Wider alle Rückschläge

Von Daniel Reimann
Giuseppe Rossi traf bisher ein 13 Ligaspielen elf Mal für den AC Florenz
© getty

Vom Juwel zur Tormaschine: Giuseppe Rossi erlebte einen fabulösen Aufstieg, bis er nach zahlreichen Rückschlägen plötzlich vor den Trümmern seiner Karriere stand. Doch Rossi kämpfte sich zurück - und feiert jetzt eine fulminante Wiederauferstehung.

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"Er ist die Zukunft des Vereins", frohlockt der alte Mann mit grauem Haar und Teddybär-Grinsen. Es ist Sir Alex Ferguson. Er spricht über einen der begehrtesten Youngster des Landes. Soeben wurde das 19-jährige Juwel für vier weitere Jahre an Manchester United gebunden.

Es war das letzte Mal, dass die Perspektive für Giuseppe Rossi bei den Red Devils derart blumig beschrieben wurde. Die darauffolgende Saison ließ er sich ausleihen, um Spielpraxis zu sammeln. Erst zu Newcastle United, dann zum FC Parma. Nach einer starken Rückrunde in der Serie A (9 Tore in 19 Spielen) kehrte das gereifte Talent zurück nach Manchester.

Doch dort wurde ihm zusätzlich zur Parade-Offensive Rooney/Ronaldo noch Carlos Tevez vor die Nase gesetzt. Die Perspektive sah ganz und gar nicht rosig aus. Rossi - die Zukunft des Vereins? Für den damals 20-Jährigen schien es nur noch Wunschdenken zu sein. Er begrub den großen Traum und tauschte ihn gegen die Chance, regelmäßig spielen zu können. Rossi wechselte zu Villarreal.

Schwere Rückschläge stoppen die Fabelkarriere

Ein guter Deal, wie sich herausstellte. Rossi wurde Leistungsträger, Torjäger, Fanliebling. Er wurde Vizemeister, spielte Champions League, avancierte zum Nationalspieler. Drei Jahre lang ging es fast ausschließlich bergauf.

Doch plötzlich ereilte ihn der erste schwere Rückschlag seiner Fabelkarriere: Im Februar 2010 verstarb sein Vater nach langer Krankheit. Sein Vater, der selbst in den USA Fußballtrainer war. Der seinen Sohn zum Fußball gebracht hat. "Er war mein erster Coach", erzählte Rossi rückblickend, "doch solche Dinge musst du überwinden. Du musst stark sein, als Charakter und Persönlichkeit."

Der Fußballer Rossi ließ sich nicht beirren. Er knipste weiter nach Belieben, ballerte Villarreal in den europäischen Wettbewerb und krönte die anschließende Saison mit sagenhaften 32 Pflichtspieltoren. Doch die noch folgenden sportlichen Rückschläge sollten seine Hartnäckigkeit endgültig auf die Probe stellen.

Im Oktober 2011 riss er sich das Kreuzband. Nachdem er sich tapfer zurück ins Mannschaftstraining gekämpft hatte, ereilte ihn sechs Monate später das gleiche Schicksal. Das gleiche Kreuzband riss erneut. Und Rossi musste hilflos mit ansehen, wie sein Team als Champions-League-Teilnehmer abstieg.

"Das Ende eines Alptraums"

Zu diesem Zeitpunkt hatten ihn viele bereits abgeschrieben. Rossi verschwand vom Bildschirm der Öffentlichkeit, über ein vorzeitiges Karriereende wurde spekuliert. Nur einer ließ sich nicht beirren: "Ich blicke immer nach vorne und schaue, wie ich zurückkommen kann", stellte Rossi klar. "Ich habe niemals darüber nachgedacht mit Fußball aufzuhören."

In Florenz glaubte man an ihn. Die Fiorentina verpflichtete ihn im Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 14 Monate lang kein Pflichtspiel bestritten und würde noch lange ausfallen. Egal. Florenz zahlte eine zweistellige Millionensumme.

Ausgerechnet in Pescara war es dann so weit: In den Abruzzen, der Heimatregion seiner Familie, feierte Rossi Ende der vergangenen Saison sein Comeback. Nach 570 Tagen Verletzungspause. "Ich habe den Ball nur ein paar Mal berührt", erzählte Rossi nach dem Spiel. Doch das kümmerte ihn nicht. "Es war das Ende eines Alptraums. Und ich hoffe, das ist erst der Anfang."

Fulminantes Comeback gegen Turin

Er wurde in seiner Hoffnung nicht enttäuscht. Während zur neuen Saison plötzlich alle Augen auf Neuzugang Mario Gomez gerichtet waren, begann Rossi, wie zu besten Zeiten zu knipsen. Seine endgültige Rehabilitation feierte er ausgerechnet gegen Juventus Turin.

Gegen das Juventus, das Florenz zu Hause seit 15 Jahren nicht besiegen konnte. Turin, wo Rossi einst fast gelandet wäre. "Die Verhandlungen waren weit fortgeschritten. Aber dann hat Villarreal die Champions League erreicht und klargestellt, dass keiner geht", verriet er im Nachhinein.

Gegen die Alte Dame lag Florenz 0:2 zurück. Bis Rossi aufdrehte, mit drei Toren die furiose Aufholjagd vorantrieb und für grenzenlose Begeisterung sorgte. "Leute haben nach dem Spiel auf der Tribüne geheult, als hätten wir die Champions League gewonnen", beschrieb er die Emotionen der Fans im Stadio Artemio Franchi. Ihr Held an diesem Tag war er. Rossi war endgültig zurück im Rampenlicht.

Montella: Kein besserer Spieler in der Serie A

Doch nicht nur der Fiorentina-Anhang ist beeindruckt. Auch Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli honorierte Rossis bemerkenswertes Comeback mit einer Nominierung für die zurückliegenden Länderspiele. Nach über zwei Jahren Pause trug er gegen Armenien erstmals wieder das Trikot der Squadra Azzurra.

"Ich bin Cesare Prandelli sehr dankbar", beteuerte Rossi. "Ich werde alles dafür tun, um das in mich gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen." Er tat es nur wenige Spiele später, als er beim 2:2 gegen Nigeria den Führungstreffer erzielte.

Vergessen ist die Zeit, als ihn Marcello Lippi anno 2010 als einen der Letzten aus dem WM-Kader gestrichen hat. Mit Blick auf die WM 2014 führt in Italien wohl kein Weg an Rossi vorbei. Kaum ein Offensivspieler spielt derzeit eine solche entscheidende Rolle für sein Team, kaum einer ist in derart bestechender Form.

Sein Trainer holte unlängst sogar noch weiter aus: "Ich kann mir zurzeit keinen besseren Spieler in der Serie A vorstellen", sagte Vincenzo Montella. Und Sportdirektor Daniele Prade legte noch einen drauf: "Giuseppe Rossi ist unsere Zukunft." Es sei Rossi zu wünschen, dass Prade damit richtiger liegt als einst Sir Alex...

Giuseppe Rossi in der Zusammenfassung