"Hier in Göttingen sind alle verrückt"

Von Für SPOX in Göttingen: Robert Koch
Unwiderstehlich zieht Taylor Rochestie im Finale der EuroChallenge gegen Samara zum Korb
© Imago

Sein Crunchtime-Scoring ebnete den Weg zu Göttingens historischem Sieg in der EuroChallenge: Taylor Rochestie, Final-Four-MVP und bester Newcomer der BBL. Bei SPOX spricht der 24-Jährige über den Glauben an sich selbst, die anstehenden BBL-Playoffs und eine Stadt im Ausnahmezustand.

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Mit dem Sieg in der EuroChallenge hat die BG Göttingen den größten Triumph der Vereinsgeschichte perfekt gemacht. Im dritten Jahr der Erstliga-Zugehörigkeit und beim ersten Auftritt überhaupt auf europäischem Parkett gelang den Veilchen mit dem 83:75-Finalerfolg über das russische Team Krasnye Krylia Samara ein historischer Sieg.

Zuvor hatten nur Alba Berlin (Korac-Cup '95) und der Mitteldeutsche BC (Eurocup '04) einen internationalen Titel nach Deutschland geholt.

Die Schlusssirene bedeutete am Sonntag den Auftakt zu einer rauschenden Partynacht. Am Montag wurden die lila-weißen Helden zum Eintrag in das Goldene Buch der Stadt im Göttinger Rathaus empfangen.

Trotz strömenden Regens warteten auf dem Marktplatz vor dem Rathaus hunderte Fans, die der Mannschaft auf dem Rathausbalkon zujubelten.

Am Rande der Feierlichkeiten stand mit Taylor Rochestie der MVP des Final Four zum SPOX-Interview bereit.

SPOX: Herr Rochestie, herzlichen Glückwunsch zum Europapokal-Sieg! Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?

Taylor Rochestie: Es ist großartig. Das ist eine unglaubliche Erfahrung, gerade im ersten Jahr nach dem College und meiner ersten Profisaison. Zusammen mit meinen Mitspielern und den Trainern ist das eine sehr aufregende Sache für ein junges Team.

SPOX: Haben Sie schon am Beginn der Saison gedacht, dass solch ein Erfolg möglich ist und sie den Pokal gewinnen können?

Rochestie: Man muss wissen, dass einige Spieler extra hier nach Göttingen gekommen sind, um international in der EuroChallenge zu spielen. Wir haben von Anfang an geglaubt, dass wir ein gutes Team sein können. Ein Team, das an sich glaubt, kann sich dann auch im Finale wiederfinden und gewinnen.

SPOX: Wie stand es um Ihren Glauben, als das Team im Halbfinale mit 20 Punkten zurücklag?

Rochestie: Wir haben schon in vielen Spielen zurückgelegen. Aber mit unserem Stil wussten wir, dass wir ein Comeback schaffen können. Wir hatten das Selbstvertrauen und das Personal, um einige Runs zu starten. Es war schon ein verrücktes Spiel.

SPOX: Der Slogan für das Final Four lautete "It's a matter of the heart". War der Europapokalsieg letztlich auch eine Sache des Herzens, der Einstellung?

Rochestie: Ja, das stimmt. Gerade im Halbfinale war das wichtig, als wir den Rückstand aufholen mussten. Aber wir haben an uns und die Mannschaft geglaubt, und mit unserem Herz und unserem Willen haben wir schließlich den Pokal geholt.

SPOX: Im Finale führte Göttingen schon mit 13 Punkten, Samara kam kurz vor Schluss wieder auf drei Punkte heran. Sie haben dann die vielleicht entscheidenden Punkte zum Titelgewinn gemacht. Was geht einem durch den Kopf, wenn man die Entscheidung trifft, zum Korb zu ziehen?

Rochestie: Ich habe einfach versucht, das Richtige zu tun. In einem Finalspiel kann immer alles passieren. Auch wenn man schon zweistellig führt und noch ein paar Minuten zu spielen sind, ist es immer noch ein enges Spiel. Man muss ein paar wichtige Schüsse treffen, um ein Championship-Team zu sein und entsprechend bin ich glücklich, dass dieser Wurf gefallen ist. Chris McNaughton hatte ein fantastisches Spiel und traf dann die ganz wichtigen Freiwürfe, die den Erfolg besiegelt haben.

SPOX: McNaughton war im Finale stark, sie selbst im Halbfinale überragend. Auch in der Bundesliga ist es immer wieder jemand anderes, der die wichtigen Punkte macht. Ist es eines der Göttinger Erfolgsgeheimnisse, dass jeder im Team ein Spiel entscheiden kann?

Rochestie: Ich denke schon. Wir sind eine Mannschaft, die sehr schwer auszurechnen ist, weil viele verschiedene Jungs auf den Gegner warten. Darüber freuen wir uns. Die Tiefe im Team hat uns dahin gebracht, wo wir momentan stehen.

SPOX: Sie haben gerade draußen auf dem Balkon gestanden und es hat aus Eimern geschüttet. Trotzdem wurde die Mannschaft von mindestens 500 Fans gefeiert.

Rochestie: Die Stadt und die Zuschauer hier sind einfach unglaublich! Wenn es um Basketball geht, sind hier alle verrückt. Wir wollen ihnen eine gute Show bieten!

SPOX: Als letztes ging vorhin ihr Trainer John Patrick hinaus auf den Balkon zum Feiern. Welchen Anteil am Erfolg hat er?

Rochestie: Er spielt eine riesige Rolle. Er hat uns durch die Höhen und Tiefen geführt und uns eine Spielweise eingeimpft, die erfolgreich ist. Er hat uns das Vertrauen und die Sicherheit gegeben, damit wir auf dem Platz Erfolg haben. Gerade in der Defensive achtet er darauf, dass die Vorgaben eingehalten werden.

SPOX: Nach dem Erfolg im Europapokal warten nun die BBL-Playoffs. Göttingen geht als Ligadritter ins Rennen. Was erwarten Sie?

Rochestie: Wir müssen dieses Momentum, dieses Glücksgefühl mitnehmen. Wenn wir verstehen, dass wir zusammen als Team auftreten müssen, sind wir nur sehr schwer zu schlagen. Wir müssen so weitermachen wie bisher, hart kämpfen und spielen, dann werden wir sehen, was passiert. Jedes Spiel wird ein schwieriges Spiel.Es gibt viele gute Mannschaften in der Bundesliga, also habe ich eigentlich keine Erwartungen, außer hart zu spielen und dann zu gewinnen.

SPOX: Sie wurden in der Bundesliga zum Newcomer des Jahres gewählt, sind MVP im Final Four geworden. Bei vielen Teams dürften Sie damit Interesse an sich geweckt haben. Wissen sie schon, wie es nächste Saison weitergeht?

Rochestie: Darüber denke ich noch gar nicht nach. Wir haben in einer Woche das erste Playoff-Spiel, alles andere zählt im Moment nicht!

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