Kein Feind in Sicht

Jose Mourinho bekam wegen Schiedsrichter-Kritik eine Geldstrafe - mehr war bisher nicht
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Für Jose Mourinho ist es beim FC Chelsea wie früher: Er hat viel zu tun, hat einige Problemkinder, denen er helfen muss und der Erfolg hat sich auch schnell eingestellt. Nur eines ist anders als früher: Es ist deutlich ruhiger geworden. Keine Eklats, keine Skandale - keine Feinde.

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Nein, an Langeweile leidet Jose Mourinho derzeit sicher nicht. Der Portugiese hat beim FC Chelsea viel zu viel Arbeit, um überhaupt darüber zu sinnieren, ob sein Leben in London eintönig sein könnte.

Da ist der Wiederaufbau seines FC Chelsea. "Dafür brauchen wir Zeit, wir sind noch am Anfang", sagt Mourinho immer wieder. Neulich verglich er seine Spieler mit Eiern. "Eier, die eine Mutter - in diesem Fall einen Vater - brauchen, der sie warm hält, mit ihnen arbeitet und sie verbessert."

Da ist die Resozialisierung einiger Stars, die bei Chelsea zuletzt unter Liebesentzug litten. Fernando Torres ist so einer. Zuvor noch Opfer von Hohn und Spott, bricht der Spanier - um mal im Bild zu bleiben - unter Mourinho aus seiner Schale. Torres glänzte nicht nur mit einem Doppelpack beim 3:0 auf Schalke, sondern schon die ganze Saison über.

Mourinho will England helfen

Chelsea-Ikone John Terry dankte Mourinho neulich, dass er "mich immer gut behandelt". War der ehemalige Weltklasseverteidiger unter Andre Villas-Boas, aber auch unter Rafael Benitez, fortwährender Bankdrücker, ist er unter Mourinho wieder der unumstößliche Abwehrchef der Blues.

Neuerdings kümmert sich Mourinho auch die Belange der Nationalmannschaft. Er versteht es in seiner Funktion als Vereinstrainer, dem Fußball-Land zu dienen und jungen Engländern eine Chance zu geben, damit sie langfristig der Nationalmannschaft helfen können.

"Es wäre schade, wenn in ein paar Jahren keine englischen Chelsea-Spieler mehr auf dem Platz stehen. Wir müssen eine neue Generation entwickeln", so Mourinho.

Keine Brandreden, keine Eklats

Viele spannende und wichtige Aufgaben für einen Mann, der nie im Verdacht stand, zu wenig um die Ohren zu haben. Aber Mourinho, und zumindest in diesem Punkt könnte Langeweile ein aktives Kriterium werden, hat sich auch noch nie beschwert, wenn die Atmosphäre in seiner Umgebung aufgeladen oder - besser noch - vergiftet war. Nur kann von Gift im Umfeld Mourinhos überhaupt keine Rede sein.

Mourinho 2013/2014 bei Chelsea: Da gibt's keine Brandreden, keine Skandale, kein Eklats und vor allem: Es ist kein Feind in Sicht.

Am Samstag steigt in Spanien der Clasico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid. Zwar hätte Mourinho, wenn er jetzt noch Real-Trainer wäre, die obligatorische Pressekonferenz geschwänzt und seinen Assistenten Aitor Karanka vorgeschickt, doch spätestens nach dem Aufeinandertreffen der spanischen Big Player wäre die Explosionsgefahr beim Portugiesen recht hoch gewesen.

El Clasico: So ruhig wie nie

Das Vorgeplänkel des Clasico ist diesmal so ruhig wie lange nicht mehr. Ob es wirklich daran liegt, dass Mourinho erstmals seit drei Jahren unbeteiligt ist, darf durchaus spekuliert werden. Nachfolger Carlo Ancelotti ist genauso kein Lautsprecher wie Barcas Übungsleiter Tata Martino.

Auch die Spieler haben nach unzähligen Pseudo-Kriegen keine Freude mehr daran, die Keule zu schwingen, zumal beide Klubs unter der Woche wichtige Champions-League-Spiele zu absolvieren hatten. Real schlug Juventus, Barcelona holte in Mailand einen Punkt.

Erst neulich hat Mourinho in einem Interview den Unterschied beider Fußball-Länder sehr anschaulich dargestellt: "Wenn sie in Spanien 'Hijo de puta portugues' (portugiesischer Hurensohn) singen, dann ist das tiefste Emotion. Ein richtiger Hass." Und: "Sie meinen das ernst."

Mourinho schätzt englische Feindseligkeit

Die Antipathie in England findet der Chelsea-Coach dagegen sympathisch: "Ich genieße es, auswärts zu spielen und zu spüren, wie die gegnerischen Fans ihr Team unterstützen. Es ist eine Feindseligkeit: ironisch, aber nicht aggressiv."

Aggressiv konnte er bei seiner Rückkehr zu Chelsea bisher kaum werden, weil die Feindbilder von einst nicht mehr da sind oder die aktuellen Figuren keine Feindbilder darstellen. Alex Ferguson hat sich in den Ruhestand verabschiedet, Benitez ist in Italien unterwegs und Arsene Wenger und Mourinho begegnen sich inzwischen deutlich respektvoller als früher.

Villas-Boas' Versuch

Die blasse Reminiszenz früherer Gefechte lieferte er sich jüngst mit seinem ehemaligen Weggefährten Andre Villas-Boas. Vor dem Derby zwischen Tottenham und Chelsea hatte der sich darüber beschwert, dass ihm Mourinho zu ihrer gemeinsamen Zeit beim FC Porto und eben Chelsea zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Der Auftritt des Spurs-Trainers hatte allerdings eher etwas von einer verbitterten Ex-Frau, die auf sich aufmerksam machen wollte. Mourinho beschäftigte sich auch nicht wirklich ernsthaft mit der vermeintlichen Attacke.

Am Sonntag (17 Uhr im LIVE-TICKER) kommt es nun zum Duell mit Manchester City. Doch bevor Vorfreude auf ein ordentliches Scharmützel aufkommt: Mit dem stoischen Manuel Pellegrini, einst Mourinhos Vorgänger bei Real, kann selbst ein "Special One" keine Fehde entwickeln.

Der FC Chelsea im Überblick