Stühlerücken beim DLV

SID
Obergfoell, Olympia, Speerwerfen
© DPA

Einen Monat nach dem Olympia-Debakel in Peking und ein knappes Jahr vor den Weltmeisterschaften in Berlin hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine sportliche Führung umgebaut.

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Der bisherige Leitende Bundestrainer Jürgen Mallow wird Sportdirektor. "Herr Mallow ist künftig in der Verwaltung tätig. Das ist nur ein Teil von Maßnahmen. Momentan richten sich alle Entscheidungen auf Berlin aus, um dort gut aufgestellt zu sein", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop der Deutschen Presse-Agentur dpa.

"Bis zum Jahresende" will der Jurist aus dem bayerischen Kelheim entscheiden, ob er sich nach der WM für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stellt.

Nur einmal Bronze in Peking

Der DLV hatte in Peking mit nur einer Bronzemedaille für Speerwerferin Christina Obergföll die schlechteste Bilanz seit 104 Jahren hingelegt. Ob Mallow degradiert wurde - diese Frage wollte Prokop nicht beantworten.

Die Aufgaben des 63-Jährigen teilen sich zumindest bis zur WM Rüdiger Harksen, bisher Hürden-Bundestrainer bei den Frauen, und Stabhochsprung-Experte Herbert Czingon.

Der Mannheimer Harksen, Coach der in dieser Woche zurückgetretenen Vize- Europameisterin Kirsten Bolm, kümmert sich um die Bereiche Lauf und Sprint, der Mainzer Czingon um die technischen Disziplinen.

Position des Sportdirektor verwaist

"Strengstes Stillschweigen" (Mallow) hatten die DLV- Spitzenfunktionäre in den letzten Tagen vereinbart, doch Prokop konnte die Personalie nicht mehr bis zum Ende der Trainertagung am Wochenende in Kienbaum unterm Deckel halten.

"Wir erhoffen uns davon eine Effizienzsteigerung, Herr Mallow hatte ja immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass der Verwaltungsaufwand überhand nimmt", erklärte Prokop.

Die Position des Sportdirektors war seit 2007 verwaist, da Frank Hensel - inzwischen nur noch Generalsekretär - sich um die WM-Organisation kümmert. Die Aufgaben hatte Mallow zum größten Teil schon übernommen.

"Was tun sie für uns? Nichts!"

Der bisherige Bundestrainer hatte in Peking in einem beispiellosen Rundumschlag die Pleite auf Politik und Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) abgewälzt: "Die wollen immer mehr Medaillen, und was tun sie dafür? Nichts, nichts, nichts!".

Zum Unwillen von Prokop sparte er dabei auch das Bundesinnenministerium (BMI) nicht aus und prangerte die bürokratischen Hemmnisse an.

"Schwierig wird es wohl, zu erklären, warum wir nach der WM 2007 so ein Olympia-Ergebnis in Peking hatten", sagte Mallow jetzt der dpa.

"Da gibt es nichts schön zu reden. Das war ein ausgesprochen enttäuschendes Ergebnis, unter dem wir alle in jeder Hinsicht leiden."

Zukunft von Prokop ungewiss

Für ihn gehe es nicht um Schuld, sondern um Verantwortung, betonte er. Und diese trage an erster Stelle der Athlet, an zweiter der Trainer, an dritter der Verband und an vierter das Umfeld des Sportlers: "Das muss man kritisch unter die Lupe nehmen".

Nach der enttäuschenden Ausbeute bei Olympia 2004 in Athen mit nur zweimal Silber (Speerwerferin Steffi Nerius und Kugelstoßerin Nadine Kleinert) hatte sich der DLV bei der WM 2007 in Osaka/Japan (zweimal Gold/zweimal Silber/dreimal Bronze) bereits auf dem besten Weg aus der Krise gewähnt.

Doch der Rückschlag in Peking hat den Verband ein Jahr vor der Heim-WM ins Mark getroffen. Nach Berlin geht Mallow ohnehin in den Ruhestand.

Die Zukunft von Prokop, der 2001 den Tübinger Sportwissenschaftler Helmut Digel als Verbandschef abgelöst hatte, ist noch offen.