Magdeburg rätselt um verschwundene Millionen

Von dpa

München - Verschwundene Spielerverträge, verschwundene Millionen und ein drohender Kriminalfall: Bei der Aufarbeitung der Altlasten aus der Ära des ehemaligen Managers Bernd-Uwe Hildebrandt ist die Klubführung des SC Magdeburg auf einen Sumpf gestoßen.

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Die plötzlich aufgetauchte und mit einem Kraftakt kurzfristig geschlossene Finanzlücke von 800.000 Euro stellt die Verantwortlichen des EHF-Pokalsiegers vor Rätsel. "Das ist unerklärlich", bekannte der neue Manager Holger Kaiser.

Schon zum zweiten Mal binnen vier Monaten hat der SCM  mit seinen Sponsoren eine Notsituation bereinigt. Mit den 600.000 Euro vor vier Monaten hat der Meister von 2001 dank seiner Partner ein Finanzloch aus dem Geschäftsjahr 2006/2007 von 1,4 Millionen Euro geschlossen, die Insolvenz abgewendet und den deutschen Handball somit vor einen erneuten Eklat wie bei den Lizenzentzügen für TuSEM Essen und die SG Wallau-Massenheim 2005 vermieden.

Klubführung will aufklären

Nun will die Klubführung selbst die Initiative bei der Aufklärung übernehmen. Denn ein im April vorgelegter Halbjahresbericht des bisherigen Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers hatte der Handball Magdeburg GmbH zum 31. Dezember 2006 noch 8000 Euro Plus attestiert.

Im folgenden halben Jahr sind dann 1,4 Millionen Euro verschwunden, von denen nun die jetzt bekannt gewordenen 800.000 Euro Minus übrig geblieben waren.

"Das ist eine Altlast von Herrn Hildebrandt", sagte Manager Kaiser, "zum 31. Dezember war das nicht ersichtlich. Und wir haben keinen neuen Spieler geholt, keine neuen Kosten produziert."

Hildebrandt weist Vorwürfe zurück

Hildebrandt, der seinen Posten als Geschäftsführer der Handball Magdeburg GmbH Ende März abgegeben hat, wies die Vorwürfe weit von sich. "Das ist lächerlich", sagte er der dpa. Die Fehlsumme wundere ihn nicht. "Das ist ein Kapitalfehlbetrag, der etwa seit vier Jahren in der Bilanz steht. Der hat keine große Bedeutung", sagte der 49-Jährige.

Dies sei zudem der Lizenzierungs-Kommission bekannt.

Gegenoffensive des Ex-Geschäftsführers

Er behauptet, dass die neue Geschäftsführung mit der Hauruck-Aktion nur eigene Fehlkalkulationen überdecken will. "Das ist eine öffentliche Manipulation der Meinung."

Hildebrandt rechnete vor, dass auf Grund von rund 400.000 Euro monatlicher Kosten der Klubetat für die laufende Saison "mindestens 4,5 Millionen Euro" beträgt. Der SCM hat seinen Haushaltsplan mit 3,7 Millionen Euro beziffert. "Da weiß man doch, wo der Fehlbetrag herkommt", so Hildebrandt.

Er lasse wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe rechtliche Schritte gegen den Klub prüfen, der ein Anwaltsbüro beauftragt, alle Unterlagen zu prüfen.

Riesen Schuldenberg schon 2006?

"Der ehemalige Geschäftsführer wird sich einige Fragen gefallen lassen müssen", sagte Frank Meyer, Vizepräsident des SC Magdeburg. Im Raum steht zudem der Verdacht, dass der angeprangerte Hildebrandt Verträge und Bilanzen manipuliert hat.

So hält sich unter anderem das Gerücht, dass schon der Champions-League-Sieg 2002 mit Schulden in Höhe eines sechsstelligen Mark-Betrages erkauft worden ist.

Ausgabe von rekonstruierten Verträgen

Ungeklärt ist auch weiter das Verschwinden von Spielerverträgen der polnischen WM-Zweiten Karol Bielecki und Grzegorz Tkaczyk. Beide haben zwar inzwischen rekonstruierte Kontrakte unterschrieben, wechseln aber nach dieser Saison zu den Rhein-Neckar Löwen.

"Wenn sich strafrechtlich relevante Dinge ergeben, werden sie an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben", sagte Meyer.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Steuerhinterziehung

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen Hildebrandt ohnehin schon wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Zudem hatte die Handball Bundesliga GmbH Mitte August Strafanzeige gegen Hildebrandt wegen Verdachts der Untreue gestellt.

Ungewiss ist, ob und in welcher Höhe Steuernachforderungen und mögliche Nachzahlungen von Sozialabgaben aus der Hildebrandt-Ära noch auf den Klub zukommen und erneute finanzielle Turbulenzen auslösen.