IOC gegen Russland: Machtkampf vor Olympischen Spielen spitzt sich zu

SID
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Vier Monate vor den Olympischen Spielen sieht das Internationale Olympische Komitee seine eigenen Interessen bedroht und geht endgültig auf Konfrontationskurs zur russischen Regierung.

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IOC gegen Russland, Olympia vs. "Freundschaftsspiele", Ausschluss vom Eröffnungsspektakel auf der Seine: Vier Monate vor den Olympischen Spielen in Paris spitzt sich der Machtkampf im Weltsport zu. "Die Aggressivität der russischen Regierung wächst von Tag zu Tag, gegen das Komitee, gegen die Spiele, gegen mich", sagte IOC-Präsident Thomas Bach der Zeitung Le Monde. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Interviews verschickte das Internationale Olympische Komitee eine pikante Erklärung und ging darin offen auf Konfrontationskurs.

Denn: Das IOC sieht durch Russlands Pläne seine eigenen Interessen bedroht. In einer Mitteilung am Dienstag nannte es das Vorhaben Russlands, im September "Freundschaftsspiele" auszurichten, "einen zynischen Versuch, den Sport zu politisieren". Das IOC forderte alle von Moskau eingeladenen Nationen auf, die Teilnahme an den Konkurrenz-Wettkämpfen und jegliche Form der Unterstützung abzulehnen.

Am Abend folgte das russische Aus für die Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Paris: Die als "neutral" antretenden Athleten aus Russland und Belarus dürfen nicht an der Parade der Teilnehmer in 160 Booten auf der Seine teilnehmen, sondern müssen sich mit einer Zuschauerrolle begnügen.

Es geht um nichts weniger als die Deutungshoheit über internationale Sport-Mega-Events - und damit um Macht und Millionen. Aus Sicht des IOC verstoße Russland gegen die Olympische Charta, mehrere Resolutionen der Vereinten Nationen und missachte zudem "die Athleten und die Integrität von Sportwettkämpfen". Darüber hinaus warnt das IOC vor dem Start bei Wettbewerben, die nicht unter dem "Schutz des Welt-Anti-Doping-Kodex" stattfinden.

Die russischen Bemühungen um Konkurrenzveranstaltungen zu den vom IOC ausgerichteten und vermarkteten Olympischen Sommer- und Winterspielen sind bekannt. Laut IOC sollen die ersten Ausgaben im September, wenige Wochen nach dem Ende der Paris-Spiele, in Moskau und Jekaterinburg sowie 2026 in Sotschi ausgetragen werden. Zudem plant Russland für 2025 die Austragung von "Future" und "BRICS Games" jeweils in Kasan.

Das IOC kritisiert die "sehr intensive diplomatische Offensive" Russlands. "Um ihre rein politische Motivation noch deutlicher zu machen, umgehen sie bewusst die Sportorganisationen in ihren Zielländern", schrieb das IOC während der Tagung der Exekutive um Präsident Bach. Die Athletenkommission lehne den Missbrauch von Athleten "für politische Propaganda eindeutig ab".

Am Abend teilte das IOC mit, dass relativ wenige "neutrale Athleten" an den Sommerspielen teilnehmen werden. Bislang haben sich laut IOC-Direktor James MacLeod erst zwölf russische und fünf belarussische Athleten qualifiziert, höchstwahrscheinlich steigen die Zahlen noch auf 36 und 22. Über die endgültige Zulassung entscheidet ein neues dreiköpfiges Gremium unter der Leitung der Vizepräsidentin Nicole Hoevertsz. Zum Vergleich: In Tokio 2021 starteten 330 Russen und 104 Belarussen.

Nachdem das IOC jahrelang enge Beziehungen zu Russland gepflegt und mit den Winterspielen 2014 in Sotschi Staatspräsident Putin eine Bühne geboten hatte, ist das Verhältnis mittlerweile abgekühlt. Das IOC suspendierte im vergangenen Herbst das Russische Olympische Komitee wegen des Bruchs der Olympischen Charta, weil das ROC die Sportorganisationen der annektierten ukrainischen Regionen Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk als Mitglieder aufgenommen hatte.

Sportlerinnen und Sportler aus Russland dürfen in Paris nur unter Auflagen als "neutrale Athleten" antreten. Verboten sind unter anderem die russische Flagge, die Hymne und weitere staatliche Symbole. Die Sportler dürfen zudem keine Verbindung zum Militär besitzen, Mannschaften dürfen gar nicht antreten.

Auf die ganz große Bühne in Paris wollen sie wohl aber trotzdem nicht verzichten. "Wir sollten uns nicht abwenden, uns verschließen oder diese Bewegung boykottieren", sagte Russlands Sportminister Oleg Matysin zuletzt: "Wir sollten so weit wie möglich die Chance zum Dialog aufrechterhalten und an den Wettkämpfen teilnehmen." Den Machtkampf mit dem IOC treibt Russland dennoch weiter voran.

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