Von Richard Martin und Patrik Eisenacher
Investor, Manchester United, Red Devils, England, Premier League, INEOS, Sir Jim Ratcliffe
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Manchester United wird sich dank Sir Jim Ratcliffe verändern. Der geborene Mancunian muss sich nach dem baldigen Abschluss seines Investments um grundlegende Bereiche bei den Red Devils kümmern.

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Bald ist die Investitionssaga bei Manchester United zu Ende. Wenn die Premier League abschließend zustimmt, hat sich Sir Jim Ratcliffes Unternehmen INEOS einen 25-prozentigen Anteil für 1,4 Milliarden US-Dollar am Verein gesichert. Die Red Devils gaben den Deal mehr als zwei Monate nach den ersten Berichten bekannt.

Die verhasste Glazer-Familie wird aber weiterhin die Hauptkontrolle behalten - wenngleich INEOS das letzte Wort über die Januar-Transfers 2024 haben wird. Die meisten Fans hatten sich einen Abgang der Glazers gewünscht.

INEOS hat bereits einige Erfahrungen im Spitzensport gesammelt und wird die Dinge im Old Trafford nach einem Jahrzehnt des Niedergangs unter der Leitung der Glazers sicher verbessern.

Bei Manchester United läuft es derzeit nämlich grauenhaft. 13-mal hat der Verein bereits verloren. Zuletzt gab es nach 0:2-Rückstand gegen Aston Villa im Old Trafford aber noch einen 3:2-Sieg und etwas Hoffnung. Doch in der Champions League sind die Red Devils bereits ausgeschieden. So können sie sich ganz auf die erneute Qualifikation konzentrieren.

SPOX wirft einen Blick auf alle Bereiche, die Ratcliffe und das INEOS-Team angehen müssen, um das Schicksal von United ins Positive zu verkehren.

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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: Die Fans auf seine Seite bringen

Ratcliffe war für viele Fans die erste Wahl als nächster Investor, als im Sommer 2022 der Dissens mit der Glazer-Familie schlimmer wurde. Theoretisch sollte es ihm nicht schwerfallen, die Fans zu überzeugen. Der Milliardär wuchs in einer Sozialsiedlung im Norden Manchesters auf, nur eine Meile von dem Ort entfernt, an dem United ursprünglich als Newton Heath LYR Football Club gegründet wurde. 1999 besuchte er das Champions-League-Finale in Barcelona und bezeichnete es als seine "außergewöhnlichste Fußballerinnerung".

Viele Fans begannen jedoch, sich gegen Ratcliffe zu wenden, als sich herausstellte, dass er nur an einer Teilbeteiligung interessiert war und einen Deal abschloss, der dazu führte, dass die Glazers an Bord blieben - im Gegensatz zum Angebot des konkurrierenden Bieters Sheikh Jassim Bin Hamad Al Thani, der den Verein komplett kaufen wollte.

Ratcliffe wollte zuerst 69 Prozent, dann 50 und landete schließlich bei 25. Seine positiven Äußerungen über die Glazers, in denen er sie als "charmant" und "sehr nett" bezeichnete, haben sein Ansehen bei vielen Anhängern weiter geschädigt.

Es liegt nun an ihm, dies zu korrigieren. In Frankreich ist Ratcliffe dafür bekannt, dass er sich mit den Nizza-Anhängern austauscht. Es dürfte nicht schwer sein, die Leute wieder ins Boot zu holen, wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigt, regelmäßig Spiele besucht und mit dem Fanbeirat und anderen Fangruppen spricht.

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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: Das Old Trafford modernisieren

Das Stadion von United ist nach wie vor das größte Vereinsstadion in Großbritannien und eines der größten in Europa. Aber sein Status hat sich aufgrund mangelnder Investitionen deutlich verschlechtert. Der letzte bedeutende Ausbau, die Erweiterung der Kapazität auf 75.000, fand 2006 statt. Die Glazers wollten sich vor ihrer Übernahme 2006 eigentlich schon darum kümmern.

Seitdem gab es nur noch gelegentlich einen neuen Anstrich oder die erfolgreiche Installation von WLAN. Die Anzeigetafeln wurden seit Anfang der 2000er Jahre nicht verändert und es gibt keine Videoleinwände. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass das Dach des Stretford End bei den häufigen Regengüssen in Manchester undicht wird. Die Sitze sind klein und die Katakomben in der Halbzeitpause überfüllt.

Das Stadion wirkt zunehmend veraltet, insbesondere im Vergleich zu den glänzenden neuen Heimstätten von Tottenham Hotspur und West Ham, sowie den modernisierten Stadien von Manchester City und auch Liverpool. Es war für einige wenig überraschend, dass das Etihad-Stadion von City, dessen Kapazität nach der geplanten Modernisierung auf 60.000 Zuschauer erhöht werden soll, statt dem Theatre of Dreams bei der EURO 2028 zum Einsatz kommen soll.

Es wurde bereits berichtet, dass Ratcliffe die Kapazität des Old Trafford auf 90.000 Zuschauer erhöhen möchte. Aber wenn er den internationalen Ruf des Stadions wiederherstellen will, muss er viel mehr tun, als nur zusätzliche Sitzplätze zu schaffen. Das erfordert erhebliche Investitionen. Real Madrid hat etwa eine Milliarde Euro für die Modernisierung des Santiago Bernabeu ausgegeben, ohne die Kapazität zu erhöhen. Das Camp Nou in Barcelona, bei dem noch mehr neu gemacht wird, dürfte den Verein etwa 1,5 Milliarden Euro kosten.

Unter Umständen könnte das Old Trafford sogar abgerissen werden.

Antony, Manchester United
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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: Bessere Spieler günstiger verpflichten

In einem Interview mit der Times im Jahr 2019 erklärte Ratcliffe bereits schonungslos, was er bei United ändern würde. Auch damals hatte der Verein schwer zu kämpfen - wegen damals wie heute katastrophaler Transfers. Vor allem Fred, der 2018 für 59 Millionen Euro gekommen war, stand in der Kritik.

"United hat seit dem Abgang von [Sir Alex] Ferguson sehr viel Geld ausgegeben und war darin, gelinde gesagt, schlecht. Schockierend schlecht, um ehrlich zu sein", sagte Ratcliffe. "Sie haben die Auswahl des Managers nicht richtig hinbekommen, haben nicht gut eingekauft. Sie haben das Geld dumm ausgegeben, wie man an Fred sieht."

"Wir haben hier [in Nizza] eine andere Herangehensweise, wir wollen einigermaßen intelligent vorgehen. Wir versuchen, es mehr an der Basis zu machen und junge Talente zu finden. Einige Vereine scheinen dazu in der Lage zu sein, Southampton, Lille. United hat es wirklich schlecht gemacht. Sie haben den Faden verloren."

In den letzten Jahren hat United die beunruhigende Angewohnheit entwickelt, komplett überteuerte Ablösen für Spieler zu zahlen und sie dann fast ablösefrei gehen zu lassen. Fred verließ den Verein im letzten Sommer für zehn Millionen Euro, David de Gea ging ablösefrei, und für Harry Maguire, Scott McTominay oder Jadon Sancho konnte der Klub bislang keine vernünftigen Angebote einholen.

Die Konkurrenten haben dagegen gut verkauft. Manchester City hat 2022 trotz des Kaufs von Erling Haaland einen Transfergewinn erzielt und seine Jugend-Akademie in eine Gelddruckmaschine verwandelt.

Ratcliffe und INEOS-Sportdirektor Sir David Brailsford müssen das Rekrutierungsnetzwerk von United überarbeiten, um sicherzustellen, dass sie eine große Auswahl an Spielern haben und nicht über den Tisch gezogen werden - wie bei Mason Mount, der für 64 Millionen Euro vom FC Chelsea kam und Antony, für den United 2022 tatsächlich 95 Millionen Euro hinblätterte.

Paul Mitchell
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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: Führungsetage ausmisten

Die Rekrutierung von Spielern ist nicht der einzige Personalbereich, den Ratcliffe und sein neues Team in Angriff nehmen wollen. Der Vorstandsvorsitzende Richard Arnold wurde bereits entlassen, und der Sportdirektor John Murtough könnte als nächster auf dem Präsentierteller landen.

Murtough fehlte es in der Rolle, die er 2021 übernahm, an Erfahrung. Er hat drei Sommertransferfenster mit gemischten Ergebnissen zu verantworten. Sancho, Mount, Antony und Andre Onana sind nur einige der Verpflichtungen, die unter seiner Leitung nicht einschlugen wie gewünscht.

Berichten zufolge erwägt Ratcliffe eine Reihe von Veränderungen an der Vereinsspitze, darunter die Verpflichtung von Paul Mitchell (AS Monaco) als neuen Sportdirektor, was für Murtough eine schlechte Nachricht wäre. Mitchell arbeitete einst an der Seite von Mauricio Pochettino in Southampton und dann bei Tottenham und war für die Verpflichtung von Heung-min Son, Dele Alli und Kieran Trippier verantwortlich.

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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: Frauen-Mannschaft verstärken

Die Frauenmannschaft von United hat es seit ihrer Gründung 2018 sehr weit gebracht. In der vergangenen Saison wurde sie Zweiter in der englischen Women's Super League und erreichte erstmals das Finale des FA Cups. Allerdings hat man das Gefühl, dass der Frauen-Verein etwas an Orientierung verlor, nachdem die Star-Spielerinnen Ona Battle und Alessia Russo im Sommer ablösefrei gegangen sind und die englische Torhüterin Mary Earps kurz davor stand, zu Arsenal zu wechseln.

Wie der große Erfolg bei der letzten Europameisterschaft 2021 und der Weltmeisterschaft 2023 gezeigt hat, entwickelt sich der Frauenfußball in einem bemerkenswerten Tempo. United muss sicherstellen, dass man an der Spitze bleibt und nicht hinter Mannschaften wie Arsenal, Chelsea und Manchester City zurückfällt.

Ratcliffe sollte die Investitionen in den Kader erhöhen, um Spitzenspielerinnen wie Earps an sich zu binden, und ein größeres Stadion in Manchester bauen, um die boomende Nachfrage nach Eintrittskarten zu befriedigen.

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Manchester United unter Sir Jim Ratcliffe: In die Jugendakademie investieren

Ratcliffe hat bereits angedeutet, wie wichtig es für ihn sei, junge Spitzenspieler zu verpflichten. United hat eine wunderbare Tradition in der Förderung junger Talente und seit 1937 an jedem Spieltag einen Spieler aus der Akademie im Kader, ist aber in den letzten Jahren hinter City zurückgefallen.

Die Nachfrage nach Absolventen der City-Akademie ist so groß, dass der Verein im Sommer hohe Ablösesummen für Spieler wie Cole Palmer (Chelsea), James Trafford (Burnley) und Carlos Borges (Amsterdam) einfahren konnte, obwohl sie kaum für die Mannschaft von Pep Guardiola gespielt hatten.

Bei United stechen aktuell immerhin Alejandro Garnacho und Kobbie Mainoo positiv hervor. Aber es besteht kein Zweifel, dass sie noch viel Arbeit vor sich haben, um mit ihren Kollegen mithalten zu können. Ein Teil des Problems ist das Trainingsgelände, in das in den letzten Jahren zu wenig investiert wurde, wie Cristiano Ronaldo in seinem berüchtigten Interview mit Piers Morgan beklagte.

Wenn es Ratcliffe gelingt, United davon zu überzeugen, in die Zukunft zu investieren, wird der Verein auch dafür belohnt werden.