Glück im Unglück: Kein Kreuzbandriss bei Olic

Von Für SPOX in Hamburg: Stefan Rommel
Ivica Olic (r.) erzielte zwei Tore für den HSV, hat sich aber am Knie verletzt
© Getty

Bis vor kurzem hatte der Hamburger SV eine nahezu perfekte Saison gespielt, steht aber nach dem UEFA-Cup-Aus gegen Werder Bremen vor einem mittelschweren Erdbeben. Werder dagegen zeigte einmal mehr das alles entscheidende Qualitätsmerkmal. Zumindest entpuppte sich Olic' Verletzung nicht als Kreuzbandriss.

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Frank Rost hatte wohl schon eine gewisse Vorahnung. "Bremen hat sehr viel Europapokalerfahrung und schon viele Spiele in entscheidenden Phasen noch gedreht. Damit konnte der HSV in den letzten Jahren nicht so glänzen. Vielleicht können wir in dieser Beziehung eine Wende herbeiführen", sagte Hamburgs Torhüter nach dem 1:0-Hinspielsieg in Bremen.

Rosts Prophezeiung ging zum Leidwesen der Hamburger nicht in Erfüllung. Denn bei Werders 3:2-Sieg und dem damit verbundenen Vorstoß ins UEFA-Cup-Finale von Istanbul machte dieses eine Bremer Qualitätsmerkmal den Unterschied zweier Mannschaften auf Augenhöhe.

Wiese: "In solchen Spielen sind wir stärker"

Denkt man an die Champions League, dann denkt man in erster Linie an Geld. Aber die Teilnahme an der Königsklasse hat eben auch den schönen Nebeneffekt, das man als Klub und Mannschaft darin reifen kann.

Insofern sind die geschätzten 100 Millionen Euro, die Werder Bremen in seinen fünf Jahren in der Champions League erspielt hat, die harten Fakten. Zu den Soft Skills aber zählt unter anderem die enorme Erfahrung, die die Mannschaft in etlichen Schlachten mit den besten Teams des Kontinents sammeln durfte. Und die sich jetzt wieder ausbezahlt hat.

"Wir sind einfach da, wenn es darauf ankommt - das haben wir wieder bewiesen. In solchen Spielen sind wir einfach stärker", sagte Torhüter Tim Wiese. Fehler minimieren, die Konzentration hoch halten, den unbedingten Willen zum Sieg zeigen - darum geht es in den engen Spielen in so einer Phase der Saison. Und Bremen hat die geforderten Aufgaben schlicht besser erfüllt.

"Wir haben für ein Halbfinale einfach ein, zwei Fehler zu viel gemacht, so etwas darf uns in so einem Spiel nicht passieren", musste Hamburgs Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer zugeben.

Sein Torhüter brachte es absolut treffend auf den Punkt: "Man muss es realistisch einschätzen: Die Mannschaft spielt am Limit und hat Großartiges geleistet. Man hat gesehen, dass ein Claudio Pizarro ein Mann ist, der Champions-League-Erfahrung und eine gewisse Klasse hat. Das fehlt uns manchmal noch."

Erfahrungsschatz Champions League

Es sind die Kleinigkeiten, die das große Ganze gelingen lassen oder nicht. Bremen hat das in der Schule der Champions League mittlerweile gelernt und zehrt nun von seinem großen Erfahrungsschatz und seiner Routine.

Es ist kein Zufall, dass die Bremer im laufenden Punktspielbetrieb zwar nur Zehnter sind, dafür aber in beiden Pokalwettbewerben im Finale stehen. Trotz Gegnern wie Milan, Udine, Wolfsburg, Dortmund oder eben zweimal Hamburg. Es ist eine gewisse Klasse. Es ist der Sieg der Reife.

"Man hat die Moral und die Erfahrung, die wir die ganzen Jahre in der Champions League und im UEFA-Pokal gesammelt haben, im Spiel gesehen. Dadurch sind wir jetzt endlich da, wo wir hingehören", erklärte Wiese gegenüber SPOX.

Jarolim: Haben am Limit gespielt

Der Torhüter selbst dient als schönes Beispiel. Wiese hatte sich vor dem ersten Vergleich vollmundig mit dem Gegner angelegt, bei den Hamburger Fans war er nach seiner Kung-Fu-Einlage vor Jahresfrist gegen Ivica Olic schon lange unten durch. Aber Wiese hielt dem Druck stand. Und die Mannschaft auch.

"Es ist für mich immer etwas ganz Besonderes, vor der HSV-Wand zu spielen. Das pusht mich ungemein. Und so langsam glaube ich, dass das mein Stadion, dass das unser Stadion wird."

Da schmerzte auch der Ausfall von Spielmacher Diego für das Finale von Istanbul gar nicht mehr so sehr. "Natürlich tut die Sperre weh, vor allem ihm. Aber wir haben schon oft gezeigt, dass wir auch ohne ihn Spiele gewinnen können. Ob jetzt mit Diego oder ohne ihn: Wir gewinnen das Finale!"

Für den Gegner beginnt jetzt der Kampf um das Existenzminimum. Nicht selten sind schmerzhafte Niederlagen ja der Beginn von etwas Großem. Dafür muss beim HSV aber auch die Erkenntnis reifen, dass der Kader in seiner Qualität und Quantität für eine derart lange Saison nicht ausreichend bestückt ist.

"Wir haben alles versucht und auch am Limit gespielt. Am Ende sollte der Einzug ins Finale nicht sein, das ist mehr als bitter für uns", sagte Kapitän David Jarolim. "Der Grad zwischen Erfolg und Niederlage ist oft sehr schmal."

Glück für Olic

Für das obere Limit genügt der Kader in der momentanen Zusammenstellung nicht, das dürften die Verantwortlichen als Erkenntnis mitgenommen haben. Geld müsste noch einiges da sein, um im Sommer den Kader weiter aufzurüsten.

Bis vor kurzem hatte Hamburg noch die nahezu perfekte Saison gespielt, hatte in allen Wettbewerben hervorragende Titelchancen da und steht vor einem mittelschweren Erdbeben.

Zwei Titel sind definitiv futsch, für den dritten braucht es eine Menge Phantasie. Im Gegenteil: Die Champions-League-Teilnahme ist in akuter Gefahr und schaut man sich die aufstrebenden Dortmunder an, dann sogar der Platz im UEFA-Cup.

Zumindest bestätigte sich bei Olic der Verdacht auf einen Kreuzbandriss nicht. "Er hat sich eine Prellung des linken Knies zugezogen. Dies ergab eine Kernspintomographie am Freitagnachmittag", schrieb der HSV auf seiner Homepage. "Der Einsatz von Ivica Olic am Sonntagim Bundesligaspiel bei Werder Bremen ist fraglich", erklärte Mannschaftsarzt Dr. Oliver Dierk.

In der Schlussphase der Partie am Donnerstag hatte der Kroate einen Schlag aufs Knie bekommen.

Werder wird zum Albtraum

28 Mannschaften hat der HSV in dieser Saison in drei Wettbewerben mit großem Erfolg bespielt, von Wehen-Wiesbaden über Ingolstadt bis Manchester City.

Nur am 29. Team, dem ewigen Rivalen, beißen sie sich die Zähne aus. Werder Bremen könnte am kommenden Sonntag im vierten und letzten Duell in der Bundesliga zum Henker für eine einst vielversprechende Saison werden.

Jetzt geht es für den HSV aber darum, die totale Frustration zu verhindern. Der UEFA-Cup-Platz fünf ist die mindeste Belohnung, die sich die Hamburger verdient hätten.

Bremen kämpft sich ins Finale