Ferdinand: Kritik an englischem Verband

Von Marco Heibel
Rio Ferdinand kritisiert den englischen Verband harsch und vordert strukturelle Veränderungen
© getty

Manchester Uniteds Abwehr-Star Rio Ferdinand hat den englischen Verband dazu aufgefordert, eine radikale Strukturreform auf den Weg zu bringen und eine eigene Philosophie zu entwickeln. Nach Ansicht des 81-maligen Nationalspielers hat die englische Nationalmannschaft letztmalig vor fast 15 Jahren unter Glenn Hoddle eine Identität gehabt.

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"Wenn man all die Namen von den Trikots nimmt und die Farben der Trikots ändert, könnte niemand sagen: 'Das ist ein englisches Team, das ist unsere Identität, so spielen wir Fußball'", sagte Ferdinand dem "Guardian". Dieses Problem ziehe sich von der englischen U-16 bis zur A-Nationalmannschaft, so der 34-Jährige Verteidiger von Manchester United weiter.

Ferdinand präzisierte, dass andere große Fußballnationen dieses Problem nicht hätten: "Wenn du ein italienisches, niederländisches, spanisches, deutsches oder brasilianisches Team spielen siehst, würdest du sie von der Nachwuchsmannschaft bis zu den Senioren sofort identifizieren können."

"Lieber nicht für WM oder EM qualifizieren"

Ferdinand prangerte an, dass es im Gegensatz zu diesen Ländern in England seit Jahren keine Fußballidentität mehr gebe. Der letzte Nationaltrainer, der in Ansätzen eine Philosophie gehabt hätte, sei der 1999 aus dem Amt geschiedene Glenn Hoddle gewesen. Ferdinand: "Hoddle sagte, wie wir zu spielen hatten. Und wenn ein Spieler eingewechselt wurde, wusste er was er zu tun hatte, weil wir ein vorgegebenes System hatten."

Geht es nach dem 81-maligen Nationalspieler, der seine Länderspielkarriere im Mai beendete, müsse der englische Verband alles daran setzen, wieder eine Identität zu erlangen - auch wenn dies Opfer mit sich bringt: "Ich würde mich lieber nicht für eine WM oder EM qualifizieren, wenn ich dafür weiß, dass wir in zehn Jahren wieder eine Identität haben, auf die wir stolz sein können."

Zuletzt auf "Goldene Generation" verlassen

Laut Ferdinand habe der Kardinalfehler im vergangenen Jahrzehnt darin bestanden, dass sich der Verband auf die "Goldene Generation" im Frank Lampard und Steven Gerrard verlassen hat. Der Schlüssel bestehe jedoch darin, "als Team zusammen zu spielen."

Langfristig müsse sich in England allerdings auch in der Trainerausbildung etwas tun, forderte Ferdinand: "Bei der U-20-WM habe ich Spieler aus anderen Ländern gesehen, die den Ball auch unter höchstem Druck verteidigen konnten. Wird das bei uns genauso gut vermittelt? Wir haben tolle junge Spieler, aber die Basics werden nicht richtig rübergebracht."

Ferdinand nimmt Trainer in die Pflicht

Neben der Didaktik müssten die Trainer allerdings mehr Mut beweisen, um den Nachwuchs voranzubringen, schloss Ferdinand: "Kriegen die jungen Spieler die gleichen Chancen wie zu meiner Zeit? Harry Redknapp hatte bei West Ham keine Skrupel, mich einfach hineinzuwerfen." Mittlerweile sei das Risiko für viele Trainer aber einfach zu hoch. Sie seien eher darauf bedacht, "drei oder vier Jahren ihren Job zu behalten."

Ferdinand selbst debütierte im Alter von 17 Jahren für West Ham United in der Premier League. 2002 heuerte der Verteidiger für 46 Millionen Euro Ablöse bei Manchester United an. In seinen 18 Profijahren bestritt Ferdinand bislang 699 Pflichtspiele.

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