Luis Enrique bei PSG: Diese acht Probleme muss der Trainer in Paris lösen

Von Thomas Hindle / Patrik Eisenacher
Kylian Mbappé
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Gerade das Drama um Kylian Mbappé bereitet Paris Saint-Germain und seinem neuen Trainer Luis Enrique alles andere als einen angenehmen Einstieg in den zerrissenen Klub. Der Spanier wird einige Herausforderungen in den nächsten Wochen und Monaten meistern müssen.

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Im x-ten Anlauf hat Paris Saint-Germain also seinen neuen Coach gefunden. Luis Enrique ist der nächste auf der Liste der renommierten Trainer, die sich beim französischen Hauptstadt-Klub versuchen. Der Spanier hat einen Zweijahresvertrag unterschrieben und kommt mit einem ausgezeichneten Lebenslauf: Er gewann 2015 das Triple mit dem FC Barcelona und führte eine schwache spanische Mannschaft bei der EURO 2021 bis zum unglücklichen Ausscheiden im Halbfinale gegen den späteren Europameister Italien. Bei der WM 2022 scheiterte er dann jedoch schon im Achtelfinale an Marokko.

In Paris übernimmt Enrique wie seine Vorgänger einen Chaos-Klub - doch schlimmer war es vielleicht selbst in Paris noch nie. Der 53-Jährige muss den Kader-Umbruch vorantreiben und vor allem die Causa Mbappé managen. Hinzu kommt eine chronisch frustrierte Fangemeinde. Nicht ohne Grund hatte Ex-Bayern-Trainer Julian Nagelsmann den Parisern vor denGesprächen mit Enrique abgesagt.

Doch der Spanier könnte, wenn er alles richtig macht, auch viel Erfolg haben: Er ist ein erfahrener Trainer mit der richtigen Persönlichkeit, um mit den großen Namen in der Umkleidekabine umzugehen. Außerdem ist er taktisch flexibel und ein toller Förderer von jungen Talenten.

SPOX wirft einen Blick auf die größten Probleme, mit denen der neue PSG-Trainer in den kommenden Wochen und Monaten konfrontiert sein wird ...

Luis Enrique
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Luis Enrique bei PSG: Eine passende Formation finden

Die Taktik war bei PSG in den letzten beiden Spielzeiten auf Messi, Mbappé und teilweise - wenn er nicht verletzt war - Neymar ausgerichtet. Denn: Die drei Superstars wollten defensiv nicht mitarbeiten. Die Trainer Mauricio Pochettino und Christophe Galtier gewährten dem Trio diese Freiheiten. Dafür mussten die verbleibenden sieben Feldspieler defensiv umso mehr Aufwand betreiben. Der Argentinier ist weg, der Brasilianer soll weg und der Franzose will weg - und so könnte der Spanier Enrique seinen Willen durchsetzen und eine ausgeglichene Formation wählen können.

Bei Barça kreierte er mit "MSN" wohl das beste Sturmtrio aller Zeiten, mit Spanien ließ er wie erwartet vor allem mit Fokus auf Ballbesitz spielen. Der 53-Jährige hat also bereits gezeigt, wie flexibel er taktisch erfolgreich sein kann - mit Weltklasse-Stürmern und ohne.

Die Frage: Entscheidet er sich wie gewohnt für ein 4-3-3 oder doch für drei Innenverteidige?

Neymar
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Luis Enrique muss Neymar wieder zum Leben erwecken

Es bleibt abzuwarten, was der 31-jährige wiedergenesene Neymar PSG noch bieten kann - und will. Zuletzt fiel er vor allem mit Poker-Turnieren und Millionenstrafen wegen Umweltverstößen auf.

Der Brasilianer ist an guten Tagen auf dem Platz immer noch Weltklasse und wird mit Sicherheit für Tore und Vorlagen sorgen - wahrscheinlich gerade gegen Teams außerhalb der Top 10. Die Ligue 1 hat ihre Kapazität extra von 20 auf 18 verringert, um ein höheres Niveau aufzuweisen.

Doch wo genau könnte Neymar am meisten bringen, falls er nicht doch noch beispielsweise zum FC Chelsea abwandert?

In den vergangenen Spielzeiten wurde Neymar teilweise als offensiver Mittelfeldspieler eingesetzt - aber auch als Mittelstürmer und auf seiner angestammten Position als Linksaußen. Dort lief er auch bei der ersten, unglaublich erfolgreichen Zusammenarbeit mit Enrique beim FC Barcelona auf.

Barça verließ der Brasilianer einst, um in Paris der einzige Weltstar zu sein. Dazu könnte er nach einem möglichen Abflug Mbappés nun endlich wieder die Chance bekommen. Enrique sollte wissen, was es braucht, um das möglich zu machen. Denn Neymar wird in der kommenden Saison wohl wieder DER Star der Mannschaft sein - und auch fußballerisch das mit Abstand größte Potenzial besitzen. Enrique muss das endlich wieder aus ihm herauskitzeln, so wie es ihm einst bei Barça gelang.

PSG, Fans
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Luis Enrique muss die PSG-Fans wieder ins Boot holen

Die Ultras von PSG sind nicht gerade für ihre Zurückhaltung bekannt. Sie haben wiederholt Petitionen an die Eigentümer gerichtet. Im vergangenen Jahr kam es zu einer offenen Revolte gegen Spieler und Trainer, am Ende pfiffen die Fans sogar Weltmeister Messi aus - eine Aktion, die in der Fußballwelt auf viel Kritik stieß.

Sie wollen am liebsten einen französischen Trainer, der die Identität des Vereins kennt und keinen Christophe Galtier, der aus Marseille stammt und den entsprechenden Akzent spricht.

Der Wunschtrainer der Fans sollte dann dafür sorgen, dass die besten Spieler aus der talentreichen Gegend rund um die französische Hauptstadt, der Île-de-France, das PSG-Trikot tragen und nicht ständig abwandern.

Auch Enrique selbst wird wohl vor allem von der Leistung seiner Mannschaft abhängig sein, gerade in der Champions League. Die Ligue 1 kennt er bisher jedenfalls noch nicht - und sie hat einige Überraschungen zu bieten. Von hitzigen Auswärtsfahrten nach Lens und Marseille über konkurrenzfähige wie aufstrebende Teams auf Europa-League-Niveau wie Monaco, Rennes, Lyon und Lille, sowie Überraschungsteams wie Toulouse und Reims.

Konfliktpotenzial bietet außerdem der Wechsel des Ex-Bayern Lucas Hernández. Denn der gebürtige Marseillais hatte sich bis vor einem Monat über Jahre hinweg immer wieder zu OM bekannt, das in Paris bekanntlich verhasst ist. Auch das muss Enrique nun managen.

Marco Verratti
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Luis Enrique muss das PSG-Mittelfeld neu strukturieren

Die Zusammensetzung des Mittelfelds von PSG ergibt nicht gerade viel Sinn. Die Pariser haben eine Reihe interessanter Optionen, aber mit Marco Verratti nur einen erfahrenen, hochkarätigen Spieler. Mit der Verpflichtung des vielversprechenden Manuel Ugarte (für 60 Millionen Euro von Sporting Lissabon) und des kreativen Lee Kang-in (für 22 Millionen Euro von Mallorca) hat man sich zwar verstärkt, doch passen sie auch zum Enrique-Spielstil?

Der einstige Triple-Gewinner muss das Gleichgewicht finden. Ugarte und Verratti scheinen sichere Stammspieler zu sein. Aber die Entscheidung für einen dritten oder vierten Spieler im Mittelfeld wird knifflig. Immerhin stehen dem Spanier mit Fabian Ruiz und Carlos Soler einige Landsmänner zur Verfügung.

Vor wenigen Monaten hatte Enrique noch Gavi, Pedri, Thiago und Rodri im Kader. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass er die PSG-Mittelfeldspieler auf ein ähnliches Niveau hebt. Immerhin: In den vergangenen Jahren war es in Paris noch schlechter um das Mittelfeld bestellt.

Luis Enrique
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Luis Enrique muss die Talente endlich besser einbinden

Der Aufstieg von Warren Zaire-Emery war einer der wenigen Lichtblicke in der enttäuschenden Saison 2022/23 der Pariser, ohne Pokal- und Champions-League-Sieg. Der 17-Jährige kam in der Ligue 1 auf 26 Einsätze und war über weite Strecken der beste Mittelfeldspieler der Mannschaft.

Der Franzose ist nicht der einzige vielversprechende Youngster, der Enrique zur Verfügung steht. Innenverteidiger El-Chadaille Bitshiabu hat ein immenses Potenzial. Auch der Franco-Spanier Ismaël Gharbi könnte wie Hugo Ekitike in der kommenden Spielzeit seinen Durchbruch schaffen.

Enrique und die PSG-Führungsetage müssen unbedingt verhindern, dass Jugendspieler den Verein ablösefrei oder für wenig Geld verlassen und dann bei anderen Vereinen aufblühen. Paris braucht endlich wieder mehr Identifikation.

Eine bessere Stadt mit mehr Talenten gibt es zudem wohl ohnehin nicht. Keiner der oben genannten Spieler sollte sich in die Liste namhafter Abgänge eintragen: Christopher Nkunku, Kingsley Coman, Adrien Rabiot und Moussa Diaby.

Luis Enrique, Luis Campos
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Luis Enrique darf keine Differenzen mit Luis Campos entwickeln

Sportdirektor Luis Campos hatte beim OSC Lille sehr erfolgreich mit Trainer Christophe Galtier zusammengearbeitet - in Paris fanden sie jedoch nie zueinander. Als Letzterer vor kurzem entlassen wurde, erwartete die Öffentlichkeit auch den Rausschmiss von Campos. Doch der durfte überraschend bleiben.

Das größte Problem der vergangenen Saison war wohl, dass Galtier mit drei Innenverteidigern spielen wollte, Campos ihm dafür aber nur drei Spieler von Top-Niveau zur Verfügung stellte. Einer von ihnen, Presnel Kimpembe, fehlte dann auch noch einen Großteil der Saison. So konnte Galtier nur auf Sergio Ramos und Marquinhos setzen.

Campos kann bekanntermaßen ein schwieriger Charakter sein, was er gegen Ende von Galtiers Amtszeit unter Beweis stellte. Der 58-Jährige redete seinen Trainer wiederholt in der Presse schlecht und soll in der Halbzeitpause einer peinlichen Niederlage gegen Monaco (0:3) im März in die Umkleidekabine gestürmt sein, um die Mannschaft zu beschimpfen. Schon im Februar gegen Lille (4:3) war er zwischenzeitlich völlig wild ausgerastet.

Campos und Enrique müssen unbedingt auf einer Wellenlänge liegen - auch in Sachen Transfers. Mit den Verpflichtungen der gestandenen Innenverteidiger Milan Škriniar und Lucas Hernández ist ein wichtiger erster Schritt bereits getan.

Marco Asensio
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Luis Enrique muss PSGs Neuverpflichtungen gut einbinden

Und was ist mit den Spielern, die bereits von Campos verpflichtet wurden? Gerade über Marco Asensio (ablösefrei von Real Madrid gekommen) dürfte sich Enrique freuen. Vielleicht hat der Trainer sogar für die Entscheidung des Flügelstürmers, nach Paris zu kommen, gesorgt.

Entscheidend wird auch das neue Innenverteidiger-Duo aus Škriniar und Hernández werden, die sich neben Marquinhos einreihen dürften. Eine fast gänzlich neu formierte Abwehr bietet sich Enrique also dar. Für die Defensive kommt außerdem Ugarte neu hinzu. Hier muss er schnell für Automatismen sorgen.

Gerade wenn Mbappé geht, müssen jedoch weitere Spieler kommen: Einer der Kandidaten ist João Félix, der Atletico Madrid noch in diesem Sommer verlassen soll. Enrique muss nun selbst entscheiden dürfen, welche verbleibenden Puzzlestücke er sich wünscht.

PSGs mögliche Stammelf in der Saison 2023/24:

  • 4-3-3: Donnarumma - Mendes, Hernández/Škriniar, Marquinhos - Ugarte, Vitinha/Ruiz/Soler, Verratti - Neymar, Ekitiké/Neuverpflichtung, Asensio
  • 3-5-2: Donnarumma - Hernández, Škriniar, Marquinhos - Mendes, Ugarte, Vitinha/Ruiz/Soler, Verratti - Neymar, Asensio/Neuverpflichtung
Kylian Mbappé
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Luis Enrique muss Kylian Mbappé loswerden und ihn ersetzen

Am 6. Juli sagte PSG-Präsident Nasser al-Khelaïfi über Mbappé: "Wenn er nicht in der nächsten Woche, den nächsten zehn Tagen oder maximal zwei Wochen (eine Verlängerung) unterschreibt, ist die Tür offen. (...) Wir wollen den aktuell besten Spieler der Welt nicht ablösefrei gehen lassen."

Alles riecht danach, dass Real Madrid den Franzosen in den kommenden Tagen ein erstes offizielles Angebot für den Weltmeister unterbreiten wird. Ob sich PSG mit der Höhe zufrieden zeigt? Letztlich steht jedoch wohl schon fest, dass Mbappé in diesem Sommer zu den Blancos gehen wird.

Enrique sollte diesen Wechsel vorantreiben und gar nicht erst mit Mbappé planen. Denn all das Chaos, das der 24-Jährige mit seinem Wechsel-Zirkus in den letzten Jahren in den Verein gebracht hat, ist nur schädlich - PSG muss sich endlich davon befreien. Selbst wenn sich Mbappé doch noch überraschenderweise für eine Verlängerung entscheiden sollte, wäre es am besten, wenn der Spanier ihn vom Gegenteil überzeugt. PSGs Zukunft wird eine ohne Mbappé sein und darauf sollten sich alle Beteiligten schon frühzeitig einstellen.

Enrique darf dann sicher mitentscheiden, wer der Nachfolger des Franzosen werden soll: Etwa João Félix, Randal Kolo Muani oder Dusan Vlahovic? Oder doch eine der Überraschungen namens Jonathan David, Gonçalo Ramos, Rasmus Højlund oder Folarin Balogun?

Aus dem Rennen scheinen derweil Harry Kane (könnte sich bald dem FC Bayern anschließen) und Victor Osimhen, der in Neapel verlängerte und früher oder später in die Premier League wechseln möchte.

Ohne Mbappé könnte PSG endlich eine Mannschaft aufbauen, die ihren Kopf zu 100 Prozent in Paris hat. Das ist einer der vielen Schlüssel zu Enriques Erfolg in der französischen Hauptstadt.

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