"Ein Wechsel nach China kommt nicht infrage"

Von Interview: Daniel Herzog
Willian wechselte 2013 von Anschi Machatschkala zum FC Chelsea
© getty

Willian gehört zu den Konstanten in der Erfolgsserie beim FC Chelsea. Vor dem Spitzenspiel gegen den FC Liverpool (Di., 21 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) spricht der Brasilianer über die Arbeit von Trainer Antonio Conte, den Wechsel seines Kumpels Oscar, die schwerste Phase seiner Karriere nach dem Tod seiner Mutter und die neue Qualität der Selecao.

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SPOX: Willian, Sie haben mit Chelsea abgesehen vom 0:2 gegen Tottenham einen brutalen Lauf. Dabei kam das Team schwer in die Saison, gab es einen Schlüsselmoment für den Umschwung?

Willian: Wenn ein neuer Trainer kommt, ist es immer schwer, alles sofort richtig umzusetzen und erfolgreich zu sein. Deshalb lief es bei uns erst nicht perfekt, aber mit der Zeit haben wir bessere Ergebnisse eingefahren und hatten diese unglaubliche Siegesserie. Ein Schlüsselspiel gab es dabei aber nicht.

SPOX: Mittlerweile haben sich Mannschaft und Trainer aneinander gewöhnt. Wie geht Antonio Conte mit der Mannschaft um?

Willian: Er arbeitet immer hart mit uns und bereitet sich auf jeden Gegner sehr genau vor, damit wir in jedes Spiel mit dem richtigen Matchplan gehen.

SPOX: Was hat er konkret im Vergleich zu Jose Mourinho geändert?

Willian: Conte hat andere Trainingsmethoden und eine andere Spielphilosophie. Er ist eher der Motivator. Er erwartet von uns Vollgas, wenn wir auf dem Platz stehen. Aber auch Mourinho ist ein großartiger Trainer, er hat hier viele Titel geholt. Conte führt seine gute Arbeit jetzt fort.

SPOX: Unter Mourinho hat Chelsea letzte Saison das internationale Geschäft verpasst, nachdem das Team im Jahr davor noch Meister wurde. Was ist da passiert?

Willian: Ich weiß nicht genau, was das Problem war. Wir hatten eine schlechte Saison, unser Start war schon nicht gut und wir haben zu viele Spiele verloren. Den Rückstand konnten wir dann nicht mehr aufholen. Das ist uns in dieser Saison besser gelungen.

SPOX: Wie fühlt es sich an, mit einem Klub wie Chelsea nicht international zu spielen?

Willian: Es ist klar, dass wir alle in der Champions League spielen wollen. Aber das können wir jetzt wieder mit guten Leistungen regeln. Wenn wir gut spielen, werden wir nächste Saison wieder in der Königsklasse auftreten.

Willians PL-Statistiken in der Saison 2016/17

SPOX: Wie zufrieden sind sie mit Ihrer persönlichen Situation unter Conte? Sie hatten im Oktober eine schwere Situation zu meistern, als Ihre Mutter einem Krebsleiden erlegen ist.

Willian: Die Situation war mental schwierig für mich. Ich habe auch körperlich gelitten und vier Kilo abgenommen. Aber die erste große Phase der Trauer habe ich überstanden, jetzt läuft es gut und ich habe mein Selbstvertrauen wieder gefunden. Ich fühle mich wohl.

SPOX: Deshalb haben Sie auch ihren Vertrag im Sommer bis 2020 verlängert.

Willian: Ja, ich spiele gerne für Chelsea. Ich mag die Umgebung, den Verein und auch die Premier League. Meine Familie fühlt sich auch wohl hier. Ich habe hier alles, was ich brauche.

SPOX: Gibt es noch andere Vereine in Europa, die ihnen gefallen?

Willian: Nein, nur Chelsea. (lacht)

SPOX: Was sagen sie zum Wechsel Ihres Kumpel Oscar nach China?

Willian: Ich freue mich für ihn, weil er unbedingt dort hin wollte. Natürlich verdient er dort viel Geld, aber das Wichtigste ist es, glücklich zu sein. Ob er nun hier glücklich ist oder in China, das spielt keine Rolle.

SPOX: Wäre China auch für Sie eine Option?

Willian: Nein, für mich kommt ein Wechsel nach China nicht infrage.

SPOX: Oscar erlebt in China gerade einen Kulturschock. Sie haben eine ähnliche Erfahrung gemacht, als sie von den Corinthians Sao Paulo zu Schachtjor Donezk gewechselt sind. Können Sie ihre Gedanken von damals mit uns teilen?

Willian: Es war auf jeden Fall eine sehr schwer Zeit. Alles war anders: die Sprache, das Essen, die Menschen, einfach alles. Aber als ich gewechselt bin, lag mir kein anderes Angebot vor und die Entscheidung hat sich als goldrichtig herausgestellt. Ich habe in Donezk fünf glückliche Jahre verbracht und habe sehr viel gelernt.

SPOX: Von Donezk wechselten Sie zu Anschi Machatschkala. Wie kam die Entscheidung zustande und warum haben Sie den Verein so schnell wieder verlassen?

Willian: Ich habe zwei Jahre lang versucht, Donezk zu verlassen, allerdings hatte der Verein etwas dagegen, Schachtjor hat viele Angebote ausgeschlagen. Anschi hat dann die geforderte Ablöse gezahlt und deswegen bin ich dort hingegangen. Sechs Monate später war ich dann plötzlich bei Chelsea. Warum das so genau abgelaufen ist, kann ich Ihnen nicht genau sagen.

SPOX: Sie haben vorher gesagt, es sei enorm wichtig, glücklich zu sein. Wie glücklich waren Sie in Russland?

Willian: Es war nicht leicht, aber trotzdem eine gute Erfahrung für mich und meine Familie. Wir haben in Moskau gewohnt und trainiert und sind dann für die Spiele nach Machatschkala geflogen. Man konnte dort nicht leben, weil es zu gefährlich war. Das war natürlich sehr ungewöhnlich.

SPOX: Mit der brasilianischen Nationalmannschaft spielen Sie momentan eine starke WM-Qualifikation, nachdem die Selecao die letzten Jahre viele Probleme hatte. Ist Brasilien derzeit wieder die stärkste Mannschaft in Südamerika?

Willian: Wir sind in einer sehr guten Verfassung, haben sieben Spiele gewonnen und führen die Tabelle an. Ich glaube, wir können den Spieß wieder umdrehen.

SPOX: Was hat der neue Trainer Tite verändert?

Willian: Er hat eine neue Spielphilosophie implementiert und er bereitet uns immer sehr gut auf die kommenden Gegner vor. Außerdem sind wir auch außerhalb des Platzes alle sehr zufrieden. Die Siege haben uns viel Selbstvertrauen gegeben.

SPOX: Heißt das im Umkehrschluss, dass die Selecao unter Vorgänger Carlos Dunga keinen so detaillierten Matchplan hatte?

Willian: Nein, auch er hatte einen Matchplan. Aber manchmal ist es eben im Fußball so, dass du zwar gut spielst, aber dir das nötige Glück fehlt. Wir hatten kein Probleme mit Dunga.

SPOX: Kann Brasilien mit ihrem neu gewonnen Selbstvertrauen die WM 2018 in Russland gewinnen?

Willian: Natürlich wollen wir Weltmeister werden, aber wir müssen das Schritt für Schritt angehen und nicht einfach sagen, wir holen den Titel.

SPOX: Die FIFA hat kürzlich bekanntgegeben, dass ab der WM 2026 48 Teams an dem Turnier teilnehmen werden. Was halten Sie davon?

Willian: Es ist gut für den Fußball.

SPOX: Warum?

Willian: Die Belastung wird insgesamt sicher größer, aber so haben viel mehr Länder die Möglichkeit, sich für das Turnier zu qualifizieren. Viele Spieler träumen davon, einmal bei einer WM dabei zu sein. So können sich viel mehr Spieler ihren Traum erfüllen.

SPOX: Beim Thema WM kommen wir natürlich nicht am 1:7 gegen Deutschland bei der Heim-WM 2014 vorbei.

Willian: Das war natürlich brutal hart, aber wir vergessen jetzt lieber, was bei diesem Spiel passiert ist.

SPOX: Kann man das wirklich vergessen?

Willian: Man muss.

SPOX: Auch wenn man ja ständig daran erinnert wird, zum Beispiel von Toni Kroos, der zum Jahresbeginn einen Tweet abgesetzt hat.

Willian: Den Tweet habe ich gesehen. Er hat einen Scherz gemacht, das ist okay.

SPOX: Haben Sie es auch als solchen wahrgenommen?

Willian: Ja, klar. Er hat nur rumgealbert und ich habe damit kein Problem.

Willian im Steckbrief