Auf der Jagd mit "The Right One"

Von Oliver Wittenburg
2008 war Chelsea am nächsten dran: Im CL-Finale unterlag man ManUtd nach Elfmeterschießen
© Getty

Der FC Chelsea wird einen neuen Anlauf auf den Titel in der Champions League unternehmen. Viel spricht dafür, dass der neue Coach Carlo Ancelotti genau der richtige Mann für die Aufgabe ist. Groß investiert werden soll auch - aber nur im Notfall.

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Über 700 Millionen Euro hat Roman Abramowitsch in den FC Chelsea investiert, seit er den Londoner Klub 2003 übernahm. Das meiste Geld floss in Transfers und Gehälter.

Die Ziele waren von Anfang an klar: Chelsea in England in die Liga von Manchester United und Arsenal zu führen und - vor allem - den Pott mit den großen Ohren an die Stamford Bridge zu holen, sprich: die Champions League zu gewinnen.

Teil eins des Plans ist voll aufgegangen. "Chelski" wurde in den letzten sechs Spielzeiten zweimal Meister, dreimal Zweiter und in der abgelaufenen Spielzeit Dritter. Dazu gab's je zwei FA-Cup- und Ligapokal-Triumphe.

An Teil zwei wird noch gearbeitet: Einmal Endspiel, viermal Halbfinale in sechs Jahren ist stattlich, aber eben knapp vorbei.

Mourinho und seine Nachfolger

Auch der selbsternannte "Special One", Jose Mourinho, vermochte den großen Europacup nicht zu holen und doch ist der exaltierte Portugiese, den Abramowitsch als amtierenden Champions-League-Sieger (FC Porto, 2004) nach London gelotst hatte und der nach ziemlich genau drei Jahren wieder gehen musste, der Maßstab für jeden neuen Chelsea-Coach.

Auf Mourinho folgte Avram Grant, der den Traum vom CL-Triumph fast wahrgemacht hätte, aber keine Lobby hatte.

Luiz Felipe Scolari traf in London mit gewaltigen Vorschusslorbeeren ein. Der Brasilianer kam jedoch mit der Mannschaft nicht zu Recht, vielmehr diese nicht mit ihm, und wurde nach nur sieben Monaten abgesägt.

Als Interimscoach übernahm dann Guus Hiddink für den Rest der gerade zu Ende gegangenen Saison. Der Niederländer arbeitete überaus erfolgreich, stand aber von Anfang an nicht als Langzeitlösung zur Debatte.

Nun also Carlo Ancelotti.

Chelsea und Real müssen

Mit dem Italiener holte Abramowitsch nun den Champions-League-Experten schlechthin. Ancelotti gewann den Cup als Spieler 1989 und 1990 mit dem AC Mailand. Als Milan-Trainer wiederholte er das Kunststück 2003 und 2007.

"Für mich ist die Champions League der beste Wettbewerb der Welt", sagte Ancelotti, der in der kommenden Woche seinen 50. Geburtstag feiern wird. "Jedes Team will ihn gewinnen."

Dass ihn jedes Team gewinnen will, ist keine bahnbrechende Feststellung, nur ist im Falle von Herrn Ancelotti mit 'gewinnen wollen' jetzt Schluss, denn Chelsea ist abgesehen von dem mit Pauken und Trompeten aufrüstenden Real Madrid wohl der einzige Klub in Europa, der den Pott holen muss.

Ancelotti erhält einen Dreijahresvertrag in London. 7,5 Millionen Euro per anno soll er bekommen, eine gute Million extra, wenn er den großen Pott holt.

Erfahrung mit dem Starensemble

Der ruhige Italiener scheint der richtige Mann am richtigen Ort zu sein.

Nicht, weil er der rückgratlose Ja-Sager ist, als den ihn eine englische Boulevardzeitung hinstellte. Auch nicht, weil er nach acht Jahren unter Silvio Berlusconi bestens präpariert sei, unter einem mit ähnlicher Machtfülle ausgestatteten Patron zu dienen.

Ancelotti ist mit seinem fußballerischen Sachverstand, seiner Fähigkeit, einen ganzen Stall von Superstars zu einem funktionierenden Ganzen zu schweißen und seiner unaufdringlichen Art wie gemacht für den FC Chelsea.

Sein Mantra: "Ich will nah an den Spielern sein, ich will nahe am Klub sein. Ich will mit den Leuten sprechen. Ich glaube fest an Teamwork. Das Wichtigste ist, eine Einheit zu bilden, die an einem gemeinsamen Traum arbeitet."

Bewiesen hat er auch, dass er das ganze Spektrum des modernen Fußballs beherrscht: von kontrolliertem Ergebnisfußball bis hin zu mitreißendem Offensivspektakel. In umgekehrter Reihenfolge führte Milan diese Stilrichtungen beim Champions-League-Triumph 2007 über Liverpool im Endspiel und Manchester United im Halbfinale vor.

Kein Kaufrausch wie früher

Ancelotti ist nicht der große Revoluzzer. Den braucht und sucht Chelsea nicht. Ancelotti ist kein Lautsprecher und Selbstdarsteller a la Mourinho. Auch einen solchen brauchen sie nicht.

Ancelotti ist der richtige Trainer, um das Team und den Klub den einen entscheidenden Schritt weiterzubringen, genau der richtige Mann für das Upgrade der Chelsea-Version 08/09.

Chelsea wird nicht in den Kaufrausch verfallen wie zur Beginn der Abramowitsch-Ära. Drei, vier Spieler sollen gehen, genauso viele neue kommen. Wie Chairman Bruce Buck betonte, plane man jedoch Transfers mit Spielerverkäufen zu refinanzieren.

Mit einer Einschränkung: "Wenn uns der richtige Spieler über den Weg läuft - und sei er auch teuer - dann wird Roman zugreifen. Vorausgesetzt natürlich der Transfer bringt den Chelsea Football Club weiter."

Das Team steht. Im Prinzip. Ancelotti wird wissen, wo man nachbessern muss. Ein Abwehrspieler fürs Zentrum vielleicht, ein bisschen mehr Kreativität fürs Mittelfeld, ein hochkarätiger Stürmer, der ein paar Jährchen jünger ist als Didier Drogba oder Nicolas Anelka.

Gerüchte von Kaka bis Ribery

Namen kursieren selbstverständlich unzählige: Ancelotti soll englischen Zeitungen zufolge die Verpflichtung von Abwehrspieler Glen Johnson vom FC Portsmouth und von Milan-Juwel Pato gefordert haben.

Natürlich geistert auch der Name Franck Ribery durch die Gazetten, genauso wie Sergio Agüero (Atl. Madrid), David Villa (Valencia), Emmanuel Adebayor (FC Arsenal). Und dann sind da noch die Milan-Stars Kaka, Clarence Seedorf und Andrea Pirlo. Fortsetzung folgt.

Zwei seiner Vorgänger wurden neben dem ausbleibenden Erfolg mangelnde Englischkenntnisse zum Verhängnis: Claudio Ranieri, dem Mann vor Mourinho und Scolari.

Ancelotti will es darauf gar nicht erst ankommen lassen. "Bis zum Saisonstart werde ich gut Englisch sprechen. Dafür habe ich genug Zeit." Dann muss er sich ja nur noch am Erfolg messen lassen.

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