Der Zerfall des Box-Universums

SID
Beim Hamburger Box-Stall Universum könnten schon bald die Lichter ausgehen
© Getty

Der Hamburger Universum Boxstall veranstaltet am Samstag mit Europameister Alexander Dimitrenko und Weltmeisterin Susi Kentikian einen Box-Abend. Es könnte das letzte Hurra für das Unternehmen von Klaus-Peter Kohl sein, das nach dem Auslaufen des ZDF-Vertrages scheinbar unaufhaltsam zerfällt.

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Alexander Dimitrenko stand am Rand vor den Druckerpatronen. Eingeladen war er nicht. In einem Hamburger Elektrofachmarkt waren einige Stuhlreihen aufgebaut, Schreiber schrieben, Fotografen fotografierten, vorne saßen Fliegengewichts-Weltmeisterin Susi Kentikian und ihre mexikanische Herausforderin Ana Arrazola und machten Werbung für ihren Kampf am Samstag.

Der Schwergewichts-Europameister verteidigt auf der gleichen Veranstaltung seinen Titel gegen den Polen Albert Sosnowski, aber er blieb praktisch unbemerkt.

Drastischer wurde noch nie der Zerfall des einst strahlenden Hamburger Box-Universums deutlich als bei diesem Termin vor dem Fight in Hamburg. Kentikian wurde von ihrem neuen Promoter Ulf Steinforth präsentiert, von Veranstalter Universum Box-Promotion war kein Offizieller zu sehen.

Promoter Klaus-Peter Kohl ist ebenso abgetaucht wie sein Schwiegersohn Dietmar Poszwa, der Pressesprecher hat seinen Job schon vor vier Wochen quittiert.

Großer Box-Abend als Live-Stream im Netz

Am 31. Juli 2010 war das ZDF letztmals mit Boxen auf Sendung. Seitdem versuchen Kohl und Poszwa vergeblich, wieder einen finanzkräftigen Partner zu finden. 20 Millionen Euro fehlen in der Kasse ohne die gebührenfinanzierte Unterstützung der Mainzelmännchen. "Ein Boxstall wie Universum ist ohne TV-Partner nicht zu finanzieren", räumt Poszwa ein.

Also geht es kontinuierlich bergab. Sie haben zahlreiche Möglichkeiten ausprobiert. Sie experimentierten mit 3D-Fernsehen (Kohl: "Ideal für Boxen, die Technik der Zukunft"), sie arbeiteten mit "bild.de" zusammen. Auch der Kampfabend am Samstag läuft ab 22.00 Uhr als Livestream im Internet. Der große Coup, der Befreiungsschlag blieb bislang aus.

Also boxt Dimitrenko um einen EM-Titel im Schwergewicht in einer Trainingshalle ohne Fernsehen vor rund 600 Eingeweihten. "Es sind gerade schwierige Zeiten", sagt der gebürtige Ukrainer, der nach seiner Einbürgerung erstmals mit deutschem Pass kämpft, "aber ich bin optimistisch, dass auch bald wieder Sonne aus den Wolken scheint." Woher er seinen Optimismus nimmt, konnte der 28-Jährige nicht erklären: "Es kann ja nicht immer nur schlecht, schlecht, schlecht gehen."

Kein Geld für Heimspiele

Aber genau so sieht es aus. Inzwischen sind die Auflösungserscheinungen nicht mehr zu übersehen. Das Hamburger Gym, in dem Dariusz Michalczewski, die Klitschko-Brüder und Regina Halmich ihre Weltkarrieren begannen, wird nach Auslaufen des Mietvertrages im August aufgegeben. Ein Großteil des Bürostabes wurde schon im Sommer gekündigt, mittlerweile laufen auch die meisten Boxer weg.

Prominenteste Abgänge in jüngster Zeit sind Susi Kentikian und vor allem Jack Culcay. Den Amateur-Weltmeister hatte Kohl im November 2009 für drei Jahre plus dreijähriger Option verpflichtet. Er erhoffte sich durch den Darmstädter "Gold-Jack" einen Schub in seinen TV-Verhandlungen. Alles vergebens.

Zur Zeit tritt Kohl nur noch als Manager weniger verbliebener Boxer auf. Die Weltmeister Jürgen Brähmer (Halbschwergewicht) und Sebastian Zbik (Mittelgewicht) sind die prominentesten, beide müssen ihre Titel demnächst im Ausland verteidigen. Das Geld für "Heimspiele" ist eben nicht mehr da.

"Für mich kommt jetzt ein anderer Abschnitt"

Brähmer boxt am 21. Mai in London gegen den Briten Nathan Cleverly, Zbik am 4. Juni in Los Angeles gegen Julio Cesar Chavez jr. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass beide deutsche Champions nach diesen Auswärtsspielen ihre Titel los sind.

Dann sind da noch ein paar Russen, die sich in ihrer Heimat vermarkten lassen. Der Aussichtsreichste unter ihnen, Schwergewichtler Denis Boitsow, heilt aber gerade eine Hand-OP aus.

"Ich weiß nicht, was Universum macht", sagt Kentikian, "für mich kommt jetzt ein anderer Abschnitt. Ich kann aber nicht glauben, dass sie bald ganz weg sind." Doch genau so sieht es zurzeit aus.

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