"Ich trete in Federers Fußstapfen"

Von Interview: Viktoria Noll
Tennis, ATP, Petzschner
© Getty

Vor einer Woche konnte Philipp Petzschner den größten Erfolg seiner Profilaufbahn feiern. Im Finale des ATP-Turniers von Wien bezwang er als Qualifikant den Franzosen Gael Monfils. Danach waren erst einmal ein paar Tage Urlaub nötig, um dem neu entbrannten Rummel um seine Person zu entfliehen.

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Jetzt greift der 24-Jährige wieder an. Bei den Davidoff Swiss Indoors in Basel soll der nächste Titel her. Das Auftaktmatch bestreitet der mit einer Wildcard ausgestattete Bayreuther gegen den belgischen Qualifikanten Kristof Vliegen.

Im SPOX-Interview spricht der neue Hoffnungsschimmer am deutschen Tennis-Himmel über die wohl verrückteste Woche seines Lebens, begangene Jugendsünden und erklärt, warum Roger Federer die wahre Nummer eins ist.

SPOX: Herr Petzschner, der größte Triumph Ihrer Tennis-Karriere liegt hinter Ihnen. Haben Sie schon alles verarbeitet?

Philipp Petzschner: Von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Direkt nach dem Spiel konnte ich es noch gar nicht fassen. Es war eine unglaubliche Woche. Es war mein erstes Finale, mein erster Turniersieg und ich habe zum ersten Mal gegen einen Top-Ten-Spieler gewonnen. Das sind Dinge, die mich sehr bewegt haben, weil ich hart dafür gearbeitet habe. Deshalb gibt mir der Erfolg ein besonders gutes Gefühl. Der Sieg wird eigentlich immer größer, je mehr Tage vergehen.

SPOX: Wie erklären Sie sich den plötzlichen Erfolg?

Petzschner: Es war einfach eine Woche, in der ich sehr gut Tennis gespielt habe. Und ich hatte das Glück, das mir bisher oft gefehlt hat.

SPOX: Ihr Finalgegner war auch ein guter Freund von Ihnen.

Petzschner: Ja, wir sind schon seit unserer Jugend befreundet. Gael hat mir nach dem Match gesagt, dass er mir den Sieg wirklich gönnt. Er hat mir gewünscht, dass es bei mir endlich mit einem Turniersieg klappt.

SPOX: Sie sind generell bei Ihren Kollegen sehr beliebt. Jürgen Melzer zum Beispiel ist sogar wegen des Finales noch einmal nach Wien zurückgekommen.

Petzschner: Ich bin ja auch ein angenehmer Zeitgenosse. Wir verstehen uns alle sehr gut untereinander. Besonders mit Jürgen und Alexander Peya bin ich befreundet. Es hat mich sehr gefreut, als er mich gefragt hat, ob er noch Karten haben kann. Es ist wohl auch nicht alltäglich auf der Tour, aber ich bin sehr froh, dass ich mich mit vielen Leuten gut verstehe.

SPOX: Auch Ihre Davis-Cup-Kollegen haben Ihnen sofort gratuliert.

Petzschner: Stimmt. Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Philipp Kohlschreiber war fast die ganze Woche in Wien dabei. Tommy Haas und Rainer Schüttler haben mir sofort eine Glückwunsch-SMS geschrieben, unser Teamchef Patrick Kühnen hat mich angerufen, um zu gratulieren.

SPOX: Haben Sie jetzt nach dem Erfolg Chancen, im Davis Cup auch als Einzelspieler nominiert zu werden?

Petzschner: Darauf möchte ich natürlich hinarbeiten. Im Moment bin ich die Nummer fünf. Mein Ziel ist es, auch als Einzelspieler anzutreten, aber wenn ich Deutschland nur als Doppelspieler helfen kann, mache ich das genauso gerne.

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SPOX: Welche Ziele haben Sie für das kommende Jahr?

Petzschner: Im nächsten Jahr stehen erstmal die Australien Open ganz oben auf der Liste. Darauf muss ich gut hinarbeiten. Dann möchte ich sobald wie möglich unter die Top 50 der Weltrangliste kommen. Und natürlich ist der nächste Davis-Cup-Einsatz im März gegen Österreich sehr wichtig.

SPOX: Zu Juniorenzeiten galten Sie schon als großes Talent, haben sich aber oft lieber ins Nachtleben als auf den Tennisplatz gestürzt.

Petzschner: Ich habe schon seit Langem gemerkt, dass ich etwas ändern muss, aber das ist natürlich nicht so einfach. Ich habe konzentriert an mir und meinem Spiel gearbeitet und bin zu den Turnieren gefahren, um sie auch positiv zu bestreiten. Und ich habe mir in den letzten Jahren ein Umfeld geschaffen, das mir den Rücken freihält, mir Selbstbewusstsein gibt und mich motiviert. Seitdem ich das hinbekommen habe, funktioniert es auch sehr gut. Früher habe ich immer hohe Erwartungen an mich gestellt, die ich jetzt zum ersten Mal erfüllen konnte. Vorher konnte ich dem nie so gerecht werden, wie ich es mir gewünscht habe. Daher war dieser Erfolg eine gewisse Bestätigung.

SPOX: Dann haben Sie jetzt den richtigen Weg für sich gefunden?

Petzschner: Es wird sich zeigen, ob ich mich so weiterentwickeln werde, wie es sich zuletzt angedeutet hat. Vielleicht habe ich die richtige Einstellung ein bisschen zu spät gefunden. Letztendlich habe ich aber alles richtig gemacht und bin jetzt auf einem guten Weg.

SPOX: Einen großen Anteil am Erfolg hat sicherlich auch Ihr neuer Trainer Lars Übel.

Petzschner: Der Trainerwechsel hat mir insgesamt viel Selbstvertrauen und Halt gegeben. Lars ist ein guter Freund von mir. Er kennt mich sehr gut, weiß um meine Stärken und Schwächen auf dem Platz, aber auch abseits vom Spielfeld. Er weiß einfach, wie er mit mir umgehen muss. Es ist sehr angenehm, mit ihm zu arbeiten und zu wissen, dass man ihm vertrauen kann.

SPOX: Mit dem Sieg in Wien sind Sie in prominente Fußstapfen getreten. Boris Becker und Michael Stich haben das Turnier bereits gewinnen können. Welchen Spieler bewundern Sie?

Petzschner: Als Kind war Stefan Edberg mein großes Vorbild, mittlerweile ist es Roger Federer, den wohl jeder andere Profi auch bewundert. Deshalb ist es für mich so besonders, dass ich mit dem Sieg in Wien in gewisser Weise auch in seine Fußstapfen trete. Der Sieg ist aber nur so viel Wert, wie gut ich in den Monaten danach spielen werde. Wenn ich weiter auf diesem Level spielen kann und mich in Zukunft weiter verbessere, dann kommt der Sieg erst richtig zum Tragen.

SPOX: Die Tenniswelt wird derzeit von Ihrem Idol Federer und Rafael Nadal dominiert. Glauben Sie, dass Federer wieder die Nummer eins werden kann?

Petzschner: Roger hat auf jeden Fall die Chance und ich würde es mir auch sehr wünschen, dass er wieder die Nummer eins wird. Er ist der beste Tennisspieler, den es je gegeben hat, ich liebe es, ihm zuzuschauen. Vor allem für ihn persönlich wünsche ich es mir, weil er auch charakterlich eine bessere Nummer eins ist als Nadal.

Die aktuelle ATP-Weltrangliste der Herren