"Fußballerisch kann 4. Liga mithalten"

Von Interview: Jan Dafeld
Hat immer wieder mit Verletzungspech zu kämpfen: Lennart Hartmann vom Berliner AK
© imago

Lennart Hartmann steht mit dem Berliner AK nach neun Spieltagen an der Spitze der Regionalliga Nord-Ost. Im SPOX-Interview spricht der 22-Jährige über persönliche Schicksalsschläge, sein unterschiedliches Verhältnis zu Favre und Funkel, wertvolle Auslandserfahrungen und den Leistungsunterschied zwischen Liga 1 und 4.

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SPOX: Herr Hartmann, in Ihrem letzten Spiel für Berlin mussten Sie direkt zu Beginn des Spiels verletzt ausgewechselt werden. Die Bilder sahen ernst aus. Wie schlimm ist es?

Lennart Hartmann: Alle drei Innenbänder im Fuß sind durch und jetzt heißt das erst mal wieder sechs bis acht Wochen Pause für mich. Das gehört wohl einfach bei mir dazu...

SPOX: Sie hatten über Ihre komplette Karriere hinweg Probleme mit Verletzungen. Glauben Sie, dass Sie über einen längeren Zeitraum wirklich nochmal richtig fit werden?

Lennart Hartmann: Naja, ich hoffe es natürlich schon die ganze Zeit, aber es kommt eben immer wieder irgendetwas, was mich zurückwirft. Ich habe keine Ahnung, vielleicht ist das Schicksal. Das Verletzungspech passt einfach in meine komplette Karriere. Da kommt ja fast alles zusammen bei mir.

SPOX: 2008 haben Sie zu Hertha-Zeiten die Fritz-Walter Medaille der U17 in Silber gewonnen. Vor Ihnen erhielten diese unter anderem die Bender-Zwillinge. Weshalb hat es bei Ihnen nicht zum großen Sprung gereicht?

Lennart Hartmann: Ich glaube, es gehört auch immer etwas Glück dazu. Damit bin ich bisher nicht oft beschenkt worden. Ich bin damals von Hertha weg, da meine Karriere dort durch Friedhelm Funkel einen gewissen Knick bekommen hat. Im Anschluss bin ich nach Aachen gewechselt und drei Monate später war er ebenfalls da und hat mich auch dort weg geschickt. Nach meinem Wechsel zu Babelsberg lief es dann für mich eigentlich auch wieder ganz gut. Ich stand auch wieder bei Zweitligisten auf der Liste, habe mich dann aber wieder verletzt. Wirklich Glück hatte ich also bis jetzt nicht.

SPOX: Sie haben für die Hertha unter Lucien Favre debütiert. Was war unter Friedhelm Funkel so anders?

Lennart Hartmann: Funkel kam an und hat direkt gesagt, dass er mit jungen Spielern im Abstiegskampf überhaupt nichts anfangen kann. Er hat uns alle durch die Bank weg in die zweite Mannschaft geschickt. Mir hat er mehr oder weniger sofort klar gemacht, dass ich den Verein verlassen kann. Da muss irgendwas Zwischenmenschliches gewesen sein. Meines Erachtens wurde auf die Leistung von vorne herein gar nicht geachtet. Da gab es auch eine Menge anderer Leute, die mir da Ähnliches bestätigt haben. Trainer reden ja auch untereinander. Da habe ich so schon einiges mitbekommen.

SPOX: Wie lief es unter Babbel?

Lennart Hartmann: Als daraufhin Babbel kam, war eigentlich alles okay. Er hat auch mit den jüngeren Spielern gesprochen und mir gesagt: "Auf deiner Position spielt aktuell Raffael, es wird sehr schwer für dich. Schau' am besten, dass du einen neuen Verein findest". Mit dieser Art der Ehrlichkeit konnte ich leben.

SPOX: Sie sind mit der B-Jugend der Hertha Meister geworden, aber kaum eines der bekannten Hertha-Talente der letzten Saisons stammte aus Ihrem Jahrgang. Hat Hertha da in der Förderung vielleicht auch etwas versäumt?

Lennart Hartmann: Eigentlich ist es bei uns allen sehr ähnlich verlaufen. Zu Beginn war alles ziemlich gut. Da wurden drei oder vier Spieler direkt von der B-Jugend in die erste Mannschaft hochgezogen und haben auch gespielt. Aber durch Trainerwechsel und Abstieg kam sehr viel Unruhe rein, das hat sich auch auf die Jugend ausgewirkt. Man braucht auch eine gewisse Kontinuität im Verein. Mit Leuten wie zum Beispiel Shervin Radjabali-Fardi von Hansa Rostock spielen ja zumindest einige paar noch in der 3. Liga. Aber ganz nach oben zu kommen, war aus dieser Situation heraus einfach schwer.

SPOX: Würden Sie also sagen, dass Ihr Bundesligadebüt mit 17 Jahren nicht zu früh kam, sondern einfach die Umstände mit der Entlassung von Lucien Favre später die falschen waren?

Lennart Hartmann: Genau. Ich glaube, dass wir mit Lucien Favre nicht abgestiegen wären und dass meine Karriere auch ganz anders aussehen würde, wenn er geblieben wäre. Er hätte mich nicht weggeschickt. Lucien Favre war auch aus menschlicher Sicht ein sehr, sehr guter und für mich persönlich ein ganz besonderer Trainer.

SPOX: Vor Ihrem Wechsel von Berlin nach Aachen haben Sie ein Probetraining bei den Vancouver Whitecaps absolviert. War das denn damals wirklich eine Option? In Kanada ist Fußball ja nicht wirklich Sportart Nummer eins.

Lennart Hartmann: Zu der Zeit war ich verletzt, kurz bevor das Transferfenster geöffnet hat. Daher war es für mich nicht so leicht, Angebote in Deutschland zu erhalten. Dann hat mir jemand von dem Team aus Vancouver erzählt, das in die MLS eingegliedert ist und ich dachte mir, dass das auch für mein komplettes Leben eine tolle Erfahrung hätte werden können. Es war nicht nur der Fußball, der mich dort gereizt hat, sondern das ganze Leben dort. Vancouver soll ja die lebenswerteste Stadt der Welt sein. Es hat mich einfach gereizt, da mal reinzuschnuppern. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass das nichts für mich ist und damit war es dann auch gut.

SPOX: Schließlich sind Sie zur neuen Saison von Babelsberg zum Berliner AK gewechselt. Der war das letzte Mal nach dem 4:0-Sieg im DFB-Pokal über Hoffenheim letztes Jahr in den Schlagzeilen. War das für Sie auch ein Grund, zum BAK zu gehen?

Lennart Hartmann: Auch, aber ich nicht vorwiegend. Ich habe mir gedacht, dass ich einfach in Berlin bleibe und gucke, wo ich noch ganz gut verdiene aber auch noch sehr erfolgreich spielen kann. Der BAK hat sich dann sofort gemeldet. Ich hatte ein sehr, sehr gutes Gespräch mit Trainer Ergin Yanova und war dann eben direkt überzeugt. Ich hatte zum Beispiel auch ein Angebot aus Darmstadt, das ich aber aus wirtschaftlichen Gründen einfach nicht annehmen konnte.

SPOX: Beim BAK sind ja generell viele Spieler, die früher bei Hertha BSC in der Jugend aktiv waren. War das ein Vorteil für Sie?

Lennart Hartmann: Das spielt schon eine wichtige Rolle. Jedes Mal, wenn ich Berlin verlasse, vermisse ich die Stadt. Ich bin jetzt einfach froh, wieder hier zu sein.

SPOX: Die Saison lief bisher sehr gut, der BAK ist Tabellenerster. Ist der Aufstieg dieses Jahr möglich? Vielleicht sogar das erklärte Ziel?

Lennart Hartmann: Wir sind da alle ganz entspannt. Es lief ziemlich optimal bisher und am Ende werden wir sehen, was dabei herauskommt.

SPOX: Sie haben längere Zeit ein anderes Leistungsniveau als das aktuelle erlebt und kennen gelernt. Wenn Sie noch einmal richtig fit werden sollten, sind Sie in der aktuellen Liga dann nicht unterfordert?

Lennart Hartmann: Was heißt unterfordert? Ich glaube, in Deutschland ist der Leistungsunterschied zwischen der ersten und dritten - und sogar teilweise der vierten Liga - relativ gering. Das Tempo ist anders, aber fußballerisch können die unteren Ligen bis hinunter in Liga vier ganz gut mithalten. Natürlich gibt es feine Unterschiede. Das merkt man an der Technik, an den ersten Ballkontakten und im Tempo. Aber auch in der 4. Liga sind die die Mannschaften mittlerweile alle taktisch gut eingestellt und es wird immer schwerer Tore zu erzielen - selbst gegen Viertligisten.

Die Regionalliga Nord-Ost im Überblick