"Flensburg Favorit auf den Titel"

Von Interview: Stefan Rommel
Johan Sjöstrand kämpft mit Kumpel Andreas Palicka um den Platz als Nachfolger von Thierry Omeyer
© getty

"Hey, ich bin Johan Sjöstrand und Handballtorhüter beim THW Kiel." Nachdem etwaige Verwechslungen ausgeräumt sind, geht es los. Die neue Hoffnung im Kieler Tor spricht bei SPOX über den Schatten des großen Omeyer, das besondere Verhältnis zu seinem Kontrahenten, sein Laster Pferdewetten und die Liebe zu Guns N' Roses.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Sjöstrand, Ihre erste Partie für den THW Kiel war gleich das auch das Derby gegen Flensburg. Der Intimfeind hat das Spiel um den Supercup klar gewonnen. Ein Fingerzeig für anstehende Saison?

Johan Sjöstrand: Trotz der Niederlage fand ich das Spiel geil. Ich wusste, was auf uns zukommt. Aber Flensburg war schon brutal stark, bei uns liefen dagegen noch einige Dinge nicht optimal. Flensburg ist definitiv ein Topfavorit auf den Titel in dieser Saison.

SPOX: Vielleicht auch deshalb, weil Kiel den Abgang von vier Star-Spielern nicht so schnell verkraften kann und sich als Mannschaft erst neu finden muss?

Sjöstrand: Vier Leute von diesem Kaliber zu verlieren, schmerzt jeder Mannschaft der Welt. Aber wir haben ja auch ein paar tolle Spieler dazubekommen. Jetzt müssen wir in den Details genauer werden. Ich fürchte aber, dass das noch eine Weile dauern wird. Wir benötigen noch Zeit.

SPOX: Wer ist der neue Leader innerhalb der Mannschaft, da Spieler wie Ahlm oder Narcisse nicht mehr da sind?

Sjöstrand: Filip Jicha ist ein Anführer, er ist ja auch nicht umsonst der Kapitän. Marko Vujin oder Dominik Klein können eine Mannschaft lenken.

SPOX: Für Sie ist die Zeit in Kiel Ihr zweites Engagement in Deutschland, nachdem Sie vor einigen Jahren schon in Flensburg gespielt haben. Was wollen Sie dieses Mal anders machen als damals?

Sjöstrand: Es ist ein Traum für mich, beim THW Kiel zu spielen. Ich will eigentlich gar nichts anders machen.

SPOX: Was nehmen Sie aus Ihren vorherigen Auslandsstationen in Barcelona und Alborg mit nach Kiel?

Sjöstrand: Natürlich jede Menge Erfahrung. Es waren schöne Zeiten und ich habe mich immer wohlgefühlt. Und vergleichen kann man die Vereine auch nicht. Allein Barcelona ist so ein großer Klub mit vielen Unterabteilungen. Fußball und auch Basketball stehen dabei deutlich vor dem Handball. Das ist fast eine Randerscheinung. In Kiel gibt es im Prinzip nur Handball. Aber wissen Sie was: Ich habe ein Problem.

SPOX: Welches?

Sjöstrand: Ich liebe Pferderennen. Das ist mein großes Hobby, damit verbringe ich drei oder vier Stunden pro Tag. Ich verfolge die Rennen aus Schweden live via Internet, ich wette auch ganz gerne mal auf eins der Pferde.

SPOX: Ein recht ungewöhnliches Hobby. Ebenso wie die Konstellation der Kieler Torleute. Ihr Landsmann Andreas Palicka ist einer Ihrer besten Kumpels - und im Job Ihr Konkurrent.

Sjöstrand: Ich mag das Wort "Konkurrent" in dem Zusammenhang überhaupt nicht. Palle ist seit zehn Jahren einer meiner besten Freunde, wir betrachten unsere Verbindung garantiert nicht als Rivalität. Ich gebe aber zu, dass das schon eine komische Situation für uns beide ist.

SPOX: Sie teilen sich im Hotel auch das Zimmer, haben gemeinsame Urlaube verbracht. Ist das Thema Handball in Ihrer Freizeit wenigstens dann tabu?

Sjöstrand: Mehr oder weniger. Manchmal schauen wir gemeinsam Videos von gegnerischen Schützen, aber das war es auch. Uns verbindet eine ähnliche Art von Humor.

SPOX: Aber er steht nicht auf Pferdewetten.

Sjöstrand: Ich sage es mal so: Er ist nicht der größte Fan. Komischerweise findet er es immer dann spannend und aufregend, wenn ich mal wieder etwas mit meinen Wetten gewonnen habe. Dann will er auf einmal auch voll dabei sein. Er liebt das Geld, aber er hasst die Pferde. (lacht)

SPOX: Ihr Vorgänger war Thierry Omeyer, der wohl beste Torhüter des letzten Jahrzehnts. Wie gehen Sie mit der Aufgabe um, ihn ersetzen zu müssen?

Sjöstrand: Darüber mache ich mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken. Er ist ein überragender Torhüter und war eine Institution in Kiel. Aber es für ihn war an der Zeit, etwas zu verändern. Auch ein Spieler wie er kann nicht für immer nur für einen Klub spielen. Und jetzt ergibt sich mit Andreas und mir eine ganz neue Konstellation.

SPOX: Sie begreifen sich eher als Team, wohingegen Omeyer eine Art Alleinunterhalter war?

Sjöstrand: So sehe ich das. Wir arbeiten viel mehr im Team und ich genieße das. Wir helfen uns vor, während und nach den Spielen, so gut es geht. Wir reden viel miteinander, diskutieren die Wurfauswahl des Gegners, unsere Technik. Von der Bank aus sieht man die Dinge manchmal ganz anders als im Spiel. Das hilft uns beiden enorm.

SPOX: Und Sie haben wirklich keinerlei Druck, den großen Omeyer vergessen machen zu müssen?

Sjöstrand: Natürlich spüre ich den Druck, der Omeyer-Nachfolger zu sein. Nur habe ich damit kein Problem.

SPOX: Sie sind großer Fan von Guns N' Roses und deren Ex-Gitarrist Slash.

Sjöstrand: Absolut. Ich habe mir den Typen auf den linken Oberarm tätowieren lassen. Aber ich höre auch andere Stilrichtungen, kommt ganz auf meinen Gemütszustand an oder was ich gerade so mache.

SPOX: Wie finden Sie die Slash-Soloalben?

Sjöstrand: Ganz okay... nein, ich finde sie nicht so gut. Es gibt nur Guns N' Roses und sonst nichts. Also GNR in ihrer Bestbesetzung, meine ich.

SPOX: Und Velvet Revolver oder Slash's Snakepit, seine Side Projects?

Sjöstrand: Ich kenne einige Songs, finde die aber auch eher mittelmäßig. Wie schon gesagt: Guns N' Roses ist auch heute noch der heiße Stoff.

SPOX: Wären Sie lieber Rockstar geworden als Handballtorhüter?

Sjöstrand: Oh, lieber nicht. Ich mag es, im Team zu arbeiten. Auf Tour mit einer Band mag das auch so ähnlich sein. Aber hey: ich bin mir sicher, nach nur einem Jahr wäre ich völlig zerstört.

Die Handball-Bundesliga in der Übersicht