Xabi Alonso, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann und sogar Hansi Flick könnten betroffen sein: Jürgen Klopps baldiger Abschied beim FC Liverpool aus drei Perspektiven

Von Justin Kraft
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Jürgen Klopp hört am Ende der Saison beim FC Liverpool auf. Damit löst der Trainer ein echtes Beben im Weltfußball aus. Wie geht es weiter mit ihm? Der Abschied aus drei Perspektiven.

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Es ist eine Nachricht, die im gesamten Weltfußball für große Überraschung gesorgt hat: Jürgen Klopp wird sein Amt als Trainer des FC Liverpool zum Saisonende niederlegen. Das teilte er in einer Videobotschaft an die Fans mit.

"Mir geht die Energie aus", erklärte der 56-Jährige. Im Moment sei noch alles okay, doch er spüre, dass er das nicht mehr lange durchhalten würde: "Ich bin immer noch ein gepflegter Sportwagen, nicht der beste, aber ein guter. Ich kann immer noch 160, 170, 180 Meilen pro Stunde fahren - aber ich bin der Einzige, der sieht, wie die Tanknadel abstürzt."

Sieben Jahre FSV Mainz 05, sieben Jahre BVB und nun bald neun Jahre FC Liverpool - Klopp blickt schon jetzt auf eine große Karriere zurück. Jetzt bringt er ordentlich Wind in den Weltfußball. Über die Folgen und die Möglichkeiten. Seine Entscheidung aus drei Perspektiven.

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Jürgen Klopp: Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht

Für Jürgen Klopp selbst hätte es keinen besseren Zeitpunkt für diese Entscheidung geben können. In erster Linie natürlich aus gesundheitlichen Gründen. Der ehemalige BVB-Coach malte das Bild seiner Erschöpfung mit kräftigen Metaphern. Wenn er also sagt, dass seine Ressourcen "nicht endlos" wären, dann ist ihm das zu glauben.

Diese Entscheidung zu treffen, bevor er gänzlich ausgebrannt ist, zeigt die ganze Stärke Klopps. Sekundär kann der Zeitpunkt seines Abschieds aber auch sportlich beflügelnd wirken. Klopp selbst hat mit Liverpool fast alles erreicht, was zu erreichen war. Besonders interessant: Anders als in Dortmund ist diesmal keine sportliche Krise für den Abgang entscheidend. Sein Ende wirkt noch selbstbestimmter und vor allem perfekter.

Aktuell führen die Reds die Premier League an. Ähnlich wie bei Jupp Heynckes und dem FC Bayern 2013, oder wie bei ihm selbst und Borussia Dortmund 2015 kann es passieren, dass die Spieler auf dem Platz die letzten Prozentpunkte finden, um noch ein letztes Mal für ihren Coach über sich hinauszuwachsen.

Ein Titel zum Abschied würde der Ära, die Klopp in England geprägt hat, den letzten Feinschliff geben. Wenngleich er diesen für seinen eigenen Status nicht mehr braucht. In Liverpool wird Klopp als einer der Größten der langen und traditionsreichen Klubgeschichte eingehen. Als er das Amt am 8. Oktober 2015 übernahm, stand Liverpool auf dem zehnten Platz in der Premier League. Die glorreichen Zeiten, sie waren lange vorbei.

Dementsprechend lang war auch der Weg für ihn. Doch Klopp führte die Reds aus dem Niemandsland zurück an die Spitze Europas, als er 2019 die Champions League gewann, Klub-Weltmeister wurde und den Supercup holte. Ein Jahr später folgte der Premier-League-Titel.

"Es ist nicht wichtig, was die Leute über dich denken, wenn du kommst", sagte Klopp einst: "Es ist wichtig, was sie von dir denken, wenn du gehst." In Liverpool, da gibt es keine zwei Meinungen, wird man ihn auf das höchste Podest hieven, das gefunden wird.

Jürgen Klopp: Stationen als Trainer

DauerVerein
2001 - 2008FSV Mainz 05
2008 - 2015Borussia Dortmund
2015 - 2024FC Liverpool
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DFB: Der ewige Flirt mit Jürgen Klopp

Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, welcher Name recht früh auf dem Handy von Klopp aufgetaucht sein dürfte: Hans-Joachim Watzke hat eine besonders enge Bindung zu seinem Ex-Trainer. "Ich habe ganz hohen Respekt vor dieser Entscheidung", erklärte dieser dem SID: "Das zeigt einmal mehr, dass Jürgen außergewöhnlich ist."

Viele Sekunden sind nicht vergangen, als kurz nach dem Bekanntwerden der Entscheidung schon spekuliert wurde, wie es für Klopp weitergehen könnte. Eine Option: Bundestrainer nach der Europameisterschaft 2024. Flirts mit dem DFB gab es immer wieder. "Der Nationaltrainer-Job ist und wäre eine große Ehre - das steht völlig außer Frage", sagte der gebürtige Stuttgarter im Oktober vergangenen Jahres auf einer Podiumsdiskussion: "Das Problem, das dem Ganzen entgegensteht, ist meine Loyalität (zum FC Liverpool, Anm. d. Red.)." Ein Problem, das es im Sommer nicht mehr gibt.

Dafür gibt es ein anderes: Direkt in den nächsten Job zu rutschen, kommt für ihn offenbar nicht in Frage. Er wolle mindestens ein Jahr keine Mannschaft übernehmen, erklärte er am Freitag. Dabei deutete er sogar ein Karriereende an: "Wenn man mich fragt, ob ich jemals wieder als Trainer arbeiten werde, würde ich jetzt Nein sagen. Aber ich weiß ja nicht, wie sich das anfühlt."

Und das ist der Knackpunkt. Eine Vorhersage zu treffen, ist für Klopp ebenso schwer wie für Außenstehende. Mit der Veröffentlichung seiner Entscheidung dürfte viel Last von ihm abgefallen sein. Was, wenn der deutsche Fußball im Herbst 2024 nach einer enttäuschenden Europameisterschaft am Boden liegt und der DFB um ihn wirbt? Kann er dann widerstehen? Zumal der Job als Nationaltrainer deutlich weniger intensiv ist als jener bei einem Verein.

Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit, dass Julian Nagelsmann seine bis zum Sommer datierte Arbeitszeit beim Verband verlängert, sollte er erfolgreich sein. Dass man in Klopp aber den einzigen Trainer sieht, der auf allen Ebenen das Potenzial mitbringt, ein gespaltenes Fußball-Deutschland wieder hinter sich zu vereinen, ist kein großes Geheimnis. Das Thema wird trotz der vorläufigen Absage Klopps spannend bleiben.

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Der Fußball in Europa: Jürgen Klopp bringt einiges durcheinander

Die Spannung betrifft aber nicht nur den DFB. Denn selbst wenn Klopp nicht auf absehbare Zeit Bundestrainer wird, gibt es Entwicklungen, die dadurch eine neue Dynamik annehmen. Da wäre beispielsweise die Situation von Xabi Alonso bei Bayer 04 Leverkusen.

"Ich habe keine direkte Antwort", erklärte der Trainer auf der Pressekonferenz am Freitag auf die Frage, ob er beim FC Liverpool landen würde. Er betonte ebenfalls standesgemäß, dass er sich in Leverkusen wohlfühle. Sein ehemaliger Teamkollege Jerzy Dudek schrieb indes auf Instagram: "Xabi Alonso ist die beste Lösung für diese Situation."

Im Umfeld des FC Liverpool wird dieses Thema nun immer mehr Fahrt aufnehmen. In der Vergangenheit wurde mehrfach berichtet, dass Alonso eine Ausstiegsklausel für seine drei Ex-Klubs Real Madrid, Bayern und Liverpool habe. Die Königlichen sind mit der Verlängerung von Carlo Ancelotti raus. Dafür wurden die Münchner häufig mit ihrem Ex-Spieler in Verbindung gebracht.

Wie sicher der Job von Thomas Tuchel an der Säbener Straße ist, ist derzeit kaum abzuschätzen. Gefühlt sitzt der 50-Jährige aber auf einem Pulverfass. Alonso schien die logische Variante zu sein, sollte Tuchel tatsächlich nicht mehr Bayern-Trainer sein. Mit dem vakanten Posten beim FC Liverpool müssen die Bayern nun eine schnelle Entscheidung treffen.

Wenn es tatsächlich Zweifel am aktuellen Übungsleiter gibt, müsste man mit dem Werben um Alonso zeitnah beginnen. So unsauber dieses Verhalten gegenüber Tuchel auch wäre. Andernfalls droht man das Tauziehen mit Liverpool zu verlieren. Für Alonso wiederum könnte auch der geringere Druck bei den Reds ausschlaggebend sein. Der Schritt auf die Insel wäre für ihn etwas kleiner als nach München.

Das zeigt allein der Umgang mit Klopp, als er in eine Krise rutschte. Während man bei den Bayern bereits eine Trainerdiskussion erlebt, obwohl Tuchel punktemäßig eine der besten Bundesliga-Hinrunden der Geschichte gespielt hat. Und dann gibt es da abseits der Bayern und Liverpool auch noch die Frage, was Nagelsmann eigentlich macht.

Sollte er nicht über die Europameisterschaft hinaus Bundestrainer bleiben, würde auch er wieder auf den Markt kommen - beispielsweise als weitere Alternative für den FC Liverpool. So könnte man das Trainerkarussell nach Belieben vergrößern. Schließlich ist mit Hansi Flick noch ein weiterer Trainer ohne Job, der vor seiner Zeit als Bundestrainer immerhin das Sextuple mit den Bayern gewann.

All das führt etwas weg vom Abschied von Jürgen Klopp. Doch es ist Teil seines Vermächtnisses, dass eine Entscheidung wie diese mehr verrückt als nur den Trainerstuhl beim FC Liverpool. Die Folgen sind noch nicht absehbar. Eines ist aber klar: Es wird sich vieles verändern.

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