Stuttgart hilft nur ein Sieg

Von Stefan Rommel
Cacau, VfB Stuttgart
© Imago

Vor dem vorentscheidenden Spiel der UEFA-Cup-Gruppenphase gegen Partizan Belgrad (17.45 Uhr im SPOX-TICKER) hängt beim VfB Stuttgart der Haussegen schief. Neben den dürftigen Leistungen in der Bundesliga sorgte zuletzt auch Jens Lehmann für negative Schlagzeilen - wenn auch teilweise unfreiwillig.

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Irgendwie ist schon wieder Ralf Rangnick daran schuld. Rangnick war ja mal als Trainer beim VfB Stuttgart angestellt. Das ist schon etwas länger her, ungefähr acht Jahre.

Etliche Verfehlungen

Als Heilsbringer wechselte Rangnick damals während der Saison vom sensationellen Zweitligisten SSV Ulm nach Stuttgart, mit dem Ruf im Gepäck, der neue Reformer des deutschen Fußballs zu sein mit all seinen Viererketten und ballorientiertem Verteidigen.

Nur in Stuttgart wurde Rangnick nie verstanden. Die Mannschaft begriff nicht, was der Trainer von ihr wollte, die Fans wurden bald sauer, Rangnick hatte ein Problem mit dem allgegenwärtigen Krassimir Balakow und schon wenig später ein viel größeres mit Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder.

Nach dem Aus im UEFA-Cup gegen Celta Vigo ließ MV seinen Wunschtrainer nach nur einem Jahr einfach wieder fallen und zog mit Felix Magath die damals sicherstes Variante, um dem drohenden Abstieg zu entgehen.

Das alles ist lange her. Doch jetzt ist es ausgerechnet Rangnick, der dem großen VfB quasi vor der Haustür die Verfehlungen der letzten 18 Monate schonungslos vor Augen führt.

Parallelen zu Werder

Mit dem Meistertitel im Mai 2007 offerierte sich der VfB selbst ein großes Geschenk und zugleich auch eine große Chance, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Post-Meister-Saison geriet dann fast schon traditionell eher zerfahren.

Viele der heutigen Probleme zeichneten sich schon da ab, nur wenige wurden gezielt und vor allem nachhaltig gelöst. Ein wenig erinnert die Konstellation an Werder Bremen, wo offenbar auch zu lange geschludert wurde, was Spielsystem und -ausrichtung, Transferpolitik und Scouting anbelangt.

Trainer Armin Veh propagiert seit seinem Amtsantritt ein klares 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Dafür wurden letzte Saison Yildiray Bastürk und diese Saison Jan Simak als zentrale Besetzung in der offensiven Zentrale geholt.

In den letzten Wochen fielen aber beide Spielgestalter aus und schon hatte der VfB ein dickes Problem: Neben dem erprobten 4-4-2 hat Veh kein anderes adäquates System zur Hand, das die Mannschaft perfekt beherrscht und das den Ausfall von zwei, drei Schlüsselspielern auffangen kann.

Unglückliche Transferpolitik

Also hielt Veh noch eine Zeit lang am 4-4-2 fest, versuchte es mit Sami Khedira oder Martin Lanig in der Zentrale - ohne Erfolg. Von den wichtigen Außenverteidigerpositionen kam zu wenig Unterstützung im Offensivspiel. Also orientierte sich Veh um.

Aber auch die Umstellung auf ein 4-3-3 fruchtete nicht. Veh hat zu wenige Optionen taktischer und personeller Natur, das Stuttgarter Spielmodell wirkt in Anbetracht von Teams wie Bayer Leverkusen oder eben 1899 Hoffenheim ein wenig überholt und abgegriffen.

Das muss zunächst nicht schlecht sein. So lange sich der Erfolg einstellt. Nur ist es genau das, was in den letzten Wochen am schmerzlichsten vermisst wurde.

Wenn man nun von der These ausgeht, dass Systeme immer nur so gut sind, wie die Spieler, die sie ausfüllen, muss man konstatieren, dass Stuttgart für seine Anforderungen nicht immer das glücklichste Händchen auf dem Transfermarkt hatte.

Gegen Belgrad unter Druck

Auf der Torhüterposition wurde forsch gehandelt. Allerdings ist die Nachhaltigkeit beim Transfer des 38-jährigen Jens Lehmann doch begrenzt. Der VfB hat in der Torhüterfrage Zeit gewonnen. Ein, vielleicht sogar zwei Jahre. Aber er hat das Problem als solches nicht gelöst.

Auch Lehmann fiel zuletzt weniger durch spektakuläre Leistungen als durch negative Schlagzeilen auf. Einige davon sind selbstgemacht, andere nicht. Immerhin lenken sie ein wenig von den offenkundigen Problemen ab, die die Mannschaft derzeit beschleichen.

Wenn sich dann auch noch zu viele der vermeintlichen Leistungsträger auf einmal im Formtief befinden, steht in der Liga eben Platz zehn - und der VfB im UEFA-Cup nach dem schwachen 0:2 von Sevilla jetzt schon unter Druck.

"Wenn wir dieses Spiel nicht gewinnen, wird es ganz schwierig", sagt Veh. Der Tabellenführer der serbischen Liga sei eine harte Nuss, aggressiv, technisch beschlagen und körperlich robust. "Aber wir müssen zu Hause die Punkte holen, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu gewinnen."

Hitzlsperger droht die Bank

Der Trainer wird gegen Partizan die angekündigten personellen Konsequenzen wahr machen und die Mannschaft auf drei oder vier Positionen umstellen. Auch Thomas Hitzlsperger droht die Bank. Der Kapitän wirkt überspielt, kann sich im Alltagsgeschäft beim VfB offenbar nicht so präsentieren wie bei seinen überzeugenden Vorstellungen im Nationalteam.

Hitzlsperger wuchsen die hohen Anforderungen an seine Person in den letzten Wochen über den Kopf. Kapitän, Führungsspieler, Abräumer vor der Abwehr, Regisseur in einer Person. Hitzlsperger wirkte überfordert und verkörperte jenes Mittelmaß, das der VfB im Moment darstellt.

Die nächsten Wochen geben den Weg vor, den der VfB Stuttgart in dieser Saison einschlagen wird. In der Bundesliga gilt es angesichts der Vielzahl an Konkurrenten Anschluss zu halten an die oberen Plätze. Und im UEFA-Cup: Da hilft gegen Belgrad nur ein Sieg. Ansonsten ist das Abenteuer Europa wohl schon vor der Winterpause beendet.

Stuttgarts Gruppe C auf einen Blick