Rogge fordert Umdenken in Menschenrechtsfrage

SID
Olympia, Rogge
© DPA

Brüssel - IOC-Präsident Jacques Rogge fordert angesichts der Ereignisse in China eine Neu-Positionierung der olympischen Bewegung in der Menschenrechtsfrage.

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Drei Wochen nach seinem Krisen-Bekenntnis gab der Ober-Olympier in einem Interview der belgischen Zeitung "Le soir" erstmals zu, seine Organisation müsse ihre zukünftige Rolle in der Gesellschaft "neu überdenken". Das bisherige Engagement reiche nicht aus.

"Wir müssen jetzt darüber nachdenken, wie wir uns in Bezug auf die Menschenrechte verhalten", erklärte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Der Spagat, seine Institution unpolitisch, aber trotzdem glaubwürdig und stark zu präsentieren, ist fast nicht mehr zu schaffen.

Kommunikationsfehler und stille Diplomatie 

Nach medialer Dauerkritik an seinem langen Schweigen in der Menschenrechtfrage räumte der Belgier "Kommunikationsfehler ein", verteidigte aber seine Politik der "stillen Diplomatie", für die er sich nach Gesprächen mit zahlreichen Experten wie Sinelogie-Professoren oder ehemaligen China-Botschaftern entschieden hätte.

"Wir waren in unseren Gesprächen mit den Chinesen immer sehr bestimmt und klar. Wäre ich ständig auf die Barrikaden geklettert, wäre ich der Held des Westens gewesen, aber die Spiele wären gescheitert", betonte Rogge.

Er habe bereits bei der Vergabe der Spiele an Peking im Juli 2001 mit den chinesischen Olympia-Machern über Menschenrechte gesprochen und diesen Dialog sieben Jahre lang fortgesetzt. "Wir haben in diesem Punkt keine Revolution geschafft, aber Fortschritte erreicht", meinte Rogge.

Bremsen wieder gelöst 

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird in Kürze einen Vertrag mit einer Beratungsgesellschaft abschließen, um den sensiblen Austausch mit den chinesischen Olympia-Gastgebern zu stabilisieren. Rogge sieht sich durch das Dialog-Angebot der chinesischen Regierung an den Dalai Lama in seiner Taktik bestätigt.

"Wir begrüßen jede Initiative, die den Geist des Friedens mit sich bringt." Allerdings werde durch die Tibet-Krise die Pressefreiheit gebremst. "Ich habe diesbezüglich extra gefordert, dass die Bremsen wieder gelöst werden, und das wurde mir auch versprochen", sagte der 65-Jährige.

Artikel 5 der olympischen Charta garantiert Meinungsfreiheit, und der IOC-Boss hat sich bei beinahe jeder Gelegenheit gegen den Maulkorberlass und für den "mündigen Athleten" ausgesprochen.

Für eine bessere Welt 

Knapp drei Monate vor der Eröffnungsfeier hat er jedoch dem Vorhaben zahlreicher Athleten, sich mit einem Button mit der Aufschrift "für eine bessere Welt" zu äußern, praktisch eine Absage erteilt. Er sehe wenig Chancen, dass diese politische Stellungnahme von der IOC- Exekutive genehmigt wird.

Auf den Vorwurf, die Kommunistische Partei Chinas missbrauche die Spiele in Losungen und Bannern zu Propagandazwecken, reagierte Rogge fast ungläubig: "Davon habe ich bisher noch nichts gehört. Ich werde dieser Frage nachgehen." Die Politik habe sich in die Sportwelt eingeladen, ohne eingeladen worden zu sein.

"Man kann ein Land nicht daran hindern, sich durch die Ausrichtung der Spiele darzustellen, ohne gleichzeitig zuzulassen, dass die Spiele politisch ausgenutzt würden." Und: "Das IOC kann nicht alle Probleme des Planeten lösen. Dazu haben wir nicht die Macht", meinte Rogge weiter.