Mr. Stinkefinger als Sahnehäubchen

Von Cihan Acar
Entlastet hier mal seine Mittelfinger - Galas Last-Minute-Transfer Cris
© anadolu

Alles Süper ist zurück und findet dramatische Zustände in der Süper Lig vor - im wahrsten Sinne des Wortes: gefeierte und gefallene Helden, zwischenmenschliche Tragödien, unerwartete komödiantische Einlagen - ein Liga-Alltag wie aus einem Drehbuch. Und keiner fasst den alltäglichen Wahnsinn so gekonnt in Worte wie ein junger Bursa-Spieler.

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Comeback: Alles Süper ist wieder da! Wir haben sie schon vor dem geistigen Auge, die Kommentar gewordenen Jubelstürme a lá: "Drecks-Liga! Wen interessiert das?" Unseren Kritikern möchten wir an dieser Stelle mit diesem Zitat eines gewissen Stafford Heginbotham entgegnen: "Fußball ist die Oper der einfachen Leute." Das tut zwar nichts zur Sache, klingt aber schön. Und damit auf ins aktuelle Themen-Getümmel der Süper Lig.

Erste Sahne: Was hat Ünal Aysal, spendabler Galatasaray-Präsident, den Anhängern in den letzten Wochen doch den Mund wässrig gemacht. Wenn Gala noch einen Spieler vor Ende des Transferfensters hole, so Aysal, werde es sich dabei um einen absoluten Weltstar handeln, der dann das "Sahnehäubchen auf der Torte" darstellen werde. Eine Abfuhr bei Kaka und einen Kreuzbandriss bei Kapitän Tomas Ujfalusi später stand dann plötzlich der als dessen Ersatz aus Lyon geholte Innenverteidiger Cris am Istanbuler Flughafen. Die Eckdaten des kantigen Ex-Leverkuseners: stolze 35 Lenze, 296 Spiele für Lyon, Spitzname "Der Polizist", Sahnehäubchen-Faktor im Minusbereich. Der Spieler selbst fand den Wechsel zu Gala auch eher nicht so sahnig. Als ihm OL-Präsident Jean-Michel Aulas mitteilte, dass man sich mit Gala über den Transfer geeinigt habe, soll Cris in der Geschäftsstelle Türen eingetreten und dem Präsidenten den Stinkefinger gezeigt haben. Da freut sich aber einer auf die neue Herausforderung am Bosporus!

Hauptsache Ausländer: Sadri Sener, langjähriger Präsident von Trabzonspor, hat in seiner bisherigen Amtszeit 32 ausländische Transfers getätigt und damit einen Rekord aufgestellt. Unter anderem finden sich folgende klangvolle Namen in seiner Einkaufsvita, die zusammen genauso gut für ein unterklassiges Gangsta-Rap-Trio aus Castrop-Rauxel stehen könnten: Isaac Promise, Tony Sylva und Faty Papy. Da diese Herren aber längst wieder weg sind und Trabzon einen schwachen Saisonstart hinlegte, begab sich Import-Sadri wieder auf Einkaufstour und holte unter anderem Marc Janko vom FC Porto und Emerson da Conceicao von Benfica. Vom sportlichen Wert der Neuen mal abgesehen, sind wir namenstechnisch doch etwas enttäuscht, da wäre etwas mehr Pepp drin gewesen. Aber an Faty Papy kommt eh keiner ran.

Funny Fatih: Fatih Terim kann auch Comedy! Eine überraschende Neuigkeit, denn bisher hatte der Gala-Coach mit Schenkelklopfern so viel am Hut wie Mesut Özil mit seinen grammatikalisch stets einwandfreien Facebook-Einträgen. Als Terim während der Partie gegen Bursa dann aber eine Paparazzi-Kamera in seiner Coaching Zone fand, versteckte er sie kurzerhand hinter seinen Assistenten auf der Ersatzbank. Die Folge: ein verzweifelter Fotograf, der wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen Terim und Ersatzbank hin und her rannte und verzweifelt sein Arbeitsgerät suchte, während Terim seelenruhig das Geschehen auf dem Platz beobachtete. Doch selbst als Spaßvogel möchte "der Imperator" einen gewissen Grad an Disziplin nicht missen. Auf die Nummer angesprochen, sprach er seinen Unmut über die Komplizen auf der Ersatzbank aus: "Sie haben ihm die Kamera zu früh zurückgegeben."

Auf und Ab: Musa Cagiran von Bursaspor erlebte am Wochenende eine dieser ominösen Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Beim Gastspiel bei seinem Ex-Verein Galatasaray erzielte der 19-Jährige zunächst den umjubelten 1:1 Ausgleich für seine Mannschaft, grätschte kurz darauf aber völlig unbedrängt die Kugel ins eigene Netz und brachte seine Farben auf die Verliererstraße. Welch ein Wechselbad der Gefühle, welch dramatisches Auf und Ab! Nur leider kam das in Musas Schilderung nicht so ganz durch. Der trimmte das außergewöhnliche Erlebnis im Interview nach dem Spiel nämlich in ein derart trockenes Beamtentürkisch, dass man schon beim Abtippen des Gesagten aufpassen muss, dass man nicht einnickt und einem der Kopf auf die Tastatur fällt: "Wir haben zurzeit etwas Pech. Als es 0-0 stand, hatten wir einige Möglichkeiten. Ich habe zunächst vorne ein Tor gemacht, später aber leider ins eigene Tor getroffen. Ich weiß gar nicht mehr, wie es passiert ist. Wir müssen nun nach vorne schauen und 823r2hfipfhzewshldfnfßßßßßß

Was? Wer? Wo bin ich? Ach ja, hier, Alles Süper. Gesicht von den Tasten, kurz durchgeschüttelt und weiter geht's. Danke für die Kopfschmerzen, Musa!

Auf und Ab II: Wie schnell man es im Süper Lig-Theater der Gefühle zum gefeierten bzw. zum tragischen Helden bringen kann, kann man zurzeit bei zwei Protagonisten nachfragen: Michael Skibbe und Ricardo Quaresma. Anti-Sunnyboy Skibbe, dem bei seiner letzten Trainerstation in Berlin noch alle Herzen davonflogen, hat es in seiner aktuellen sportlichen Heimat Karabük mit seinem kernigen Nicht-Charme irgendwie zum Liebling der Massen gebracht und wird vor den Heimspielen in die Fankurve gerufen, wo er sich dann erstmal schön feiern lässt. Quaresma hingegen war bei Besiktas bis vor kurzem noch der absolute Superstar, ist inzwischen aber in Ungnade gefallen und muss sich sogar Tickets besorgen, um die Spiele seiner Noch-Kollegen anschauen zu dürfen. Wie türkische Medien berichteten, soll der Portugiese aus Frust über seine Ausmusterung sein Zimmer auf dem Besiktas-Vereinsgelände (?) schwarz gestrichen und mit Rockstar-Postern vollgeklebt haben (?). Was diese Maßnahme bringen soll, wissen wir nicht, wohl aber, dass Karabüks Darling Skibbe durch Quaresmas Schicksal gewarnt sein dürfte.

Rios Traum: Kurzer Abstecher nach England. Rio Ferdinand, der mit Manchester United am ersten Spieltag in der Champions League auf Galatasaray trifft, verfasste kürzlich folgenden Tweet: "Morgen...Hatte einen komischen Traum...Wir spielten im Stadion von Galatasaray (feindliche Atmosphäre) gegen Barcelona, das von Fans von Braga und Cluj angefeuert wurde." Eine Szenerie wie aus einem Cagiran-Bühnenstück.

Tragödie: Bühnenreif ist inzwischen auch die zwischenmenschliche Tragödie zwischen Fenerbahce-Trainer Aykut Kocaman und seinem Kapitän Alex de Souza. Da geht es ganz schön rund: Der eine schmeißt den anderen aus dem Kader, der lästert daraufhin über ihn per Twitter, woraufhin er wieder aus dem Kader fliegt, und so weiter.

Am vergangenen Spieltag kam es dann in Sivas zu dieser dramatischen Szene: 70. Minute, Alex wird ausgewechselt. Das Spiel steht 0-0 und wird in die entscheidende Phase gehen, doch ohne ihn, ohne den Leitwolf vergangener Tage, dem mal wieder der Zahn gezogen wird. Alex verlässt das Feld, wenige Meter entfernt steht Aykut Kocaman und möchte verhindern, dass ihr Miteinander nun vollständig austrocknet. Er klatscht anerkennend in die Hände und haucht seinem gedemütigten Spieler seinen Namen zu, sucht den Augenkontakt, alles erfolglos. Der entschuldigende Annäherungsversuch verhallt. Alex schaut nicht einmal hoch und schiebt sich dann an Kocaman vorbei, starr wie eine Wand, er möchte einfach nur weg. Kocaman gibt nicht auf und versucht es noch einmal: "Alex!" Es bringt nichts, auch der zweite Versuch verläuft ins Leere, erreicht ihn nicht. Das Ende ist nah, das wissen sie nun beide.

Hier ist das Geschehene in Bildern, Taschentücher bereithalten. Universal soll bereits an den Filmrechten des Trauerspiels dran sein. Als Drehbuchautor ist unser Erzähltalent Musa C. im Gespräch, und die Choreographie der Kampfszenen wird Galas Nicht-Sahnehäubchen Cris übernehmen, der nach der Einigung darüber vor lauter Freude direkt den Verhandlungstisch entzweite. Riecht nach Blockbuster!

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