WM

"Ich wollte den Schnee berühren und essen"

Von Interview: Jochen Tittmar
Christian Noboa (r.) debütierte 2009 für die ecuadorianische Nationalmannschaft
© getty

Christian Noboa ist Teamkollege von Kevin Kuranyi bei Dynamo Moskau und mit der Nationalmannschaft Ecuadors kurz davor, sich für die WM 2014 in Brasilien zu qualifizieren. Im Interview spricht der defensive Mittelfeldspieler über riesige Temperaturunterschiede, den Traum von einem Wechsel in die Bundesliga und das Länderspiel gegen Deutschland Ende Mai.

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SPOX: Herr Noboa, bevor Sie nach Europa wechselten, spielten Sie seit Ihrem 15. Lebensjahr für den ecuadorianischen Klub CS Emelec - Ihrem Lieblingsverein!

Christian Noboa: Genau, ich war von Kind an Fan von Emelec und wollte auch schon immer dort spielen. In der Jugend musste ich häufig den Verein wechseln, da mein Vater bei der Marine arbeitete und unsere Familie oft umziehen musste. Ab meinem 15. Lebensjahr lebten wir dann in Guayaquil, so dass ich endlich in Emelec spielen konnte und dort auch mit 18 zu meinem Profi-Debüt kam.

SPOX: Wie kann man sich die fußballerischen Strukturen in Ihrem Heimatland im Jugendbereich vorstellen?

Noboa: Die sind im Vergleich zu Europa ziemlich dünn. Hier kümmert man sich sehr viel mehr um die Jugendarbeit, angefangen bei den Plätzen bis hin zur Trainingsausstattung. In Ecuador gibt es in den Vereinen oft nur zwei, drei Jugendmannschaften. Da ist diese Masse an Teams, wie man sie in Europa kennt, gar nicht gegeben.

SPOX: Nachdem Sie bei Emelec den Durchbruch schafften, wechselten Sie zum russischen Erstligisten Rubin Kasan. Wann stand für Sie fest, dass Sie es in Europa versuchen wollen?

Noboa: Ich habe schon immer davon geträumt, einmal in Europa zu spielen. Ich hatte damals auch Angebote aus Portugal, allerdings beschränkten sich diese auf einen Einjahresvertrag mit Option. Bei Kasan wurde mir nach einem Gespräch mit dem Trainer dagegen direkt ein Fünfjahresvertrag angeboten. Wir haben sehr intensiv und offen diskutiert und er meinte es von Anfang an sehr ernst, sah viel Potenzial in mir. Das hat mich letztlich überzeugt, nach Kasan zu wechseln.

SPOX: Was waren für Sie die größten Umstellungen im alltäglichen Leben, als Sie nach Kasan kamen?

Noboa: Die Sprache und das Klima. Ich kam aus Guayaquil, dort liegen die Temperaturen immer um die 33 Grad. Hier sind dagegen 10 Grad unter null schon fast normal. Das war richtig hart zu Beginn. Die ersten Tage war es auch auf dem Platz schwer, mich zu verständigen. Doch mittlerweile spreche ich fließend Russisch und habe keine Probleme mehr.

SPOX: Wie sahen Ihre ersten Begegnungen mit Schnee aus?

Noboa: Den kannte ich natürlich nur aus Fernsehsendungen, auch das war etwas ganz Neues für mich. Als ich bei meiner Ankunft aus dem Flugzeug stieg, wollte ich den Schnee berühren und essen. Daraufhin erkältete ich mich ziemlich stark, hatte Halsschmerzen und Bronchitis und lag eine Woche krank im Bett (lacht).

SPOX: Sie haben Gurban Berdiyew, den Trainer von Kasan, angesprochen. Er ist seit 2002 im Amt und dafür bekannt, hemdsärmelig und mit Rosenkranz am Spielfeldrand zu stehen. Was ist er für ein Typ?

Noboa: Er liebt und lebt den Fußball. Mit mir sprach er immer sehr offen und half mir, mich tagtäglich zu verbessern. Im Training und im Umgang mit den Spielern ist er meist sehr ernst, aber auch professionell. Er arbeitet sehr viel im taktischen Bereich und zeigt den Spielern auf, wo sie sich in der Defensive und Offensive verbessern können. Mir hat er in meiner Entwicklung als Fußballer, aber auch als Mensch, sehr geholfen und mich weitergebracht. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

SPOX: 2008 holten Sie mit Kasan den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte, ein Jahr später wurde man erneut Meister. Sind die Menschen aus der Region ausgeflippt?

Noboa: Ja, total. Es gab ein riesiges Fest und Spektakel in der ganzen Stadt. Alle, auch der Präsident der Region Tatarstan, erwarteten uns am Flughafen. Die ganze Stadt gratulierte uns und feierte mit uns. Das war einer der schönsten Augenblicke in meiner Fußballkarriere.

SPOX: Seit Januar 2012 spielen Sie nun für Dynamo Moskau. Was waren Ihre Beweggründe für den Wechsel?

Noboa: Ich war inzwischen fünf Jahre bei Kasan und spürte, dass es Zeit für einen Wechsel war. Ich wollte neue Impulse durch eine neue Mannschaft und einen neuen Klub bekommen. Dynamo machte mir zu dem Zeitpunkt ein sehr gutes Angebot. Das Gesamtpaket hat gepasst, daher kam es zum Wechsel.

SPOX: Eine russische Zeitung berichtete darüber, dass Sie und andere ausländische Spieler wie Kevin Kuranyi, Leandro Fernandez und Balazs Dzsudzsak von Dynamo-Moskau-Fans bedroht wurden. Es soll auch während des Trainings zu einem Paint-Ball-Beschuss von "Fans" gekommen sein.

Noboa: Das stimmt. Die Dynamo-Fans versicherten aber, dass sie es nicht waren. Letztlich wissen wir nicht, wer es war. So etwas gibt einem aber schon zu denken, vor allem meine Frau hatte Angst und war besorgt. Wenn man sich nicht sicher fühlt, hat man auch nicht die nötige Ruhe, um zu trainieren und zu spielen. Mittlerweile haben sich die Dinge jedoch wieder beruhigt - zum Glück!

SPOX: Kevin Kuranyi meinte, Sie seien der beste Abräumer, den er kenne. Welche Beziehung haben Sie zu ihm?

Noboa: Erstmal vielen Dank an Kevin für das Lob (lacht). Kevin ist ein sehr guter Freund von mir und wir gehen öfters gemeinsam mit der Familie essen. Wir verstehen uns bestens.

SPOX: Die "Bild" zitierte Sie mit den Worten: "Ja, ich habe Angebote aus der Bundesliga. Und Gladbach ist eine super Adresse..." Könnten Sie sich einen Wechsel in die Bundesliga vorstellen?

Noboa: Klar. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, würde ich sehr gerne in die Bundesliga wechseln. Die Stimmung in den deutschen Stadien ist etwas Einmaliges. Alle Spiele vor so vielen Zuschauern, jedes Spiel ist ein großes Ereignis, ein Fest. Das würde mich sehr reizen. Wenn es mir die Zeit erlaubt, schaue ich mir regelmäßig die Spiele der Bundesliga an.

SPOX: Hat schon einmal ein deutscher Verein angeklopft?

Noboa: Bevor ich zu Dynamo wechselte gab es zwei Vereine, die an mir interessiert waren. Namen werde ich aber keine nennen.

SPOX: Haben Sie einen Lieblingsklub in Deutschland?

Noboa: Nein. Für mich hat jeder Verein etwas Spezielles an sich. Wie ich schon sagte, besonders beeindruckend sind für mich die Fans in Deutschland, wie sie während des gesamten Spiels ihren Spielern zujubeln und sie unterstützen. Das gefällt mir wirklich sehr gut und reizt jeden Fußballer.

SPOX: Wer ist Ihr Vorbild auf der Sechser-Position?

Noboa: Barcas Xavi Hernandez. Ich finde an ihm seine Art zu spielen, mit nur ein, zwei Ballberührungen, einfach genial. Er weiß blitzschnell, wo seine Mitspieler stehen, spielt den Ball sehr schnell und ist immer in Bewegung. Ich schaue ihm oft zu und habe viel durch meine Beobachtungen lernen können.

SPOX: Sie spielen für die Nationalmannschaft Ecuadors, die in der Qualifikationsgruppe den zweiten Platz belegt und sehr gute Chancen besitzt, zum dritten Mal nach 2002 und 2006 bei einer WM teilzunehmen.

Noboa: Wir befinden uns in der Tat auf einem sehr guten Weg. Es ist aber noch nichts erreicht, von daher sind wir weiterhin angehalten, immer erst an das nächste Spiel denken. Unsere besondere Stärke ist es sicherlich, aus einer kompakten Formation heraus schnell attackieren zu können. Das ist die Basis unseres Spiels. Wir versuchen, immer so schnell es geht nach vorne zu kommen.

SPOX: Was würde eine Teilnahme an der WM 2014 für die Entwicklung des ecuadorianischen Fußballs und auch das Volk bedeuten?

Noboa: Immens viel. Zumal es ja auch verdammt schwer ist, sich gegen zehn sehr starke südamerikanische Mannschaften durchzusetzen. Bei jeder unserer Partien ist das ganze Land wie paralysiert vor Spannung. Es wäre daher etwas ganz Großes und Besonderes, zur Weltmeisterschaft zu kommen.

SPOX: Ende Mai spielen Sie in den USA gegen die deutsche Nationalmannschaft. Wie gehen Sie dieses Spiel an?

Noboa: Gegen Deutschland zu spielen wird eine unbeschreibliche Erfahrung werden. Für uns wird es ein sehr schweres Spiel. Deutschland hat eine starke Mannschaft, in allen Bereichen. Sie spielen sehr geordnet, stehen defensiv sehr gut und attackieren sehr schnell. Wichtig wird für uns sein, dass alle Mannschaftsteile als Ganzes funktionieren und ineinandergreifen.

Christian Noboa im Steckbrief