Felice Natalino: Das Inter-Talent, das schon mit 21 aufhören musste

Von Paolo Camedda
Felice Natalino war einst eines der größten Talente Italiens, debütierte mit 18 für Inter. Doch schon mit 21 musste das italienische Top-Talent seine Karriere beenden. SPOX und GOAL werfen einen Blick auf die Karriere Natalinos.
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Felice Natalino war einst eines der größten Talente Italiens, debütierte mit 18 für Inter. Doch schon mit 21 musste das italienische Top-Talent seine Karriere beenden. SPOX und GOAL werfen einen Blick auf die Karriere Natalinos.

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Ein Sonntagmittag im November 2010, San Siro. Inter Mailand, amtierender Champions-League-Sieger, hat Parma zu Gast. Zwar bringt Ex-Inter-Star Hernán Crespo die Gäste früh in Führung, am Ende sollte aber ein 5:2-Sieg für die Mailänder auf der Anzeigetafel stehen. Und neben Stars wie Wesley Sneijder, Dejan Stankovic, Marco Materazzi oder Javier Zanetti war daran auch ein 18-Jähriger beteiligt, der an jenem Tag sein Debüt in der Serie A feierte: Felice Natalino.

Gut zwei Jahre zuvor war der Verteidiger in Inters Nachwuchsabteilung gewechselt, nun hatte er es erstmals auf die große Bühne geschafft. Zur zweiten Halbzeit für Davide Santon eingewechselt, half Natalino mit, aus dem 3:2-Pausenstand das letztlich souveräne 5:2 zu machen.

Natalino galt seinerzeit als eines der größten Talente Italiens, lief von der U16 bis zur U19 für alle italienischen Junioren-Nationalteams auf. Doch obwohl er wenige Tage nach seinem Debüt gegen Parma im Auswärtsspiel bei Lazio Rom sogar in Inters Startelf stand und dann auch in der Champions League gegen Werder Bremen zum Einsatz kam, gelang ihm der Durchbruch bei den Nerazzurri nicht.

Natalino wurde daher verliehen, sollte bei Hellas Verona und Crotone Spielpraxis sammeln. Doch zu jener Zeit nahm seine so vielversprechende Karriere viel zu früh ein trauriges Ende: Mit 20 musste er wegen Herzproblemen operiert werden, ihm wurde ein Defibrillator eingesetzt. Natalino wollte zwar zurück auf den Platz, die Ärzte rieten ihm wegen der Probleme am Herzen jedoch davon ab. Mit nur 21 Jahren beendete Natalino daher seine Laufbahn.

"Ich war ein Junge, der es zu Inter geschafft hatte", sagte er gegenüber Inter Channel. "Doch ich musste den Fußball aufgeben. Ich habe mich für das Leben entschieden und ich bin glücklich."

Das Versprechen für Inter und Italien

Natalino begann in seiner Heimatstadt Lamezia Terme in der süditalienischen Region Kalabrien mit dem Fußballspielen. Um auf höherem Niveau spielen zu können, wechselte er in die Nachwuchsabteilung des FC Crotone, wo er den Sprung in Italiens U16-Nationalmannschaft schaffte.

Wenige Monate nach seinem Debüt dort holt Inter den damals 16-Jährigen nach Mailand - ein großer Schritt zu einem riesigen Klub. Und Natalino kann bei Inter sofort überzeugen: "Ich war eigentlich Mittelfeldspieler und wurde dann zum zentralen Verteidiger umgeschult", erklärte er mal der Gazzetta dello Sport. Schnell durfte Natalino auch bei den Profis mittrainieren und sammelte wertvolle Erfahrungen: "Ich durfte gegen Milito, Eto'o oder Balotelli spielen", schwärmt er. "Diesen Balotelli konnte man nicht stoppen. Man konnte nicht vorhersehen, was er macht, man konnte ihm den Ball nicht abnehmen. Man konnte ihn nicht einmal foulen." Es war das Inter von José Mourinho, das 2010 das Triple gewann, von dem Natalino lernte.

Aber auch abseits der Vereinsebene machte er auf sich aufmerksam. Bei Italiens U17 war er bei der EM 2009 Stammspieler, als man es bis ins Halbfinale schaffte und dort dem späteren Europameister Deutschland um Mario Götze, Marc-André ter Stegen und Shkodran Mustafi unterlag.

Und kurz bevor Inters Stars im Mai 2010 Champions-League-Sieger wurden, sicherten sich Natalino und seine U18 den Gewinn der Champions Under-18 Challenge - wie die Profis ebenfalls mit einem 2:0 gegen den FC Bayern.

Felice Natalino, Inter Mailand, Serie A
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Debüt in Serie A und CL unter Rafa Benítez

Nach dem magischen Triple-Jahr unter Mourinho, der danach zu Real Madrid wechselte, wollte man bei Inter zur Saison 2010/11 einen Neuanfang mit jungen Spielern einleiten. Im Sommer 2010 erhielt Natalino einen Anruf: "Felice, du fährst mit ins Trainingslager der ersten Mannschaft. Der neue Trainer ist Rafa Benítez." Für den damals 18-Jährigen war das der nächste Schritt auf dem Weg, es zum Profi zu schaffen. Einige Monate später, im November 2010, durfte er gegen Parma dann in der Serie A debütieren.

Und damit nicht genug. Benítez, der ihn als Rechtsverteidiger einsetzte, schenkte ihm wenige Tage später gegen Lazio Rom sogar von Beginn an das Vertrauen. Anfang Dezember 2010 spielte Natalino dann Champions League, wurde bei einer 0:3-Niederlage in Bremen für Inter-Legende Javier Zanetti eingewechselt.

"Ich schaffte es mehrfach in den Kader, auch wegen der vielen Verletzungen. Benítez sah mich auf dem Flügel", sagte Natalino der Gazzetta dello Sport. Seinen ersten Serie-A-Einsatz gegen Parma erlebte sein Vater live im Stadion - ein hochemotionaler Moment. "Er lauschte den Gesängen der Fans, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen. Vor seinen Augen zogen Bilder von all den Zeiten vorbei, in denen wir nach Crotone hin und her fuhren."

Herzprobleme zwingen Natalino zu frühem Karriereende

Um Natalino mehr Spielpraxis auf Profi-Level zu ermöglichen, verleiht Inter das Abwehrtalent im Sommer 2011 an den damaligen Zweitligisten Hellas Verona. In der Serie B kommt er dort jedoch nicht zum Einsatz, spielt lediglich einmal in der Coppa Italia für die erste Mannschaft.

Anfang 2012 wird der nun 19-Jährige daher an seinen Jugendklub Crotone weiterverliehen, ebenfalls zweite Liga. Auch dort kommt er jedoch lediglich auf einen Einsatz, sitzt meist nur auf der Tribüne. "Ich erhielt keine Erklärung dafür", beklagte Natalino später.

Im Sommer 2012 kehrt er schließlich zurück zu Inter. Er soll die Saison-Vorbereitung bei der ersten Mannschaft machen und muss daher einige medizinische Tests absolvieren. "Der Arzt sagte: 'Mit ihrem Herzen stimmt etwas nicht. Sie haben unregelmäßige Herzschläge'", erinnert sich Natalino.

Den Sommer verbringt er mit weiteren Untersuchungen in unterschiedlichen Krankenhäusern, ehe er schließlich die traurige Nachricht erhält: Die Ärzte teilen ihm mit, dass er die gleiche Herzproblematik aufweist wie der wenige Monate zuvor an einem Herzinfarkt verstorbene frühere italienische Profi Piermario Morosini.

In Italien hätte Natalino fortan ohnehin nicht mehr spielen dürfen, eine Fortsetzung seiner Karriere im Ausland auf eigene Verantwortung wäre eine Option gewesen. "Ich sprach mit meinem Vater darüber und wir dachten an die vielen Opfer, die wir für meine Karriere gebracht hatten. Aber meine Mutter flehte mich an, aufzuhören", erzählte Natalino.

In den folgenden Monaten denkt er darüber nach, wie er nun weitermachen soll. Er pausiert mit dem Fußball, lässt sich jedoch ein Hintertürchen offen. Doch im Februar 2013 ereilt Natalino ein weiterer dramatischer Moment. "Ich war mit einigen Freunden unterwegs, als mir plötzlich übel wurde", erinnert er sich. "Glücklicherweise fuhr ich in die Notaufnahme, doch sie konnten meinen Herzschlag nicht kontrollieren. Ich hatte einen Herzinfarkt."

Er wird in ein Krankenhaus nach Mailand gebracht, ein Herzversagen droht. Er muss operiert werden, ihm wird ein Defibrillator implantiert. "Man erklärte mir danach, dass ich Glück gehabt hatte: Wäre das Problem während eines Spiels aufgetreten, würde ich jetzt hier nicht sitzen und reden."

Zwar gibt Natalino den Traum von einer Rückkehr auf den Fußballplatz weiterhin nicht auf, doch nach weiteren Untersuchungen raten ihm die Ärzte entschieden davon ab. Das Risiko ist schlichtweg zu hoch.

Und schließlich trifft Natalino die Entscheidung, nicht mehr professionell Fußball zu spielen. Am 30. Oktober 2013 verkündet er bei Twitter sein Karriereende. "Leider hat das Schicksal es anders gewollt", schrieb Natalino zu einem Trainingsfoto von ihm und Samuel Eto'o. "Aber die Ehre, mit Göttern wie ihm gespielt zu haben, wird mir ewig in Erinnerung bleiben."

Das neue Leben

Nach dem Ende seiner Laufbahn hilft Natalino zunächst seinem Vater in der familieneigenen Fußballschule und arbeitet in seiner Freizeit in einem Fitness-Studio.

Die Welt des Fußballs und vor allem Inter vergessen den ehemaligen Verteidiger jedoch nicht. Die AIC, die italienische Fußballspielervereinigung, verlieh ihm ein Stipendium für Sportmarketing, und 2015 kehrte Felice in seiner neuen Funktion als Scout für den Jugendbereich zu Inter zurück.

"Ab und zu denke ich darüber nach, was hätte sein können", gibt Natalino zu. "Aber ich weiß, dass die ernsthaften Probleme woanders liegen und dass die Gesundheit über allem steht. Ich habe gelernt, das Glas zu betrachten, ohne mich zu fragen, ob es halb voll oder halb leer ist: Ich spiele nicht mehr, aber es hätte schlimmer sein können."

Heute leitet er auch eine Fußballschule in seiner Heimatstadt Lamezia Terme. Und wenn er dort ist, um seine Geschichte zu erzählen, stehen die jungen Spieler oft mit offenem Mund da und stellen ihm immer die gleiche Frage: "Hast du wirklich mit Eto'o und Zanetti gespielt?"

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