FC Bayern München: Thomas Tuchels Schlüssel zur Kontrolle in Köln! Ist Alphonso Davies jetzt hinten dran?

Von Justin Kraft
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Der FC Bayern München gewinnt in der Bundesliga mit 1:0 in Köln. Unspektakulär? Für den Rekordmeister wohl kaum. Denn drei Erkenntnisse zeigen, warum dieser Sieg für den FCB sehr wichtig war.

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Eigentlich hätte der FC Bayern München schon früh in der ersten Halbzeit alles klar machen können. Doch das 2:0 wollte dem Rekordmeister nicht gelingen.

"Leute schauen jetzt vielleicht auf das Ergebnis und erwarten mehr", sagte Harry Kane nach dem Spiel bei DAZN, doch seine Teamkollegen hätten es "fantastisch" gemacht.

In der Tat ließen die Bayern trotz der schwachen Chancenverwertung nur wenig anbrennen. Und das hatte verschiedene Gründe. Drei Erkenntnisse, die die Münchner aus Köln mit nach Hause nehmen.

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FC Bayern München: Weniger gezockt! Stabilität auf den Außenbahnen

Dass Alphonso Davies nicht spielte, hatte vor allem gesundheitliche Gründe. Der Kanadier hatte, so Tuchel, mit muskulären Problemen zu kämpfen. Man wolle nichts riskieren. Ein Satz, der gleich in mehrere Richtungen gültig ist. So groß die Qualität des Linksverteidigers auch ist, wenn er mit seinen Dribblings mehrere Pressinglinien knackt, so groß war das Risiko zuletzt auch, wenn er die Bälle verlor.

In Topform war der 23-Jährige in dieser Saison bisher noch nicht. Gegen den 1. FC Köln durften sich nun Konrad Laimer und Noussair Mazraoui als defensive Flügelzange beweisen - und beide machten ihren Job mindestens gut.

Mazraoui gewann laut dem Datenanbieter Opta vier seiner insgesamt sechs Zweikämpfe und hatte insgesamt 129 Ballkontakte. Von seinen 100 Pässen brachte er 89 an einen Mitspieler. Sein Spiel war auf der linken Seite unspektakulär, aber ballsicher. Der Marokkaner unterstützte offensiv Leroy Sané und arbeitete defensiv sehr souverän.

Auf der anderen Seite gewann Laimer fünf seiner sieben Zweikämpfe. Auch am Österreicher war kein Vorbeikommen für die Kölner. Drei Bälle fing er ab - seinen wichtigsten vor dem 1:0, das er mit der Balleroberung einleitete. Auch der gelernte Mittelfeldspieler hatte viele Ballkontakte (104) und machte kaum Fehler (88 Prozent Passquote).

Bayerns Spiel profitierte von einer Sicherheit auf den defensiven Außenbahnen, die zuletzt häufig nicht gegeben war. Auch deshalb war es möglich, derart dominant aufzutreten. Was das im Umkehrschluss für Davies bedeutet, muss Tuchel in den kommenden Tagen entscheiden.

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FC Bayern München: Kölns Pressing lief ins Leere – auch dank Neuer!

Die Bayern und hohes Pressing des Gegners - wie problematisch das für die Tuchel-Elf sein kann, zeigte unter anderem das Auswärtsspiel bei Galatasaray in der Champions League. Köln lief in der ersten Halbzeit ebenfalls hoch an, eroberte aber kaum Bälle und kam so gut wie gar nicht gefährlich vor das Tor von Manuel Neuer.

89 Prozent aller bayerischen Zuspiele fanden einen Mitspieler, das Team von Steffen Baumgart fing nur elf Bälle ab. Nach dem Spiel erklärte der FC-Coach, dass er die Anfangsphase auf seine Kappe nehme, weil er sein Team zu hoch habe anlaufen lassen. Zumindest an diesem Tag war so gegen die Bayern nichts zu holen.

Einerseits erwischte Joshua Kimmich neben den starken Außenverteidigern einen sehr guten Tag, andererseits zeigte auch Leon Goretzka eine gute Leistung. Der Nationalspieler sammelte 90 Ballkontakte, lief sich immer wieder gut frei und war deutlich aktiver als häufig in der Vergangenheit.

Der vielleicht wichtigste Faktor und der größte Unterschied zu anderen Partien in dieser Saison ist aber Manuel Neuer. Auch er sammelte 48 Ballkontakte und unter seinen 31 Kurzpässen fand sich kein Fehlpass. Selbst vier seiner acht langen Schläge kamen an. In der Anfangsphase war seine Ruhe am Ball enorm wichtig für die Bayern.

Mehrfach hebelte der Torhüter das gegnerische Pressing aus. Es ehrt Baumgart, dass er die wilde Anfangsphase auf seine Kappe nimmt. Doch vor einigen Wochen hätte er damit vielleicht mehr Erfolg gehabt. Neuers Einfluss auf den Spielaufbau ist bemerkenswert groß. Über weite Strecken erinnerte der Auftritt des gesamten Teams in Köln an die Dominanz alter Tage.

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FC Bayern München: Flexibilität und Ruhe im Spiel nach vorn

Für Tuchel muss es ein Genuss gewesen sein, die zweite Halbzeit anzuschauen. Während viele Fans vermutlich ungeduldig auf das 2:0 gewartet haben und es im einen oder anderen Wohnzimmer womöglich Kritik daran gab, dass Bayern nicht klarer auf das nächste Tor spielte, machten die Bayern genau das, was der Trainer sehen will.

"Wir mussten kontrolliert bleiben und Spielkontrolle nicht mit Langsamkeit verwechseln", sagte Tuchel über die zweite Hälfte: "Wir waren sehr flüssig im Aufbauspiel, sehr variabel und trotzdem immer sehr diszipliniert auf unseren Positionen, es war kein Harakiri dabei und deshalb war es sehr, sehr gut." Kein Harakiri, viel Disziplin - Schlüsselworte in der Philosophie des Bayern-Trainers.

In den vergangenen Jahren hätten die Bayern dieses Spiel vermutlich entweder mit vielen Toren und mindestens einem Gegentor gewonnen - oder sie wären für die Chancenverwertung im ersten Durchgang bestraft worden, weil sie ins offene Messer laufen. In Köln blieben sie geduldig, gleichzeitig aber konzentriert. Nie mehr Risiko als nötig.

Es gab jüngst Kritik daran, dass sich die Bayern unter Tuchel nicht weiterentwickelt hätten. Unter anderem dieses Spiel ist der Gegenbeweis. Auch weil man offensiv mehr als nur einen Plan hatte. Schon im Vorfeld kündigte Tuchel an, dass er Eric Maxim Choupo-Moting aufgestellt habe, weil er den einen oder anderen langen Ball erwarte. So kam es auch.

Bayern spielte nicht nur flach und ansehnlich hinten heraus, sondern war sich auch nicht zu schade, die sich öffnenden Räume vorne mit langen Schlägen zu bespielen. Allein aus diesen Situationen hätten zwei oder drei Tore mehr fallen können. Hinzu kommt, dass das Tor von Kane bereits das achte Kontertor der Bayern war.

Kontern mit fast 70 Prozent Ballbesitz? Unter Tuchel eine Waffe - und deshalb möglich, weil nicht in jeder Situation hoch gepresst wird, sondern der Gegner auch mal gelockt wird. "Der Glaube wächst", erklärte der Trainer mit einem Lächeln im Gesicht, warum es plötzlich besser läuft. So plötzlich, das ist Teil der ganzen Geschichte, kommt das nicht. Die Ansätze waren immer da.

"Das Dortmund-Spiel war schon ein kleines Schlüsselspiel, dass wir dort so dominant spielen konnten wie heute hier", so Tuchel weiter. Es scheint, als wäre er in München angekommen. Viele werden am Samstagmorgen das Ergebnis sehen und schlussfolgern, dass das wenig spektakulär ist. Doch Kane hat es in seiner Analyse auf den Punkt getroffen: Es war ein sehr wichtiger Sieg. Einer, der den Bayern viel Selbstvertrauen geben dürfte.

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