Zizou, Lügen und ein unsichtbarer Kopf

Von Thomas Gaber
Real Madrid bereitet sich derzeit in den USA auf die neue Saison vor
© Getty

Real Madrid bereitet sich derzeit in Kalifornien auf die neue Saison vor. Was plant Trainer Mourinho, wie sieht die erste Elf aus und was wird eigentlich aus den eigenen, stiefmütterlich behandelten Talenten?

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Auf dem Sunset Boulveard in Los Angeles wurden viele Stars geboren. In erster Linie Musiker wie die Heavy-Metal-Bands Mötley Crüe und Guns n' Roses, die im berühmten Rockclub Whisky a Go Go den Durchbruch schafften und eine Weltkarriere hinlegten.

Seit Dienstag hält sich der Tross von Real Madrid auf dem Sunset Boulevard auf, im schmucken Beverly Hills Hotel, einem 5-Sterne-Bunker de luxe. Hier startet Trainer Jose Mourinho mit der Umsetzung seines Masterplans, der Real Madrid zurück an die Spitze des Vereinsfußballs führen soll.

An der Hand hat der Portugiese neben fertigen Stars wie Iker Casillas, Cristiano Ronaldo oder Kaka eine Vielzahl hochtalentierter Spieler, die er zu Weltstars formen will und die dem königlichen Klub eine erfolgreiche nächste Dekade bescheren sollen.

"Wir haben eine Mannschaft für die nächsten zehn Jahre geschaffen", sagte Mourinho nach der Ankunft in Kalifornien. Auf die permanente Medien-Kritik in der Heimat, Real habe - mit Ausnahme von Coentrao - größtenteils allenfalls Durchschnitt eingekauft, anstatt mal wieder dicke "cojones" (Eier) auf dem Transfermarkt zu zeigen, wie "AS" feixte, reagiert der Coach wiederholt amüsiert.

Sahin passt zu Xabi Alonso

"Viele haben halt keine Ahnung. Wir haben sehr perspektivisch eingekauft. Coentrao ist erst 23, einen begehrteren Spieler auf seiner Position gibt es derzeit in Europa nicht. Callejon ist 22, Nuri Sahin sogar noch ein Jahr jünger. Und Raphael Varane ist mit seinen 18 Jahren fast noch ein Kind. Aber alle haben enorm viel drauf, sonst hätten wir sie bestimmt nicht verpflichtet", so Mourinho. 55 Millionen hat Real in diesem Sommer bislang für Neuverpflichtungen ausgegeben.

Von den Neuen winkt jedoch lediglich Coentrao ein Stammplatz links in der Viererkette. Sahin kämpft im Mittelfeld mit Sami Khedira und Esteban Granero um den Platz neben dem gesetzten Xabi Alonso.

Fußballerisch ist Sahin Khedira, Granero, Fernando Gago und dem wechselwilligen Lass Diarra überlegen. "Marca" freut sich schon auf das neue, kongeniale Duo. "Mit Sahin bekommt Xabi Alonso ein Zwillingsherz, und Real verliert ein Alibi: Es ist unmöglich, mit beiden schlecht zu spielen", schrieb die Zeitung.

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Für die offensive Dreierreihe im von Mourinho bevorzugten 4-2-3-1 hat Real in Mesut Özil, Ronaldo, Kaka und Angel di Maria bessere Alternativen in punkto Spritzigkeit, Dribbling und Schnelligkeit.

Allerdings muss Sahin vorerst kürzer treten. Er zog sich im Training eine Bänderdehnung zu und fällt die nächsten zwei, drei Wochen aus.

Zidane vollwertiges Familien-Mitglied

Abwehrtalent Varane von RC Lens wurde auf Empfehlung von Zinedine Zidane geholt. Der ehemalige Weltstar, der Real 2001 zum Champions-League-Titel schoss, ist seit kurzem vollwertiges Mitglied der Real-Familie.

Wäre Zizou nicht Zizou, wäre er in den letzten zwei Jahren als zwielichtige Gestalt und Handlanger von Klub-Präsident Florentino Perez verunglimpft worden. Offiziell war Zidane "Präsidenten-Berater", ein Amt, über dessen Notwendigkeit selbst in politischen Kreisen der USA häufiger diskutiert wird.

Anfang Juli wurde Zidane offiziell als Sportdirektor der ersten Mannschaft vorgestellt. Der Franzose übernimmt somit einen Teil der Aufgaben des entlassenen Generalmanagers Jorge Valdano, der im Machtkampf mit Mourinho Ende der letzten Saison von Perez erst glattgebügelt und schließlich auf die Straße gesetzt wurde.

Mourinho: "Ich freue mich, dass er sein Leben ändert, um Teil unseres Projekts zu sein. Er hat eine Menge zu bieten, aber auch eine Menge zu lernen. Der beste Fußballer auf der Welt über viele Jahre gewesen zu sein und die Aufgabe als Sportdirektor der ersten Mannschaft von Real Madrid - das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge. Aber seine Intelligenz, seine ruhige Art und seine Bereitschaft, mit allen Entscheidungsträgern offen zu kommunizieren, gefallen mir. Er ist herzlich willkommnen."

Jose Angel Sanchez: Reals unsichtbarer Kopf

Wirklich konkret ist Zidanes Aufgabenfeld noch nicht abgesteckt. "Wir werden sehen, was genau meine Aufgabe ist", sagte der 39-Jährige. Auch wenn Zidane den Varane-Deal eingefädelt hat, wird er in Sachen Transfers eher eine beratende Funktion einnehmen. Der Big Boss in Reals Transferbusiness ist Geschäftsführer Jose Angel Sanchez, der "unsichtbare Kopf" des Vereins, wie "AS" schrieb.

Sanchez ist Mourinhos rechte Hand, der Coach tauscht sich mit ihm nach eigener Aussage nahezu täglich bis 22, 23 Uhr telefonisch oder schriftlich per e-mail aus.

Zidane kann sich verstärkt auf eine Komponente stürzen, die bei Real nach Meinung der spanischen Medien seit Jahren stiefmütterlich behandelt wird: die eigene Jugend. Der Nachwuchs liegt Zidane am Herzen. Zum Amtsantritt wehrte er sich gegen die mediale Darstellung.

"Obwohl viele etwas anderes glauben, die Politik von Real wurde immer auf die Ausbildung junger Menschen ausgerichtet", sagte Zidane. "Es wird ständig über die 94 Millionen für Cristiano Ronaldo gesprochen, aber nie wird die große Anzahl von Spielern in der Liga erwähnt, die aus den Reihen der Madrider Jugend stammt."

Mourinho macht Nachwuchs wenig Hoffnung

In der Primera Division tummeln sich viele Spieler aus der Real-Cantera, in die erste Mannschaft der Königlichen hat es in den letzten Jahren allerdings kaum einer geschafft. Und ausgerechnet Mourinho macht dem hauseigenen Nachwuchs wenig Hoffnung, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird.

"Es ist schwierig, auf Spieler aus der Castilla zu zählen, da wir derzeit zwei Ziele anstreben: Zum einen geht es um die Entwicklung der Burschen, zum anderen aber auch darum, dass die Castilla endlich in die Segunda Division aufsteigt. Es hat auch dieses Jahr leider nicht geklappt, weshalb es weiterhin schwierig sein wird, auf diese Spieler zu setzen. Der Aufstieg muss endlich geschafft werden. Spieler wie Mateos, Juan Carlos oder Juanfran sind in der Segunda B unterfordert. Deshalb haben wir sie auch in der ersten Mannschaft debütieren lassen", sagte Mourinho.

Neymar kommt wohl im Winter

Als echte Verstärkung für die erste Mannschaft hätte Mourinho lieber einen externen Youngster: den 19-jährigen Brasilianer Neymar. "Ich bin mit unserem Kader sehr zufrieden, aber ein Spieler fehlt noch: ein Angreifer", sagte Mourinho in Los Angeles.

Neymar, der auch heftig vom FC Barcelona umworben wird, soll sich inzwischen für Real Madrid als künftigem Arbeitgeber entschieden haben. Real plant mit ihm für die Rückrunde, da Neymar im Dezember erst noch die Klub-WM mit dem FC Santos spielen und der Verein seinen Stürmer vorher auch unter keinen Umständen abgeben will.

Solange will Mourinho nicht warten. Gonzalo Higuain und Karim Benzema sollen im Sommer Konkurrenz bekommen. Mourinho will Alternativen im Sturmzentrum, zumal Copa-America-Teilnehmer Higuain einen Großteil der Vorbereitung verpasst.

Der Coach denkt dabei wieder an Emmanuel Adebayor. "Er war schon sechs Monate hier, vielleicht ist ein Transfer naheliegend", sagte Mourinho.

Kapitäns-Wechsel: "Dumme Sorte von Lüge"

Bei Sergio Ramos und Pepe wurden bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Beide Abwehrspieler haben ihre Verträge langfristig verlängert. Ramos unterschrieb bis 2017, Pepe bis 2016.

Mourinho kann also mit der bisherigen Vorbereitung zufrieden sein, wären da nicht die ständig nervenden Medien. Weil "Marca" von einem angeblichen Kapitäns-Wechsel von Iker Casillas zu Ramos oder Xabi Alonso berichtet hatte, ging Mourinho der Hut hoch.

"Ich verstehe die Zeitungen, weil sie in der Sommerpause möglichst viel Auflage an den Mann bringen müssen. Aber für so eine dumme Sorte von Lüge finde ich keine Worte."

Der Kader von Real Madrid

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