Wimbledon statt Cordoba

SID
Rainer Schüttler, Wimbledon, Tennis
© Getty

London - Rainer Schüttler sank ins Gras und genoss den Augenblick. Auf dem kleinen Nebenplatz in Wimbledon, auf dem ihm ein weiterer Geniestreich gegen die junge Garde der weltbesten Tennisprofis gelungen war, lag er auf dem Rücken und konnte sich nicht sattsehen.

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"Der Himmel war herrlich blau und es war nur eine ganz kleine Wolke zu sehen. Es war wie ein Zeichen", philosophierte der 32-Jährige in "purer Zufriedenheit" über den 6:4, 3:6, 6:4, 7:6 (7:4)-Erfolg im Achtelfinale gegen den acht Jahre jüngeren Serben Janko Tipsarevic.

Nichts, was die Genugtuung des seit 13 Jahren mit dem Tennis-Zirkus umherreisenden Korbachers hätte trüben können. Eigentlich sollte er ja in dieser Woche in Spanien sein. Challenger-Turnier in Cordoba.

Die Highlights von Schüttlers Achtelfinalsieg in SPOX.TV

Sich mit den Miles Armstrongs oder Francesco Piccaris dieser Welt messen und versuchen in der Weltrangliste sich ein paar Plätze nach oben zu schieben.

"Cordoba stand auf meinem Plan. Ich bin sehr glücklich, dass ich dort nicht hin muss und noch hier im Turnier bin", so Schüttler.

Schüttler gegen Clement Favorit

Die sportliche Wiedergeburt soll am Mittwoch auf dem Heiligen Rasen ihre Fortsetzung finden. Im Viertelfinale gegen Arnaud Clement treffen sich die beiden ältesten Spieler der 122. All England Championships zum Aufstand der Alten.

Und erstmals gilt Schüttler sogar als Favorit, weil er in der Weltrangliste 20 Plätze besser eingestuft ist als der zwei Jahre jüngere Franzose. "Eigentlich geht man als Nummer 97 ja als Außenseiter auf den Platz", sagte Schüttler und grinste zufrieden, wie man es im dritten Wimbledon-Frühling eben so tut.

"Ich will Spaß haben", lautet sein Credo. Doch der Ehrgeiz ist geweckt, zumal die Chance auf ein Halbfinale gegen den Spanier Rafael Nadal noch nie so groß war.

"Rainer hat es verdient wie kein Zweiter. Er hat nie aufgegeben, trotz aller Rückschläge", sagte Bundestrainer Patrik Kühnen. "Es macht mich sehr stolz, dass die Leute an mich geglaubt haben und mir alle den Erfolg gönnen", sagte der 32-Jährige, der mit seiner hohen Stirn wie ein Grandseigneur des Tennis erscheint.

Dank an seinen Trainer

Dabei ist dem Vorzeigeprofi noch immer kein Weg zu weit. Diese Fitness war ihm nach seinem Erfolgsjahr 2003 und Platz fünf der Weltrangliste abhandengekommen. "Ich hatte ein bisschen Pech. Eine Knie-Operation und das Pfeiffer'sche Drüsenfieber haben mich weit zurückgeworfen."

Wie gut er sich seit einigen Monaten wieder fühlt, ist in seinem braun gebrannten Gesicht abzulesen. "Mit der Hilfe von Jan und Dirk habe ich die Ruhe wiederbekommen."

Der Dank gilt seinem tschechischen Trainer Jan Stocis, der dem gesundheitlich angeschlagenen Dirk Hordorff zur Seite steht. Ein erfolgreiches Trio, wie das zum zweiten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier erreichte Viertelfinale beweist.

Und das öffnet dem Australian-Open-Finalisten von 2003 schon jetzt alle Türen in Wimbledon. "Jetzt gehöre ich zum 'Club der Acht' und werde, wann immer ich will, zu den All England Championships eingeladen."

Keine Chance auf Olympia

Für die Olympischen Spiele in Peking gilt das nicht. "Ich würde supergern dort spielen. Das wäre ein Traum", sagte der Doppel-Zweite von Athen. Doch der Zug ist abgefahren, weil Schüttler die Vorgaben des Tennis-Weltverbandes ITF nicht erfüllt hat.

"Es besteht keine Chance", sagte ITF-Sprecher Nick Imison am Dienstag in Wimbledon. Zum Stichtag 9. Juni habe Schüttler als Weltranglisten-97. die Norm nicht erfüllt und die Wildcards seien an andere vergeben worden.

Es wird also dabei bleiben, dass nur Nicolas Kiefer und "Härtefall" Philipp Kohlschreiber in Peking aufschlagen. Spekulationen, Schüttler könne Kohlschreiber doch noch ersetzen, bezeichnete Kühnen als "absoluten Quatsch.

DTB will alles versuchen

Da gibt es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fällen." Der Deutsche Tennis Bund (DTB) will dennoch nichts unversucht lassen. "Wenn es eine Chance gibt, werden wir sie nutzen", sagte DTB-Präsident Georg von Waldenfels.

"Ich werde mit der ITF sprechen und alle Möglichkeiten ausloten", sagte auch DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard. "Ich muss ja meiner Sorgfaltspflicht genügen. Vielleicht sagt einer kurzfristig ab."

Ob der untadelige Sportsmann Rainer Schüttler, der sich im Spielerrat der ATP jahrelang um die Belange der Kollegen gekümmert hat, eine "Lex Schüttler" überhaupt akzeptieren würde, ist fraglich. Schließlich müsste für ihn ein Spieler ausgeladen werden, der sich über die reguläre Norm qualifiziert hat.

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