"Es gab nur eine Option: Überleben"

Von Interview: Haruka Gruber
Nach erfolgreichen Stationen in Norwegen will es Uwe Rösler in England oder Deutschland schaffen
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SPOX: Sie hingegen setzten sich durch. Warum wurden Sie dennoch - von einer Nominierung abgesehen - nie für die deutsche Nationalmannschaft berücksichtigt?

Rösler: 1995 wurde ich berufen, musste aber wegen einer Verletzung absagen. 1996 gab es vor der EM noch einmal Kontakt, aber mir wurde vom DFB recht deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mir einen neuen Verein suchen soll. Während die anderen Stürmer in der Bundesliga oder in Italien spielten, bin ich mit City in die zweite Liga abgestiegen und wurde entsprechend nicht für voll genommen. Ich bin aber deswegen nicht böse. Es war ja eine bewusste Entscheidung, bei City zu bleiben.

SPOX: Warum?

Rösler: Weil ich diese Anerkennung genossen habe und weil ich wusste, dass es woanders nicht mehr so schön sein wird wie in Manchester. Erst als City 1998 in die 3. Liga abgestiegen ist und mein Vertrag auslief, habe ich das Angebot vom damaligen Meister Kaiserslautern angenommen und bin zurück in die Bundesliga gegangen. Otto Rehhagel kam extra nach Manchester geflogen und lockte mich mit der Aussicht, Champions League zu spielen.

SPOX: Damit begann jedoch eine rastlose Phase in Ihrer Karriere.

Rösler: Die Saison in Lautern war noch erfolgreich, ich schoss in allen Wettbewerben zwölf Tore. Im Sommer darauf kam der damals sehr ambitionierte Zweitligist TeBe Berlin und bot dem FCK drei Millionen Mark Ablöse und mir ein sehr gutes Gehalt. Ich war damals 30 und entschied ein einziges Mal in meiner Karriere nach dem Geld - und das ging so was von in die Hose. Nach der Hinrunde waren wir in der 2. Liga Fünfter, doch in der Rückrunde stürzten wir komplett ab und wären fast abgestiegen. Irgendwann habe ich freiwillig meine Kapitänsbinde abgegeben, weil ich mich so geschämt habe für unser peinliches Auftreten.

SPOX: Vom Bankrott gegangenen Klub TeBe zogen Sie weiter nach Southampton und von dort zum späteren Zweitliga-Absteiger Unterhaching, bis Sie nach Norwegen gingen.

Rösler: Es war nie Teil meiner Lebensplanung, aber es hatte sich so ergeben. Ich bin eigentlich nur in die Heimat meiner norwegischen Ehefrau gewechselt, weil es ihr gefiel und ich in einer sportlich recht ordentlichen Liga langsam die Karriere ausklingen lassen wollte. Ich war richtig gut drauf und erzielte in elf Spielen zehn Tore für Lilleström. Ein Riesenspaß - aber dann konnte ich plötzlich nicht mehr richtig laufen. Bei der kleinsten Anstrengung bekam ich Atemnot.

SPOX: Wann wussten Sie, dass Sie Lymphknoten-Krebs haben?

Rösler: Am 15. April 2003. Der Tag wird für immer in meinem Gedächtnis eingebrannt sein. Wir dachten erstmal an einen Virus, entsprechend erschüttert war ich, als die Ärzte mir sagten, dass es ein Tumor ist. Ich bin daraufhin zu einem deutschen Arzt, der mir die ganze Tragweite der Diagnose erklärt hat. Normalerweise hätte man erst analysieren müssen, was für einen Krebs ich genau habe, aber da der Test mehrere Tage gedauert hätte, der Tumor aber schon so gewachsen war, riet er mir dazu, trotz des Risikos sofort am Tag der Diagnose mit der Behandlung anzufangen.

SPOX: Wie gefährlich war der Krebs?

Rösler: Der Tumor hatte die Größe eines Tennisballs. Meiner Frau wurde sogar gesagt, dass die Überlebenschancen nur fünf Prozent betragen - das verschwieg sie mir aber, um mich nicht weiter zu entmutigen. Ich ahnte die ganzen Jahre nicht, wie düster es tatsächlich aussah, erst im vergangenen Jahr erzählte sie mir davon - woraufhin mein Unterkiefer herunterklappte. Im Nachhinein ist es der Wahnsinn, dass ich es doch noch geschafft habe und mittlerweile als voll geheilt gelte.

SPOX: Wie ging es Ihnen damals mental?

Rösler: Ich war zutiefst erschüttert. Ich wusste weder ein noch aus, ich steckte in einem psychologischen Tief. Aber nach einer Zeit drang es in das Bewusstsein, dass ich mich nicht gehen lassen kann. Ich hatte eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern, die ich ernähren musste. Von daher gab es nur eine Option: Überleben.

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