"Mayweather ist nur Hype"

Von Philipp Dornhegge
Ein häufiges Bild bei Allan-Green-Kämpfen: "Sweetness" hat in 30 Kämpfen 20 K.o.-Siege verbucht
© Getty

Nach seinem Sieg über Mikkel Kessler sprechen alle nur noch über Andre Ward. Doch am Samstag muss der Favorit gegen Allan Green ran. Den Neuen. Den, der den Boxsport mehr liebt als jeder andere.

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"An Andre Ward beeindruckt mich nichts." Allan Green, der neue Boxer im Super-Six-Turnier, ist wahrlich kein Mann der leisen Töne. Der 30-Jährige hat große Qualitäten, um die er weiß.

Und die er am Samstagabend einbringen will, wenn er als Ersatzmann von Jermain Taylor gegen seinen amerikanischen Landsmann ran darf. "Mag sein, dass Ward gegen Kessler gut ausgesehen hat. Gegen mich hat er aber keine Chance. Mit meiner Schlagkraft wird er nicht fertig werden."

Neben seiner Power zeichnen Green seine schnellen Hände und seine Beweglichkeit aus. Fähigkeiten, die er sich hart erarbeiten musste. Denn hinter seinem Aufstieg steht nicht die bunte Story eines gefeierten Supertalents wie Ward.

Green wurde auch nicht durch natürliche Auslese zu dem, der er heute ist. Er musste sich nicht als Straßenkämpfer beweisen. Green ist kein Ghettokid aus ärmlichen Verhältnissen wie Bernard Hopkins.

Green: "Wir schulden den Fans das bestmögliche Produkt"

Er ist einfach nur ein Fighter mit Leib und Seele. Green atmet, Green lebt Boxen. Für ihn gibt es nichts anderes: "Meine Lieblingssportarten? Boxen und äh, sonst nichts", sagt er.

Seine Freizeit verbrachte er schon als Jugendlicher nicht in Diskotheken oder auf Partys. Seine Hobbys sind Videospiele und Comic-Hefte. Er ist Vegetarier und hat nach eigener Aussage keine Softdrinks mehr getrunken, seit er 15 war.

"Ich glaube, dass wir den Menschen dieser Welt das bestmögliche Produkt schuldig sind", erklärt Green seine Philosophie. "Wer sein hart verdientes Geld für ein Ticket ausgibt, der hat es verdient, großartige Boxer in großartiger Form zu sehen."

Deshalb ist sein Idol Sugar Ray Robinson, der vielleicht größte Boxer aller Zeiten und einer, der den Fans immer eine gute Show bot. "Viele der heutigen Boxer sind dagegen nur Fassade", klagt Green. "Floyd Mayweather ist das Paradebeispiel eines gehypten Superstars, der in seiner Karriere nie gegen einen Topmann auf dessen Höhepunkt angetreten ist."

Stark als Amateur, starkes Profidebüt

Wenn es nach Green ginge, würden sich die besten Boxer immer wieder neu beweisen müssen: "In meiner Traumwelt würde die Nummer eins immer gegen die Nummer zwei boxen. Man könnte nicht aus dem Nichts einfach so um einen Gürtel kämpfen, nur weil man den tollsten Promoter oder den meisten Einfluss hat. Jeder müsste sich seinen Erfolg hart erarbeiten. Aber so funktioniert es in der Realität leider nicht."

Weil Green sein Sport so sehr am Herzen liegt, ist sein ganzer Lebenswandel darauf ausgerichtet, im Ring die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Und die können sich bislang durchaus sehen lassen.

Als Amateur gewann er 55 seiner 61 Kämpfe und brach Mike Tysons zwanzig Jahre alten Acht-Sekunden-Knockout-Rekord. Als er 2002 Profi wurde - zunächst im Halbschwergewicht -, machte er gleich mit einem K.o.-Sieg gegen Robert Dykes auf sich aufmerksam, wenig später bezwang er den späteren Cruisergewichts-Weltmeister Ola Afolabi.

Sein Kampf gegen Jaidon Codrington 2005, damals ein hoch gehandelter Puncher, ist auch heute noch eine Augenweide - und ein kurzes Vergnügen: Denn Green brauchte gerade einmal 18 Sekunden, um seinen Gegner zu Boden zu schicken. Der Sieg wurde vom "Ring Magazine" zum Knockout des Jahres gewählt.

Rückschlag: Niederlage gegen Miranda

2006, in seinem letzten Fight, bevor er die Gewichtsklasse wechselte, beendete er de facto Jerson Ravelos Karriere, als er ihn mit drei Niederschlägen in Runde acht lächerlich machte.

Ravelo erholte sich nie wieder von dieser Blamage und verlor in seinen letzten fünf Profikämpfen weitere zwei Mal nach technischem K.o. - unter anderem gegen ein junges Toptalent namens Andre Ward.

In Greens Karriere gab es bisher eigentlich nur einen Rückschlag: seinen Kampf gegen Mittelgewichtler Edison Miranda. Da war er, wie sich anschließend herausstellte, körperlich geschwächt und verlor einstimmig nach Punkten.

"Man braucht kein Wissenschaftler zu sein, um zu erkennen, dass ich ihn im Normalfall locker geschlagen hätte", sagt Green heute forsch. Nach dem Kampf mussten ihm 85 Prozent seines Grimmdarms entfernt werden.

Mit DiBella hebt die Karriere ab

"Mittlerweile fühle ich mich wieder bestens. Besser sogar als zu Beginn meiner Karriere", so Green kurz nach der Operation. Er war bereit für ein Comeback - allein die Gegner waren nicht annähernd seine Kragenweite.

Ohne Mühe gewann er seine nächsten Kämpfe, aber zufrieden konnte er nicht darüber sein, dass er fast nur Fallobst boxen durfte. Es war Zeit für eine Veränderung, einen neuen Promoter. Zeit für Lou DiBella.

"Jetzt hebt meine Karriere endlich richtig ab!", jubelte Green, nachdem ihn einer der größten und einflussreichsten Promoter im Business 2008 unter Vertrag genommen hatte.

Taylor-Ausstieg wie ein Sechser im Lotto

Und wie sie abhob: Die Tinte auf dem Vertrag war noch nicht ganz trocken, da befand sich Di Bella schon in Gesprächen mit den Agenten von Sakio Bika und Lucian Bute. Während DiBella noch verhandelte, zeigte Green bereitwillig noch drei Mittelklassegegnern die Grenzen auf, ehe es ernst werden sollte.

Der Kampf mit Bika wurde immer konkreter, als Jermain Taylor Ende 2009 völlig überraschend aus dem Super-Six-Turnier ausstieg - und der Weg für Green frei war, Teil des gigantischsten Events der Boxgeschichte zu werden.

"Lou ist eine Supermacht im Boxen", war Green seinem Promoter unendlich dankbar. "Ohne ihn wäre ich beim Super Six nie in Frage gekommen."

Seit Januar 2010 bereitet sich Green nun auf seinen Kampf gegen Ward vor, den Start in die nächste Phase seiner Karriere. "Allan ist bereit für einen großen Fight und hat sich diese Chance mehr als verdient", ist sich DiBella sicher.

Wards mögliche Schwachstelle

Bika und Bute spielen plötzlich keine Rolle mehr. Auch dass Ward den Kampf von April auf Juni verschob und Green nun in Wards Heimatstadt Oakland austragen muss, war Green egal.

"Wir haben einige Zugeständnisse machen müssen", gibt DiBella offen zu. "Aber nachdem wir uns zusammen gesetzt hatten, waren wir uns einig, dass es fahrlässig wäre, so eine Chance ungenutzt zu lassen."

Einerseits ist damit die Teilnahme am Super-Six-Turnier gemeint, auf der anderen Seite will DiBella jetzt natürlich auch sehen, dass sein Schützling Ward den WBA-Gürtel wegschnappt, den der erst vor wenigen Monaten von Mikkel Kessler übernommen hat.

"Allan hat das Zeug dazu. Er ist gemeinsam mit Arthur Abraham der härteste Puncher im Supermittelgewicht", erklärt der Promoter. "Ward ist ein exzellenter Boxer, keine Frage. Aber wenn er eine Schwäche hat, dann sein Kinn. Und das wird am Samstag gewaltig getestet werden."

Alles zum Super-Six-Turnier auf einen Blick