des Italieners Primo Nebiolo inthronisiert, gab er die Führung auf dem IAAF-Kongress im August in Peking nach 16 Jahren an den Briten Sebastian Coe ab. Der Afrikaner war trotz seiner Verdienste um die IAAF-Finanzen umstritten.

Er führte den Verband nach Gutsherrenart, schaffte undurchsichtige Strukturen und saß jede Kritik, jede Krise selbstgefällig aus. Nach der Pleite des Sportvermarkters ISL war 1993 bekannt geworden, dass der damalige IAAF-Vize Diack drei ISL-Barzahlungen in fünfstelliger Dollar-Höhe erhalten hatte. Spenden von Freunden seien das gewesen, nachdem politische Gegner sein Haus niedergebrannt hatten, erklärte Diack damals. Die ermittelnde Ethikkommission des IOC verwarnte ihn.

Auch am Ende der Regentschaft von Diack gab der Weltverband wegen Dopingskandalen, Korruptionsvorwürfen und ominösen WM-Vergaben ein schlechtes Bild ab. Diack stand für ein korrumpierbares System und Vetternwirtschaft. Beteiligt war auch sein Sohn Papa Diack, der bis Ende 2014 für die Vermarktung des Verbandes zuständig war - bis Hinweise darauf auftauchten, er könne möglicherweise in die Vertuschung positiver Doping-Proben aus Russland verwickelt gewesen sein.

Im August 2015 war die IAAF erneut in die Negativschlagzeilen geraten. Der Verband habe die Veröffentlichung einer vor der WM 2011 durchgeführten anonymen Athletenbefragung aktiv blockiert. In der Studie hatten knapp ein Drittel der Teilnehmer angegeben, in den zwölf Monaten vor der WM in Daegu gedopt zu haben, die New York Times trug diese Ergebnisse 2013 in die Öffentlichkeit.

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