"Mit mir nicht, Freundchen"

Die EM 2016 steigt in Breslau, Kattowitz, Warschau und Danzig
© getty

Vom Taxifahrer ausgetrickst blättert der SPOX-Redakteur ein paar Zloty zu viel hin. Auf der Pressetribüne ist Genickstarre garantiert - Charme hat eben seinen Preis. Und: Die Polen organisieren prächtig.

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Vom Taxifahrer ausgetrickst

Es ist immer wieder dasselbe Spielchen. In allen Ländern, die im Vergleich zu Deutschland recht günstig sind, gibt es Taxifahrer, die an Flughäfen oder Bahnhöfen versuchen, ankommende Touristen aufs Kreuz zu legen. Sie nennen vor Fahrtantritt einen Fixpreis, der sich verlockend anhört. Der Touri schlägt zu, obwohl es eigentlich zu teuer ist.

"Mit mir nicht, Freundchen", denke ich mir deshalb bei meiner Ankunft in Breslau, als der Fahrer zum Hotel einen Preis von 20 Zloty (cirka 4,50 Euro) festlegen will. Ich bestehe darauf, das Taxameter einzuschalten, der Fahrer stimmt widerwillig zu.

Ich setze mich auf die Rückbank und glotze mir ein Loch in den Bauch, so wie immer, wenn ich in einem Land bin, das ich vorher noch nie bereist habe. Der Weg führt uns vorbei an heruntergekommenen Gebäuden und wunderschönen historischen Bauten gleichermaßen. Nach einiger Zeit haben wir meine Unterkunft erreicht.

Der Taxifahrer, bei der Abfahrt noch grimmig dreinschauend, strahlt plötzlich wie ein Honigkuchenpferd nach hinten und zeigt gleichzeitig auf das Taxamater. "Das macht dann 25 Zloty", sagt er. Ich schüttle den Kopf, muss gleichzeitig grinsen, bezahle und steige aus.

Was der Taxifahrer in diesem Moment denkt, ist mir klar: "Mit mir nicht, Freundchen."

Ein Hoch auf die Genickstarre

Wer wie ich über 1,90 Meter groß ist und ein komplettes Handballspiel in der Jahrhunderthalle von Breslau auf seinem Holzplatz auf der Pressetribüne verfolgt, läuft danach nicht mehr rund. Die ohnehin schon arg eingeschränkte Beinfreiheit wird durch den uralten Klapptisch, der erst einmal mit einer Schraube auf gewünschter Höhe festgezogen werden muss, noch einmal dezimiert.

Man fühlt sich wie ein Erwachsener, der in einen Kindersitz gezwängt wurde, und nun am Esstisch leidet. So hackt man auf der Tastatur seines Laptops herum, der in vielen Fällen ohnehin nur gerade so auf den wackligen Tisch passt.

Der Rücken permanent zu einem Buckel gekrümmt, der Kopf ohne Ausnahme nach unten gebeugt, weil der Laptop direkt vor einem, quasi direkt am Bauch ansetzt. Das gilt übrigens auch für Menschen ohne Plauze! Es ist eine einzige Qual. "Nicht härter als für einen Kreisläufer gegen eine auf ihn einprügelnde Abwehr", sagt ein Kollege.

Das Ergebnis: Nacken und Rücken schmerzen noch nach Stunden fürchterlich. So richtig entspannt fühlt es sich erst wieder am nächsten Tag an. Aber was soll das Gejammer?

Ganz im Gegensatz zu den meisten modernen Arenen hat die vor 102 Jahren in Betrieb genommene Hala Stulecia, die mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, nämlich Charakter und Seele. "Das Teil hat echt was", sagt jeder, der erstmals seinen Blick von der Tribüne auf das Spielfeld und dann hinauf zu der riesigen Kuppel schweifen lässt.

Für den unglaublichen Charme, den der Monumentalbau ausstrahlt, nimmt man einiges in Kauf. Ein Hoch auf die Genickstarre.

Die Polen halten Wort

"Es wird die am besten organisierteste EM aller Zeiten", haben die Polen vor dem Turnierstart angekündigt. Eine gewagte Aussage, sind Spieler, Funktionäre und Journalisten von der grundsätzlich zwar völlig zurecht kritisierten, dafür aber herausragend organisierten WM in Katar doch ziemlich verwöhnt.

Nach den ersten Tagen kann man aber schon mal festhalten, dass die Polen auf einem sehr guten Weg sind. Mannschaften und Funktionäre loben die Organisatoren, uns Journalisten geht es wahrlich - lassen wir die bereits thematisierte Genickstarre einmal weg - auch nicht schlecht.

Mit dem Ausstellen der Akkreditierungen hat gleich zu Beginn alles reibungslos geklappt. Das offizielle Medienhotel ist abgesehen vom mitunter fürchterlich langsamen Internet top, im Foyer sitzt tagsüber immer jemand am eigens eingerichteten EHF-EURO-2016-Stand, der einem mit Rat und Tat zur Seite steht. Die Halle ist für alle Seiten in maximal 20 Minuten Fahrtzeit erreichbar, zum deutschen Mannschaftshotel sind es 15 Minuten Fußweg.

Was zwar nur bedingt organisiert werden kann, aber gerade nach den lahmen Erfahrungen aus Doha das allerwichtigste Kriterium für ein großes Turnier ist: Die Fans sind bislang zufrieden, erscheinen zahlreich zu den Spielen und sorgen für gute Stimmung.

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