WM

Die Krux mit dem einzigen Kandidaten

SID
Die brasilianische Nationalmannschaft geht mit großen Erwartungen ins Tunier
© getty

Mit Feiertagsreden und ohne Gegenkandidat hatte Brasilien vor sieben Jahren die WM-Gastgeberrolle bekommen. Von der damaligen Euphorie ist nicht viel übrig geblieben.

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Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff preist sie als "Copa das Copas" an, als beste WM aller Zeiten, der Slogan des Weltverbandes FIFA verspricht "Alle in einem Rhythmus". Doch all das klingt eher nach einem verzweifelten Versuch, die Stimmung zu kippen. Denn selten ist ein Gastgeberland so schlecht vorbereitet zu einer Fußball-WM-Endrunde hingekommen.

Vor knapp sieben Jahren, am 30. Oktober 2007, waren alle noch voller Euphorie. "Das Land, dass die besten Spieler der Welt hervorgebracht hat, das fünf WM-Titel besitzt, hat nun auch das Recht, aber auch die Verantwortung, die WM 2014 auszurichten", verkündete damals FIFA-Präsident Joseph S. Blatter. Eine scheinbar perfekte Wahl, aber auch die einzig mögliche.

Frust statt WM-Lust

Nach dem Rotationsprinzip zwischen den Kontinenten folgte Südamerika auf Afrika. Argentinien äußerte den Wunsch, beließ es dabei. Kolumbien sorgte mit seiner Last-Minute-Kandidatur im Dezember 2006 für Verwirrung, weil neun Monate zuvor alle Kontinentalverbände sich auf Brasilien festgelegt hatten, machte dann aber auch den Rückzieher. Und so war der Weg zur zweiten WM-Endrunde nach 1950 mit Finale am Zuckerhut frei.

"Die Brasilianer werden darauf vorbereitet sein, die Welt zu empfangen", versprach an jenem Oktobertag im FIFA-Haus in Zürich der damalige Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva. Der Stand heute: Stadien auf dem letzten Drücker fertiggestellt, Projekte zur Verbesserung der Mobilität in und zwischen den WM-Städten noch vom Baustaub bedeckt, Aufruhr im Volk wegen sozialer Schieflage. Viel Frust statt WM-Lust.

FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke beichte vor wenigen Tagen: "Wir sind durch die Hölle gegangen." Weil in Brasilien mit drei Regierungsebenen verhandelt werden musste, weil es Personalwechsel gab, weil sich eine Opposition bildete. "Wir mussten dann jedes Mal unsere Botschaft wiederholen", stöhnte der Franzose.

WM-Macher mit 80 Jahren

Auf den charismatischen Lula, der nach zwei Amtszeiten "unwählbar" war, folgte im Januar 2011 die "Eiserne Lady" Dilma Rousseff. Orlando Silva, noch 2007 Sportminister, musste nach Korruptionsvorwürfen im Oktober 2011 den Stuhl für Aldo Rebelo räumen, der gleich mal "Reizfigur" Valcke, für den Brasilien schon damals wegen der schleppenden WM-Vorbereitung einen "Tritt in den Hintern" gebraucht hätte, Kontra gab.

Im März 2012 trat dann auch noch nach 23 Jahren an der Verbandsspitze CBF-Präsident Ricardo Teixeira zurück und gab zudem die Chefposition im WM-Organisationskomitee ab. Vor allem wegen der FIFA-Schmiergeldaffäre war der Fußball-Patron zur Persona non grata geworden. Entsprechend der Verbandsstatuten übernahm mit fast 80 Jahren José Maria Marin als ältester Vize-Präsident die Ämter. Ein Politiker alten Schlages, aber kein WM-Macher.

Und so geriet alles peu à peu aus dem Ruder. "Es gab Schwierigkeiten wegen der Struktur des Landes, eine Reihe von Investitionen wurden vielleicht ein bisschen zu spät angegangen, es herrschten Missverständnisse über die Dimension des Events", erläutert Valcke spürbar um vorsichtige Wortwahl bemüht.

Kosten, Todesfälle und Streiks

Dennoch wollten 18 Städte die WM-Party. Am 31. Mai 2009 fiel die Wahl auf zwölf, zwei mehr als die FIFA ursprünglich noch für tolerierbar hielt. Die im Bewerbungs-Dossier veranschlagten Kosten für Neu- und Umbau der Arenen stieg um das Dreifache auf umgerechnet 2,74 Milliarden Euro. Acht tödliche Unfälle überschatteten die Arbeiten. Streiks und verspätete Freigabe von Geldern brachten gleich zehn WM-Spielorte in Zeitverzug.

Explodierende Kosten, allerorts Korruptionsgerüchte und eine Revolte wegen steigender Preise im öffentlichen Nahverkehr - beim Confed Cup 2013 ging das Pulverfass dann hoch. Die Masse strömte zu Hunderttausenden auf die Straßen, radikale Protestanten trafen auf eine unvorbereitet wirkende Polizeimacht, die Gewalt eskalierte, das Bild der heilen WM-Welt Brasilien bekam endgültig einen Bruch.

Am 12. Juni rollt aber endlich der Ball, der Sport rückt in den Vordergrund. Und wenn Brasilien einen Monat später dann noch den WM-Pokal zum sechsten Mal in Empfang nehmen kann, dürfen sich auch die Lulas, Teixeiras und Valckes dieser WM auf die Schulter klopfen.

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