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WM 2023 - Armut, Bandenkriminalität, Schicksalsschläge: Der beeindruckende Weg von Jamaikas 'Bunny' Shaw in die Weltklasse

Von Daniel Buse
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© getty

Talent setzt sich im Fußball durch - auch wenn man manchmal ganz alleine kämpfen muss. Jamaikas Khadija 'Bunny' Shaw ist der beste Beweis dafür.
 

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Die Frage nach dem Spitznamen kann Jamaikas Khadija Shaw natürlich mühelos und mit einem Lächeln beantworten. Warum nennt sie jeder 'Bunny'? "Meine Mutter hat immer Karottensaft für mich gemacht, denn man sagt ja, dass viel Karottensaft die Augen besser macht. Deshalb habe ich das Zeug in Unmengen getrunken, als ich klein war", lacht die Stürmerin im Interview auf der Webseite ihres Klubs Manchester City.

Ihr Bruder Kentardo nutzte die Gelegenheit und nannte sie deshalb 'Bugs Bunny'. "Erst habe ich das gehasst. Er hat es allen seinen Freunden und meinen Freunden gesagt. Eines Tages habe ich dann gedacht: Ich freunde mich damit an", erzählt Shaw. "Jetzt nennt mich jeder 'Bunny', nur mein Bruder nicht: Der nennt mich 'Bugs'."

Jamaikas 'Bunny' Shaw: Vier Brüder starben früh

Zum Lachen gab es allerdings in ihrer Jugend ansonsten nur wenig für Khadija Shaw. Sie wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Spanish Town im Südosten der Insel auf - und der Alltag war eher ein Kampf ums Überleben. Ihre Familie musste mit zahlreichen Schicksalsschlägen zurechtkommen: So starben drei ihrer Brüder bei Auseinandersetzungen von Straßen-Gangs, ein weiterer Bruder kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

"Ich hatte eine kurze Hose und ein Paar Schuhe", erinnert sich Shaw bei der Deutschen Welle. "Ich habe Fußball mit den Schuhen gespielt, die ich auch in der Schule anhatte", ergänzt sie. In Kontakt mit dem Fußball kam sie auf der Straße, denn die Nachbarn spielten gegeneinander. "Ich habe gesehen, wie die Leute zusammenkamen, der Lärm, die Vorfreude, der Spaß. Ich habe mir gedacht: 'Was ist das Besondere an diesem Sport?' Ich wollte mitmachen", berichtet Shaw.

Shaw machte mit und war richtig gut. Von der Nationalmannschaft war sie aber noch meilenweit entfernt - denn es gab einfach keine A-Nationalmannschaft. "Meine Mutter hat immer gesagt 'Du verschwendest deine Zeit. Der Frauenfußball wird sich nicht weiterentwickeln", sagt Shaw und gibt zu: "Im Nachhinein betrachtet, war es wirklich sinnlos."

Aber sie ließ sich nicht entmutigen und schaffte es in die Jugend-Nationalmannschaft des Landes, die es immerhin noch gab. Und dort fiel sie einigen Scouts auf, die dafür sorgten, dass Shaw erst ein Stipendium am Eastern Florida State College und dann an der Universität von Tennessee in den USA bekam. "Wenn mich damals keiner entdeckt hätte, wäre ich wahrscheinlich immer noch in Jamaika", meint Shaw.

'Bunny' Shaw und Jamaika: Nun könnte bei der WM Deutschland warten

2019 folgte der Wechsel zu Girondins Bordeaux, 2021 dann der Sprung zum englischen Top-Klub Manchester City. In ihrer Rolle als Vorbild für Mädchen in Jamaika, die auch Fußball spielen und es nach ganz oben schaffen wollen, geht Shaw auf - aber die 26-Jährige nutzt auch ihren Status, um Kritik lautstark zu äußern. Und das kommt oft vor: "Wenn ich in Jamaika ein Kind hätte, würde ich nicht wollen, dass es mit Frauenfußball beginnt, weil einfach nichts passiert", wird sie deutlich.

Das Ziel ihrer Kritik ist immer wieder der Fußballverband Jamaikas, der das Nationalteam in den letzten Jahren nicht unterstützt hat. Schon die Qualifikation für die WM 2019 war eigentlich eine Sensation: "Wir hatten keine Trainingslager. Es gab keine Vorbereitung. Nichts", erinnert sich Shaw. Noch vor der gerade stattfindenden WM mussten die City-Stürmerin und ihre Teamkolleginnen eine Reise absagen - weil der Verband die Flugtickets nicht bezahlen konnte oder wollte.

Zum Turnier nach Australien haben sie es aber dann doch geschafft und dort mit dem Erreichen des Achtelfinales für eine echte Sensation gesorgt. Denn nicht etwa Brasilien mit dem ehemaligen Top-Star Marta schaffte es in die Runde der letzten 16, sondern Jamaika. 'Bunny' Shaw wird mit Sicherheit für den nächsten Sprung in ihrer Karriere bereit sein.

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