Vive la France!

Von Florian Regelmann
Frankreich besiegte im WM-Finale 2009 Gastgeber Kroatien mit 24:19
© Getty

In genau einer Woche startet die Handball-EM in Österreich. Gemeinsam mit Stefan Kretzschmar sagt SPOX, wer um den Titel spielt. Ganz vorne dabei: Die Coolen, der Geheimtipp - und natürlich die Deutschen.

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1. Frankreich - Die Coolen

Die Spitze mag noch so eng zusammenliegen, die Wahl der Nummer eins fällt extrem leicht. Frankreich geht in Österreich als absoluter Topfavorit ins Rennen. Wenn die Mannschaft von Star-Coach Claude Onesta nicht den Titel holt, muss irgendwas Gravierendes falsch laufen. Denn wer den Kader der Equipe Tricolore durchgeht, kann noch so lange nach Schwächen oder Fragezeichen suchen, er wird keine finden.

Tor: Thierry Omeyer. Der Beste der Welt. Rückraum: Nikola Karabatic/Daniel Narcisse/Jerome Fernandez. Angsteinflößend. Außen: Luc Abalo und Michael Guigou. Schnell, trickreich, treffsicher. Und in der Abwehr steht immer noch Didier Dinart. Wenn jemand noch brutaler ist als Oliver Roggisch, dann Dinart. Was soll man zu diesem Team groß sagen? Sie können sich fast nur selbst schlagen. Vive la France!

Wichtigster Spieler: Nikola Karabatic

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Erfahrungsgemäß glaube ich, dass die Franzosen die beste Mannschaft stellen werden. Individuell sind sie auf jeden Fall die Besten. Sie haben im Prinzip keine Schwächen. Gut, es fehlt ein Linkshänder, so dass sie schon häufig mit drei Rechtshändern im Rückraum spielen mussten, aber wenn du Karabatic, Narcisse und Fernandez im Rückraum hast, ist das wirklich ein Luxusproblem. Ich mag die Franzosen. Als ich Mitte der 90er in die Nationalmannschaft kam, waren Volle, Richardson und Stoecklin meine Helden. Das waren ausgesprochen coole Typen, die trotz des Sports nicht aufgehört haben zu leben. Als die dann Weltmeister wurden, war es für mich die Bestätigung, dass es auch anders geht. Dass man auch Erfolg haben und nebenher mal feiern kann. Die Franzosen waren meine Vorbilder."

2. Deutschland - Der "Gastgeber"

Der Weg ins Halbfinale ist aufgrund der schweren Gruppenkonstellation vielleicht schwerer, als er es jemals war, aber niemand sollte auf Heiner Brand hören, wenn er sein Team klein redet. Deutschland ist kein Außenseiter. Deutschland ist ein Titelfavorit. Es gibt keine einzige Schwachstelle im Team. Überall ist man doppelt gut besetzt.

Johannes Bitter - oder auch Silvio Heinevetter - müssen sich vor keinem anderen Torwart der Welt verstecken. Und im linken Rückraum steht Kanonier Lars Kaufmann vor seinem internationalen Durchbruch bei einem großen Turnier. Der Göppinger wird Pascal Hens gut vertreten. Dass die Abwehr um Oliver Roggisch stabil stehen wird, scheint klar. Wenn Mimi Kraus dann noch sein Potenzial abrufen und das Team als Mittelmann führen kann, ist eine Medaille das mindeste der Gefühle.

Wichtigster Spieler: Michael Kraus

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Es ist klar, dass Heiner Brand tiefstapelt und nicht so dick aufträgt, aber Deutschland gehört trotz der Ausfälle von Hens und Preiß zu den Titelfavoriten. Es ist auf jeden Fall möglich, ins Finale zu kommen. Entscheidend wird sein, dass Bitter und Heinevetter ins Spiel finden, aber da mache ich mir überhaupt keine Gedanken. In der Abwehr müssen wir ein Bollwerk hinstellen, aber da mache ich mir wegen Oli Roggisch auch keine Gedanken. Und im Angriff gilt es eben, Hens und seine unglaubliche Dynamik zu ersetzen. Kaufmann ist ein ganz anderer Spielertyp, deshalb wird der Bundestrainer das System umstellen müssen. Er kann nicht mit großen Wechseln und großen Bewegungen spielen, sondern mehr in kleinen Gruppen. Aber auch da mache ich mir keine Gedanken. Ich glaube, dass Glandorf ein sehr gutes Turnier spielen wird, er wird viel Verantwortung übernehmen müssen. Als Überraschungsmann könnte Flohr oder Theuerkauf groß rauskommen. Es wird für uns wie eine Heim-EM, der Motivationsfaktor wird sehr hoch sein - im Gegensatz zu Peking zum Beispiel, wo man vor leeren Rängen gespielt hat. Ein Finale zwischen Frankreich und Deutschland in Wien, das wäre ein Traum."

3. Schweden - Der Geheimtipp

2002 gewann die goldene Generation der Tre Kronor um Magnus Wislander zum letzten Mal einen großen Titel. Im Finale setzten sich die Schweden vor heimischer Kulisse in einem dramatischen Spiel in der Verlängerung gegen Deutschland durch. Seitdem war tote Hose. Erst seit zwei Jahren ist mit einem fünften Platz bei der letzten EM und einem siebten Rang bei der letzten WM ein Aufwärtstrend zu erkennen.

Schweden hat wieder ein Team, das bereit dafür ist, um Edelmetall zu kämpfen. Das Trainerduo Ola Lindgren/Staffan Olsson hat eine extrem kampfstarke und talentierte Truppe zusammen. Prunkstück ist sowohl die Torwartposition (Beutler/Sandström) als auch die Besetzung im rechten Rückraum. Während andere Top-Nationen hier auf Rechtshänder setzen müssen, stehen Schweden Kim Andersson und Oscar Carlen zur Verfügung. Besser geht es nicht. Zudem sollte man ein besonderes Augenmerk auf den kleinen Spielmacher Dalibor Doder richten.

Wichtigster Spieler: Kim Andersson

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Mein Geheimtipp. Die Schweden haben ihre alten Spieler alle in die Verbands- und Trainerarbeit eingebunden, das zahlt sich jetzt aus. Thomas Svensson macht ein hervorragendes Torhüter-Training, Schweden hat ganz starke Keeper. Mit Kim Andersson haben sie den besten Linkshänder auf diesem Planeten und in der Abwehr stehen sie sehr stabil. Da können sie schon wieder an alte Zeiten anknüpfen, im Angriff sind sie dagegen noch ein bisschen limitiert, aber auch da haben sie super Jungs, wie Andersson oder auch Jonas Källman. Ein Team, das über sich hinauswachsen und um den Titel mitspielen kann."

4. Dänemark - Der Titelverteidiger

Die Dänen werden tendenziell immer etwas unterschätzt - dabei vergisst man, dass sie der Titelverteidiger sind. Dänemark hat alles, was ein Team braucht, um erneut nach dem Titel zu greifen. Einen Top-Coach in Ulrik Wilbek, eine extrem eingespielte Mannschaft, einen charismatischen Weltklasse-Torhüter in Kasper Hvidt, einen herausragenden Kreisläufer in Michael Knudsen und zwei Ausnahme-Flügelspieler (Christiansen, Lindberg), die im Gegenstoß tödlich sind.

Über die Klasse von Lars Christiansen gibt es ohnehin keine zwei Meinungen, und HSV-Star Hans Lindberg liegt in der Bundesliga-Torschützenliste gemeinsam mit Lars Kaufmann auf Rang eins. Auch weil er vom Siebenmeter-Punkt aus Prinzip nicht verwirft. Die 6:0-Deckung der Dänen gilt außerdem als die beste der Welt. Eine erfolgreiche Titelverteidigung wäre keine große Überraschung.

Wichtigster Spieler: Kasper Hvidt

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Sie sind amtierender Europameister und das Team hat sich kaum verändert. Dänemark muss man auf dem Zettel haben. Ein Team, das spielerisch sehr stark ist und richtig gut funktioniert. Und wer einen Kasper Hvidt im Tor hat, ist immer gefährlich."

5. Kroatien - Die Launischen

Die Kroaten sind aus dem Favoritenkreis nicht wegzudenken, auch wenn es schon bemerkenswert ist, dass sie seit ihrem Olympiagold 2004 kein großes Turnier mehr gewonnen haben. Das Talent, um in Österreich den großen Triumph zu landen, haben die Mannen von Lino Cervar logischerweise allemal.

Wer Ivano Balic in seinem Team hat, kann grundsätzlich zu jeder Tages- und Nachtzeit jeden Gegner schlagen. So einfach ist das. Dazu kommen mit Kreislauf-Maschine Igor Vori oder Ausnahmetalent Domagoj Duvnjak weitere Spieler, die ein Spiel alleine entscheiden können. Außerdem steht die 5:1-Deckung um Vori meistens bombensicher. Noch ein Vorteil: Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren haben die Kroaten keine Verletzungssorgen.

Wichtigster Spieler: Igor Vori

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Bei den Kroaten muss man mal abwarten. Von den Namen her haben sie natürlich wie immer ein grandioses Team. Sie brauchen aber immer einen besonderen Motivationsschub - bei der WM im eigenen Land hatten sie den, da hatten sie auch den erforderlichen Teamgeist, aber in Österreich? Kroatien ist ein sehr launisches Land, als Kroate kann man nur hoffen, dass sie das Ding nicht abschenken."

Best of the Rest: Spanien - Die Wundertüte

Der Weltmeister von 2005 ist so was wie die Wundertüte. Nach dem größeren Umbruch, der nach den Olympischen Spielen 2008 stattgefunden hatte, blieben die herausragenden Ergebnisse bislang aus. Bei der WM in Kroatien scheiterte Spanien sogar schon in der Vorrunde - und auch die EM-Quali war holprig. So gewann man zum Beispiel zuhause nur knapp gegen die Handballmacht Niederlande.

Dennoch sind die Iberer immer gefährlich. Der neue Star steht im Tor und heißt Arpad Sterbik. Der gebürtige Serbe erhielt im Januar 2008 die spanische Staatsbürgerschaft und machte im November 2009 sein erstes Spiel für Spanien. Sterbik gehört ohne Frage zu den besten Keepern der Welt - keiner hat so eine unglaubliche Präsenz im Kasten. Spanien hat eine gute Mischung aus erfahrenen Spielern (Entrerrios/Romero) und jungen Talenten (Aginagalde/Malmagro/Ugalde). Mit dem Team von Coach Valero Rivera ist zu rechnen.

Wichtigster Spieler: Arpad Sterbik

Das sagt Stefan Kretzschmar: "Das Problem der Spanier ist, dass sie ohne Kreisläufer spielen. Das macht es schwierig. Zu Zeiten von Urios war Spanien eine Macht. Aber sie gehören trotzdem immer mindestens zum erweiterten Kreis der Favoriten."

Der komplette Spielplan der EM