Beinamputierter Pistorius polarisiert

SID
Pistorius, Leichtathletik
© Getty

Leipzig - Einzelkämpfer oder Wegbereiter einer neuen Epoche der Sportgeschichte: Am Fall Oscar Pistorius scheiden sich die Geister.

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Das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS, dem schnellsten beinamputierten Sprinter der Welt ein Startrecht bei den Olympischen Spielen in Peking zuzugestehen, sorgt für kontroverse und emotionale Diskussionen, die Findung eines gemeinsamen Nenners scheint mehr als schwierig.

"Es ist das Prinzip des Sports, sich mit gleichwertigen Gegnern zu messen. Das kann man doch einem behinderten Sportler nicht absprechen", sagte Gudrun Doll-Tepper, Präsidentin im Weltrat der Sportwissenschaften, auf der Leipziger Fachmesse Orthopädie und Rehatechnik.

Dass sich der Südafrikaner für seine Rechte engagiert, findet die Professorin nur recht und billig.

CAS-Entscheidung nicht nachvollziehbar

Dem an beiden Beinen unterschenkelamputierten Paralympics-Sieger Pistorius, der die Behinderten-Weltrekorde über 100, 200 und 400 Meter hält, war nach einem Gutachten des Kölner Biomechanik- Professors Gert-Peter Brüggemann und der IAAF-Wettkampfregel 144.2 durch den Leichtathletik-Weltverband (IAAF) zunächst ein Olympia-Start untersagt worden.

Brüggemann war zu dem Schluss gekommen, dass sich Pistorius, der sich selbst als Schnellster auf keinen Beinen bezeichnet, einen beträchtlichen mechanischen Vorteil gegenüber nicht-behinderten Sportlern verschafft.

"Aus wissenschaftlicher Sicht kann ich die CAS-Entscheidung nicht nachvollziehen", sagte Brüggemann.

Auch Popow zwiegespalten

Der Wissenschaftler sieht die Diskussion mit gemischten Gefühlen. "Oscar erfüllt sich einen Lebenstraum, und das gönne ich ihm. Aber ob die Entscheidung gut und richtig ist, ist eine andere Frage. Zudem könnte es ein Nachteil für die Paralympics sein, wenn der Beste nicht startet", gab Brüggemann zu bedenken.

Ampie Louw, Trainer des Blade Runners, hatte der südafrikanischen "Sunday Times" versichert, dass sein Schützling zumindest im Wettkampf "niemals" mehr gegen Behinderte antreten wird.

Auch Heinrich Popow, dreifacher Bronzemedaillen-Gewinner bei den Paralympics 2004 in Athen, ist zwiegespalten.

"Ich befürchte, dass die Paralympics an Wert verlieren, wenn er nicht startet", meinte der deutsche Hoffnungsträger, der in Peking starten will.

Prothese als Hilfsmittel

An eine Klageflut anderer behinderter Athleten angesichts des CAS-Urteils, das nur für den 21-jährigen Pistorius gilt und keinen Präzedenzfall darstellt, glaubt Doll-Tepper nicht. "Oscar ist ein absoluter Sonderfall und Ausnahmeathlet. Es werden jetzt keine anderen 100 oder 1000 derartiger Fälle auftreten."

Pistorius habe wie kein anderer zuvor gelernt, perfekt mit den Hilfsmitteln umzugehen. Dass sich nun Nicht-Behinderte davor fürchten könnten, von einem Stelzenmann geschlagen zu werden, findet Popow eher belustigend.

Für den derzeit vielzitierten Begriff  Techno-Doping fehlt ihm jedes Verständnis. "Ich kann das beste Material haben, aber ich muss auch das Beste daraus machen, und das spielt sich im Kopf ab", erklärte der Sprinter, für den vielmehr hartes Training verantwortlich für die Leistungsentwicklung ist.

Eine Prothese sei ein Hilfsmittel, um sein Leistungspotenzial im Sport so auszuschöpfen, wie es Menschen ohne Behinderung auch tun.